News 07/2024



Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 07-2024:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und WEG

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Abschließende Hinweise

Zum Anfang



Arbeitsrecht

Charakterliche Eignung: Entlassung eines Polizeikommissars aus dem Probebeamtenverhältnis

| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat die Entlassung eines Polizeikommissars aus dem Beamtenverhältnis auf Probe für rechtmäßig erklärt. |

Das war geschehen

Der Kläger war im Jahr 2021 nach bestandener Laufbahnprüfung in das Probebeamtenverhältnis berufen und als Einsatzsachbearbeiter in einer Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei eingesetzt worden. Bereits zuvor, noch während seines Vorbereitungsdienstes, hatte er über mehrere Monate hinweg wiederholt Bilddateien (sog. Sticker) in verschiedene WhatsApp-Chatgruppen mit diskriminierenden, antisemitischen, rassistischen, menschenverachtenden sowie frauen- und behindertenfeindlichen und gewaltverherrlichenden Inhalten hochgeladen. Als sein Dienstherr, der Beklagte, hiervon erfuhr, leitete er zunächst ein Disziplinarverfahren und dann ein Entlassungsverfahren ein und entließ den Kläger wegen erheblicher Zweifel an dessen charakterlicher Eignung für den Polizeidienst mit Ablauf des Jahres 2022 aus dem Probebeamtenverhältnis.

Hiergegen erhob der Kläger zunächst Widerspruch und in der Folge Klage. Zur Begründung gab er an, aus dem Kontext der Verwendung der Sticker werde hinreichend deutlich, dass es sich nur um „schwarzen Humor“ handele; der Inhalt der Sticker entspreche in keiner Weise seiner inneren Haltung.

Kläger kein „unbescholtenes Blatt“

Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Beklagte sei vielmehr beurteilungsfehlerfrei von der charakterlichen Nichteignung des Klägers für den Polizeidienst ausgegangen. Damit knüpfte das VG an seine bereits im November 2023 getroffenen Beschluss an, mit dem er die vom Kläger beantragte Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten seiner Klage abgelehnt hatte. In dem Beschluss hatte das Gericht betont, es sei unerheblich, ob die vom Kläger verwandten „Sticker“ tatsächlich Ausdruck seiner Gesinnung seien. Der Kläger müsse diese so gegen sich gelten lassen, wie sie aus Sicht eines objektiven Betrachters zu verstehen seien. Es werde deutlich, dass der Kläger sich seiner beamtenrechtlichen Pflichten nicht einmal ansatzweise bewusst sei und dass ihm erkennbar die erforderliche charakterliche Reife und Stabilität für das Amt eines Polizeivollzugsbeamten fehle. Außerdem berücksichtigten die Richter, dass der Kläger im Februar 2024 strafrechtlich wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in vier Fällen, in drei Fällen hiervon in Tateinheit mit Volksverhetzung, schuldig gesprochen worden war.

Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 20.2.2024, 5 K 733/23.KO, PM 5/24

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Arbeitsvertragsklausel: Kündigung einer TV-Moderatorin wegen Wettbewerbstätigkeit wirksam

| Das Arbeitsgericht (ArbG) Köln hat entschieden, dass die Kündigung einer TV-Moderatorin wirksam ist, die trotz Abmahnungen eine Online-Kolumne für eine im Wettbewerb stehende Tageszeitung verfasst. |

Einschränkungen im Arbeitsvertrag

Die Klägerin war langjährig im Bereich Finanz- und Börsenberichterstattung für die Beklagte tätig, die einen Nachrichtensender mit TV- und Onlineberichterstattung betreibt. Der Arbeitsvertrag schränkt die Möglichkeit von Nebentätigkeiten ein und sieht vor, dass zuvor eine Genehmigung erfolgen muss.

Abmahnung wegen Online-Börsenkolumne

Die Klägerin hat unter anderem am 29.9.2022 eine Online-Börsenkolumne für eine Tageszeitung verfasst, wegen der sie am 4.10.2022 abgemahnt wurde. Dennoch veröffentlichte die Klägerin dort am 1.1.2023 eine weitere Kolumne, aufgrund der die Beklagte die streitgegenständliche Kündigung aussprach.

Zuvor war die Klägerin auch vor dem ArbG Köln in einem einstweiligen Verfügungsverfahren unterlegen, in dem sie ihren Arbeitgeber verpflichten wollte, die Nebentätigkeit zum Verfassen einer wöchentlichen Kolumne zu genehmigen. Hier hatte das ArbG geurteilt, dass die begehrte Nebentätigkeit eine nicht genehmigungsfähige Konkurrenztätigkeit darstelle.

Arbeitsgericht bestätigt Kündigung

Das ArG Köln hat die Kündigung bestätigt. Bei der Online- Kolumne handele es sich um eine Wettbewerbstätigkeit, da sowohl der Arbeitgeber als auch der Zeitungsverlag Unternehmen sind, die sowohl im Bereich der TV- wie auch der Onlineberichterstattung aktiv seien.

Zudem betreffe die Börsenkolumne der Klägerin den fachlichen Kernbereich ihrer Tätigkeit für die Beklagte. Gerade in diesen Themen hat die Klägerin sich in der Vergangenheit eine große Reputation aufgebaut, mit der sie bislang für die Beklagte in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten ist. Ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Wettbewerbstätigkeiten entfaltet, verstoße gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers. Dies könne eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar

Hier sei der Arbeitgeberin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Das Vertrauen der Beklagten in einen störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses sei nach den bewussten, fortgesetzten und groben Pflichtverletzungen der Klägerin gänzlich aufgebraucht.

Quelle | ArbG Köln, Urteil vom 11.10.2023, 9 Ca 5402/22, PM 11/23

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Homeoffice: Unfallversichert bei Heizkesselexplosion

| Ein Busunternehmer steht unter Unfallversicherungsschutz, wenn er im Homeoffice beim Hochdrehen der Heizung durch eine Verpuffung im Heizkessel verletzt wird. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden. |

Im Homeoffice Heizkessel überprüft und nach Verpuffung schwer verletzt

Der Kläger war als selbstständiger Busunternehmer bei der beklagten Berufsgenossenschaft pflichtversichert. Er bewohnte ein Haus, dessen Wohnzimmer er als häuslichen Arbeitsplatz (Homeoffice) für Büroarbeiten nutzte. Am Unfalltag holte der Kläger seine Kinder von der Schule ab und arbeitete anschließend an seinem Schreibtisch im Wohnzimmer. Nachdem er festgestellt hatte, dass die Heizkörper im ganzen Haus kalt waren, begab er sich zur Überprüfung der Kesselanlage in den Heizungskeller. Beim Hochdrehen des Temperaturschalters kam es aufgrund eines Defekts der Heizungsanlage zu einer Verpuffung im Heizkessel, in deren Folge der Kläger eine schwere Augenverletzung erlitt.

Bundessozialgericht erkennt Arbeitsunfall an

Die beklagte Berufsgenossenschaft, das Sozialgericht (SG) und das Landessozialgericht (LSG) lehnten einen Arbeitsunfall ab. Das BSG hat dagegen einen Arbeitsunfall anerkannt.

Der Kläger wollte nicht nur seine Kinder, sondern auch seinen häuslichen Arbeitsplatz mit höheren Temperaturen versorgen. Die Benutzung des Temperaturreglers war deshalb unternehmensdienlich, der Heizungsdefekt kein unversichertes privates Risiko.

Quelle | BSG, Urteil vom 21.3.2024, B 2 U 14/21 R, PM 11/24

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Kündigungsschutzklage: Schlägerei im Linienbus führt zur Kündigung des Fahrers

| Das Arbeitsgericht (ArbG) Göttingen hat die Kündigungsschutzklage eines Busfahrers gegen die Göttinger Verkehrsbetriebe GmbH als unbegründet abgewiesen. Sein Verhalten in dem konkreten Fall sei eine schwerwiegende Pflichtverletzung gewesen. |

Fahrer schlägt Fahrgast: fristlose Kündigung

Der Kläger ist seit 25 Jahren bei der Beklagten beschäftigt und wurde im Sommer 2023 fristlos gekündigt. Die Beklagte hat dem Kläger vorgeworfen, dass dieser einen Fahrgast gewaltsam von seinem Sitz gezogen und aus dem Bus geworfen habe. Nachdem der Fahrgast auf den Boden gefallen und wieder aufgestanden war, soll der Kläger ihn mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben.

Der Kläger behauptete, dass der alkoholisierte Fahrgast eine junge Frau belästigt habe. Zudem habe er sich geweigert, einen Fahrausweis zu zeigen und ihn den Kläger beleidigt. Auf Aufforderung habe er den Bus nicht verlassen. Nach dem Rauswurf habe der Fahrgast mit einer Getränkedose in der Hand eine Bewegung auf ihn zu gemacht und sich ihm drohend genähert. Daraufhin habe er der Kläger im Affekt eine Abwehr-/Schlagbewegung vollführt.

Der Bus ist mit sechs Überwachungskameras ausgestattet. Das ArbG hat die Videoaufzeichnungen in Augenschein genommen. Darauf ist zu erkennen, dass die Vorwürfe der Beklagten im Wesentlichen zutreffen. Der Kläger hat den Fahrgast, nachdem dieser auf seine Ansprache und die Aufforderung, den Bus zu verlassen, nicht reagierte, vom Sitz gezogen, wodurch dieser noch im Bus hingefallen ist. Im Anschluss daran griff der Kläger den Fahrgast von hinten an der Kleidung, um ihn aus dem Bus zu befördern. Auf dem Bürgersteig ist der Fahrgast aufgestanden. Daraufhin hat der Kläger ihn in der Nähe des Halses an der Kleidung gepackt und mit der Faust ausgeholt. Ob er den Fahrgast getroffen hat, ist auf dem Video nicht eindeutig zu erkennen.

Ob der alkoholisierte Fahrgast zuvor andere Fahrgäste belästigt hatte, ließ sich über die Videoaufzeichnungen nicht feststellen. Im Vorfeld war eine junge Frau aufgestanden, da sie den Fahrgast offensichtlich als unangenehm empfunden hat. Zum Zeitpunkt des Vorfalls befand sich diese aber nicht mehr in der Nähe.

Große Belastung durch schwierige Fahrgäste, aber Abmahnung nicht nötig

Nach Ansicht des Gerichts stellt das Verhalten des Klägers eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung dar. Dabei hat das Gericht nicht verkannt, dass schwierige Fahrgäste für Busfahrer eine große Belastung darstellen. Nachdem der Fahrgast den Bus nicht freiwillig verlassen wollte, hätte der Kläger aber die Leitstelle oder die Polizei anrufen können und müssen. Eine vorherige Abmahnung war aus der Sicht des Gerichts nicht erforderlich.

Quelle | ArbG Göttingen, Urteil vom 23.1.2024, 1 Ca 219/23, PM vom 30.1.2024

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Baurecht

Fristüberschreitung: Investoren müssen Vertragsstrafe an Planungsverband zahlen

| Zwei Investoren sind zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von insgesamt 300.000 Euro nebst Zinsen an einen Planungsverband verpflichtet worden, weil sie die Erteilung einer Baugenehmigung zur Realisierung eines Hotelbauvorhabens nicht rechtzeitig beantragt haben. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |

Frist für Bebauungsplan vereinbart

Im Dezember 2016 schloss der Planungsverband mit den Investoren einen städtebaulichen Vertrag. In diesem verpflichteten sich die Investoren, binnen 36 Monaten ab Inkrafttreten eines vom Planungsverband aufzustellenden Bebauungsplans einen vollständigen Bauantrag zur Errichtung eines Hotelbaus zu stellen. Unterbleibt eine rechtzeitige Bauantragstellung, ist eine Vertragsstrafe in Höhe von 15.000 Euro monatlich, höchstens in Höhe von 300.000 Euro, vorgesehen.

Frist überschritten: Vertragsstrafe

Weil die Investoren ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen waren, verlangte der Planungsverband zunächst außergerichtlich und dann mit seiner Klage, die vereinbarte Vertragsstrafe zu zahlen. Die Investoren beriefen sich dagegen auf Formfehler beim Zustandekommen des Vertrags und machten geltend, die Stellung eines vollständigen Bauantrags sei ihnen unmöglich gewesen, weil der Planungsverband Gestaltungsvorgaben nicht hinreichend konkret vorgegeben habe. Ferner stünde ein Lärmschutzkonflikt mit den Betreibern der auf dem Plateau vorhandenen Freilichtbühne einer Umsetzung des Hotelkonzepts entgegen.

Anforderungen eingehalten

Die Klage hatte Erfolg. Der Verband habe einen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe, so das VG. Der Vertrag sei frei von Verfahrens- und Formfehlern zustande gekommen und entspreche den an einen städtebaulichen Vertrag zu stellenden gesetzlichen Anforderungen.

Rechtzeitigkeit wäre möglich gewesen

Den Investoren sei es zudem möglich gewesen, rechtzeitig vollständige Bauantragsunterlagen einzureichen. Insbesondere habe der Lärmschutzkonflikt zwischen dem geplanten Hotelvorhaben und der Freilichtbühne die Vorlage vollständiger Bauantragsunterlagen nicht unmöglich gemacht. Eine Lösung des Konflikts wäre vielmehr im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens herbeizuführen gewesen.

Gegen die Entscheidung wurde Rechtsmittel zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz erhoben.

Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 6.12.2023, 4 K 388/23.KO, PM 1/24

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Privilegiertes Bauvorhaben: Kleinwindenergieanlagen für Eigengebrauch im Außenbereich

| Die Errichtung von Kleinwindenergieanlagen ist ein im Außenbereich baurechtlich privilegiertes Vorhaben der Nutzung der Windenergie, auch wenn es nicht mittels Netzeinspeisung des erzeugten Stroms der öffentlichen Energieversorgung, sondern der Deckung des privaten Verbrauchs dient. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz. |

Landkreis lehnte Erlass eines Bauvorbescheids ab

Die Kläger beantragten, ihnen einen Bauvorbescheid zur Errichtung von vier Kleinwindenergieanlagen (Gesamthöhe 6,5 m) auf ihrem Grundstück im Außenbereich zu erteilen. Der Landkreis lehnte dies mit der Begründung ab, die Anlagen seien nicht als im Außenbereich privilegierte Vorhaben der Nutzung der Windenergie zu behandeln, da die Privilegierung auf solche Windenergieanlagen zu beschränken sei, die der öffentlichen Versorgung dienten. Zudem stünden öffentliche Belange dem Vorhaben entgegen. Hiergegen erhoben die Kläger Klage. Das Verwaltungsgericht (VG) verpflichtete den beklagten Landkreis, den beantragten Bauvorbescheid zu erteilen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Landkreises wies das OVG zurück.

Privilegiertes Bauvorhaben auch bei Privatnutzung der erzeugten Energie

Das VG habe den Beklagten zu Recht zur Erteilung des beantragten Bauvorbescheids verpflichtet. Bei der Errichtung und dem Betrieb der vier Kleinwindenergieanlagen handele es sich um ein der Nutzung der Windenergie dienendes privilegiertes Vorhaben im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB), das im Außenbereich zugelassen werden könne.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ließen sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal herleiten, wonach das Vorhaben nicht nur der Nutzung der Windenergie, sondern mittels Netzeinspeisung des erzeugten Stroms auch der öffentlichen Energieversorgung dienen müsse. Gegen ein solches ungeschriebenes Erfordernis sprächen auch Sinn und Zweck der Norm. Diese diene letztlich einer umwelt- und ressourcenschonenden Energieversorgung mittels einer verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien, wozu Windenergieanlagen auch dann beitrügen, wenn sie allein zur Deckung eines privaten Verbrauchs errichtet würden. Die überragende Bedeutung dieses Ziels habe der Gesetzgeber mehrfach in seiner weiteren Normsetzung herausgestellt.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus einem Urteil des OVG aus dem Jahr 2018, an dem der dort erkennende Senat in Bezug auf den geforderten öffentlichen Versorgungszweck in einer neueren Entscheidung aus dem Jahr 2023 ersichtlich nicht mehr festhalte.

Keine Gefahr von Wildwuchs

Nicht nachvollziehbar sei die vom Beklagten ferner geltend gemachte Befürchtung, dass bei einer Privilegierung von allein der privaten Versorgung dienenden Kleinwindenergieanlagen ein Wildwuchs derartiger Vorhaben zulasten der Landschaft drohe. Denn die Errichtung einer Kleinwindenergieanlage im Außenbereich komme unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur in Betracht, wenn der erzeugte Strom entweder durch einen dort in der Nähe der Anlage vorhandenen Verbraucher abgenommen oder ins Stromnetz eingespeist werde. Dies sei jedoch regelmäßig nicht der Fall, da ein Endabnehmer vor Ort im Außenbereich nur in Ausnahmefällen vorhanden sei und der Bau einer Leitung allein zum Zweck der Einspeisung des mit der Kleinanlage erzeugten Stroms in ein öffentliches Netz unter Rentabilitätsaspekten ausscheide. Dem privilegierten Vorhaben stünden auch keine öffentlichen Belange entgegen.

Quelle | OVG Koblenz, Urteil vom 4.4.2024, 1 A 10247/23.OVG, PM 6/24

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Familien- und Erbrecht

Umgangsrecht: Vertragsstrafen und vertragsstrafenähnliche Klauseln zur Durchsetzung von Umgangsvereinbarung unzulässig

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Eine Elternvereinbarung zum persönlichen Umgang mit dem Kind kann nicht unter Umgehung einer gerichtlichen Kindeswohlkontrolle durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe oder einer vertragsstrafenähnlichen Klausel erzwingbar gemacht werden. |

Das war geschehen

Die Antragstellerin ist peruanische Staatsgehörige. Aus ihrer 2002 geschlossenen Ehe mit dem Antragsgegner, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, sind eine 2007 geborene Tochter und ein 2012 geborener Sohn hervorgegangen. Der letzte gemeinsame Aufenthalt der Ehegatten war in Deutschland, wo der Antragsgegner weiterhin lebt und arbeitet. Die Antragstellerin siedelte 2011 unter zwischen den Beteiligten streitigen Umständen mit der Tochter nach Peru über, wo im Folgejahr auch der Sohn geboren wurde. Seitdem sie Deutschland verlassen hatte, ließ sie einen persönlichen Umgang des Antragsgegners mit den gemeinsamen Kindern nur dann zu, wenn sich dieser besuchsweise in Peru aufhielt. Die Ehe der Beteiligten wurde 2017 rechtskräftig geschieden. Die Antragstellerin machte güterrechtliche Ansprüche geltend.

Das verlangte die Antragstellerin

Die Antragstellerin hat Zahlung eines Zugewinnausgleichs in Höhe von 80.000 Euro verlangt. Im Dezember 2021 haben die Beteiligten vor dem Amtsgericht (AG) einen gerichtlich protokollierten Vergleich geschlossen, wonach der Antragsgegner zur Abgeltung sämtlicher güterrechtlichen Forderungen einen Betrag von 60.000 Euro in drei jährlichen Raten zu jeweils 20.000 Euro an die Antragstellerin zahlen muss. Die jährlichen Raten sollten erst fällig werden, wenn zuvor ein dreiwöchiger Umgang der gemeinsamen Kinder mit dem Antragsgegner in Deutschland stattgefunden hatte. Das AG hat diesen Vergleich familiengerichtlich gebilligt. Diese Billigung wurde auf eine Beschwerde der Antragstellerin wieder aufgehoben, weil das AG keine den verfahrensrechtlichen Garantien des Kindschaftsrechts genügende Kindeswohlprüfung durchgeführt habe.

Die Antragstellerin hält den gerichtlichen Vergleich für nichtig und hat im Mai 2022 die Fortsetzung des güterrechtlichen Verfahrens beantragt. Das AG hat diesen Antrag zurückgewiesen und festgestellt, dass das Zugewinnausgleichsverfahren durch den Vergleich beendet worden ist. Das Oberlandesgericht (OLG) hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Ziel der Verfahrensfortsetzung weiter.

So sieht es der Bundesgerichtshof

Der BGH hat die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen. Er hat die im gerichtlichen Vergleich enthaltene Stundungsvereinbarung wegen der Verknüpfung der Ratenfälligkeit mit der tatsächlichen Gewährung des vereinbarten Umgangs der Kinder mit dem Antragsgegner in Deutschland als sittenwidrig angesehen.

Zwar muss nicht schlechthin jeder von den Eltern hergestellte Zusammenhang zwischen einer Vereinbarung zum persönlichen Umgang mit dem Kind und einer Beilegung ihrer vermögensrechtlichen Streitigkeiten unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Kommerzialisierung des Umgangsrechts missbilligt werden. Gleichwohl besteht bei einer vertraglichen Verknüpfung von Vermögensbelangen der Eltern und dem persönlichen Umgang mit dem Kind aus dem Blickwinkel des Kindeswohls grundsätzlich immer die Gefahr, dass Gewährung und Ausgestaltung des Umgangs maßgeblich von wirtschaftlichen Interessen der Eltern bestimmt werden, das Kind auf diese Weise zum Objekt eines Handels gemacht und besonderen Loyalitätskonflikten ausgesetzt wird.

Sittenwidrige Vereinbarung

Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist bei solchen Vereinbarungen aber überschritten, wenn sie die von den Eltern getroffene Umgangsregelung unter Ausschluss einer gerichtlichen Kindeswohlkontrolle erzwingbar machen soll. Das Umgangsrecht untersteht nicht der freien vertraglichen Disposition der Eltern. Ohne eine sachliche Kontrolle durch das Familiengericht am Maßstab des Kindeswohls können die Eltern nach geltendem Recht die Vollstreckbarkeit einer von ihnen getroffenen Umgangsvereinbarung nicht herbeiführen. Das Erfordernis der gerichtlichen Billigung der Umgangsvereinbarung als notwendiger Voraussetzung ihrer Vollziehbarkeit kann nicht dadurch überflüssig gemacht werden, dass die Eltern eine Vertragsstrafe oder eine vertragsstrafenähnliche Klausel für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen die von ihnen getroffenen Umgangsregelungen vereinbaren. Auch zur Durchsetzung eines gerichtlich gebilligten Umgangsvergleichs wird eine Vertragsstrafenvereinbarung - zumindest in reinen Inlandsfällen - wegen einer Umgehung des staatlich regulierten Vollstreckungsverfahrens regelmäßig unwirksam sein.

Danach ist die Verknüpfung der Fälligkeit der auf die Vergleichssumme zu zahlenden Raten mit der Gewährung des Umgangs mit den Kindern in Deutschland sittenwidrig. Sie bezweckte die Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf die Antragstellerin, die zwischen den Eltern im gerichtlichen Vergleich getroffene Umgangsvereinbarung einzuhalten, was der Regelung in ihrer Wirkung einen vertragsstrafenähnlichen Charakter verleiht.

Kindeswohl entscheidend

Eine familiengerichtliche Kontrolle der Umgangsvereinbarung am Maßstab des Kindeswohls, die zwingend eine Beteiligung der Kinder am Verfahren und deren Anhörung durch das Gericht zur Erforschung ihres Willens erfordert hätte, hat in Deutschland - was den Beteiligten bewusst war - nicht stattgefunden. Die überdies auch verfahrensordnungswidrig im Zugewinnausgleichsverfahren erfolgte familiengerichtliche Billigung der Umgangsregelung durch das Amtsgericht ist dementsprechend im Beschwerdeverfahren zu Recht aufgehoben worden.

Auch mit Blick auf den Auslandsbezug des Sachverhalts ergibt sich nichts anderes, so der BGH.

Das OLG muss nun prüfen, ob die Sittenwidrigkeit der an die Durchführung der Umgangskontakte geknüpften Regelungen zur Ratenfälligkeit den gesamten gerichtlichen Vergleich erfasst. Es wird daher beurteilen müssen, ob die Beteiligten den Vergleich über 60.000 Euro zur Abgeltung der güterrechtlichen Forderungen auch geschlossen hätten, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass die Fälligkeit der Vergleichssumme bzw. der darauf zu zahlenden Raten nicht an die Durchführung eines der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Umgangs mit den gemeinsamen Kindern geknüpft werden konnte.

Quelle | BGH, Beschluss vom 31.1.2024, XII ZB 385/23, PM 36/2024

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Download: Steuertipps für Familien: Kindergeld und weitere Vergünstigungen

| Das Finanzministerium Baden-Württemberg stellt einen Ratgeber „Steuertipps für Familien“ zur Verfügung. Der 100 Seiten umfassende Ratgeber gibt neben Informationen rund um das Kindergeld u. a. einen Überblick über die Steuervergünstigungen für Familien und Alleinerziehende. Er kann unter www.iww.de/s10532 heruntergeladen werden. |

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Testamentsanfechtung: Wann wird ein Testament durch ein widersprüchliches neues Testament aufgehoben?

| Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat entschieden, wann ein Widerspruch vorliegt, durch den ein älteres Testament ganz oder teilweise aufgehoben wird. |

Vier handschriftliche Testamente

Die Erblasserin verstarb ledig und kinderlos. Sie hatte zwei Geschwister: eine Schwester und einen Bruder, die beide vorverstorben sind. Insgesamt hinterließ die Erblasserin vier handschriftlich verfasste Testamente.

Im ersten Testament vom 3.4.2007 setzte sie ihre Schwester als Alleinerbin und ihren Bruder als Ersatzerben ein. Dieses Testament änderte sie am 26.4.2009 durch Durchstreichen derart, dass die Ersatzerbenstellung des Bruders aufgehoben wurde mit der Bemerkung, dass er gestorben sei. Im Testament vom 26.4.2009 setzte sie erneut ihre Schwester als Alleinerbin ein. Später ergänzte sie den Text mit folgendem unvollständigen Wortlaut: „Für den Fall, dass meine Schwester das Erbe nicht antreten kann, setze ich meine Großnichte als“. Im Testament vom 18.10.2009 setzte sie erneut ihre Schwester als Alleinerbin ein. Weiter heißt es in dem Testament: „Für den Fall, dass meine Schwester verstorben ist, setze ich zur Nacherbin meine Großnichte ein.“ Schließlich testierte sie am 27.14.2016 erneut und setzte wiederum ihre Schwester als Alleinerbin ein. In diesem Testament wurde weder eine Ersatzerbschaft noch eine Nacherbschaft angeordnet und die Großnichte wurde nicht mehr erwähnt.

Die Großnichte beantragte einen Alleinerbschein. Dem traten die Kinder des vorverstorbenen Bruder entgegen. Das Nachlassgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Erblasserin habe mit ihrer letzten Verfügung von Todes wegen die vorangegangenen Testamente aufgehoben. Der gegen diesen Beschluss durch die Großnichte eingelegten Beschwerde hat das Nachlassgericht nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat die Beschwerde zurückgewiesen.

So sah es das Oberlandesgericht

Die Großnichte könnte ihre Alleinerbenstellung allein aus dem Testament vom 18.10.2009 herleiten. Diese Stellung sei indes von der Erblasserin vollständig aufgehoben worden, als sie am 27.4.2016 ein neues Testament errichtet habe, in dem die Großnichte nicht mehr als Ersatzerbin berufen sei, so das OLG.

Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 2258 Abs. 1 BGB) werde durch die Errichtung eines Testaments ein früheres Testament insoweit aufgehoben, als dass das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch stehe. Ein derartiger Widerspruch liege zum einen vor, wenn die Testamente sachlich miteinander nicht vereinbar seien, die getroffenen Anordnungen also nicht nebeneinander Geltung erlangen könnten, sondern sich gegenseitig ausschließen. Ein Widerspruch sei zum anderen (auch) gegeben, wenn die einzelnen Anordnungen einander zwar nicht entgegengesetzt seien, aber die kumulative Geltung der mehreren Verfügungen den in einem späteren Testament zum Ausdruck kommenden Absichten des Erblassers zuwiderliefe. Das sei der Fall, wenn der Erblasser mit dem späteren Testament seine Erbfolge insgesamt, nämlich abschließend und umfassend (ausschließlich) habe neu regeln wollen. So liege der Fall hier.

Quelle | OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2023, I-3 Wx 189/23, Abruf-Nr. 239737 unter www.iww.de

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Mietrecht und WEG

Mieterhöhungsverlangen: Modernisierungsmieterhöhung trotz Mietpreisbremse möglich

| Nach Modernisierungsarbeiten vor Mietbeginn kann der Vermieter eine Miete vereinbaren, die die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10% übersteigt. Bestreitet der Mieter die Maßnahmen, ist das unbeachtlich, wenn der Vermieter eine substanziierte Berechnung vorgelegt und Einsicht in sämtliche Unterlagen angeboten hat. Das hat jetzt das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg entschieden. |

Mieter verlangte Rückerstattung überhöhter Miete

Die Miete für eine Wohnung in einem durch Verordnung bestimmten Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt lag bei 1.700 Euro. Unter Berücksichtigung eines zehnprozentigen Zuschlags gemäß Mietspiegel war von einer ortsüblichen Vergleichsmiete von maximal 867,71 Euro auszugehen. Der Mieter forderte die Rückerstattung der überhöht verlangten Miete. Im Prozess nahm der Vermieter detailliert zu den von ihm durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen Stellung und legte dar, in welchem Umfang Abzüge für Instandsetzungsmaßnahmen vorgenommen wurden, insbesondere, dass anrechenbare Modernisierungskosten in Höhe von 441,33 Euro pro Monat entstanden seien.

Klage hatte teilweise Erfolg

Das AG gab der Klage teilweise statt. Bei den Baumaßnahmen des Vermieters handele es sich zwar nicht um eine umfassende Modernisierung im Sinne des § 556f BGB, sodass der Vermieter die Wohnung nicht preisfrei vermieten durfte. Bei einer umfassenden Modernisierung sei zum einen auf den Investitionsaufwand und zum anderen auf das Ergebnis der Maßnahme, also die qualitativen Auswirkungen auf die Gesamtwohnung, abzustellen. Die aufgewandten Kosten einer reinen Erhaltungsmaßnahme zählten insgesamt nicht zu den Modernisierungskosten. Allein die Höhe des Bauaufwands reiche nicht aus; entscheidend sei das Resultat, also der geschaffene Zustand. Der Begriff „umfassend“ bezeichne nämlich nicht nur ein quantitatives (Kosten-)Element, sondern gleichberechtigt ein qualitatives Kriterium. Zu berücksichtigen seien die qualitativen Auswirkungen der Maßnahmen auf die Gesamtwohnung. Eine solche Auslegung werde dem Gesetzeszweck gerecht, Modernisierungen zu fördern. Durch diesen Aufwand müsse ein Zustand erreicht werden, der einer Neubauwohnung in etwa nicht notwendig vollständig entspreche.

Im Fall des AG fehlten Darlegungen des Vermieters, dass durch die Maßnahmen ein Zustand erreicht wurde, der insbesondere in energetischer Hinsicht einem Neubau gleichkommt. Jedoch sei der Vermieter berechtigt, die Kosten für die Modernisierungsmaßnahmen (nach § 556e Abs. 2 BGB) in Höhe von 441,33 Euro pro Monat anzurechnen. Insgesamt sei daher eine Nettokaltmiete für die Wohnung in Höhe von 1.309,04 Euro berechtigt.

Quelle | AG Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 9.6.2023, 209 C 29/22

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Bauliche Veränderungen: Anspruch auf Ladeeinrichtung hat Grenzen

| Nach dem Wohnungseigentumsgesetz (hier: § 20 Abs. 1 Abs. 2 S. 1 WEG) kann jeder Wohnungseigentümer angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die u. a. dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen (sog. privilegierte bauliche Veränderungen). Verlangt ein Wohnungseigentümer eine solche bauliche Veränderung, entscheidet die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer über das „Wie“ der Maßnahme nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Der einzelne Wohnungseigentümer hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte Durchführung der betreffenden baulichen Veränderung. So entschied es das Landgericht (LG) Stuttgart. |

Eigentümer errichtete zunächst Ladesäule

Ein Wohnungseigentümer hatte ein Sondernutzungsrecht an einem Stellplatz im Freien. Seit Jahren versuchte er vergeblich zu erreichen, dass eine Ladesäule für Elektrofahrzeuge an seinem Stellplatz errichtet wird. Schließlich montierte er im Sommer 2019 ohne Gestattung neben seinem Außenstellplatz eine Ladesäule auf einem Betonfundament. Für die Errichtung als „öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur“ erhielt er eine Förderung aus Bundesmitteln. Die Eigentümergemeinschaft verklagte ihn erfolgreich auf Entfernen der Ladestation und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Im Rahmen der Vollstreckung wurde die Ladesäule demontiert.

Dann verlangte er bestimmte bauliche Veränderungen

Der Eigentümer verlangte daraufhin „bauliche Veränderungen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen gemäß (von ihm) vorgelegten Ladeinfrastrukturkonzept“. Dieser Antrag wurde in der Eigentümerversammlung 2020 nicht beraten und zur Abstimmung gestellt, sondern beschlossen, ein Gesamtkonzept zum Betreiben von Ladepunkten für E-Mobilität erstellen zu lassen. Die Eigentümerversammlung 2021 lehnte das inzwischen vorliegende Gesamtkonzept ab und ebenso die von dem Eigentümer erneut beantragte Genehmigung baulicher Veränderungen gemäß dem von ihm vorgelegten Ladeinfrastrukturkonzept, das alternativ eine öffentliche oder nicht öffentliche Nutzung vorsah. Zugleich wurde anderen Wohnungseigentümern auf deren Antrag gestattet, eine Wallbox an insgesamt vier Stellplätzen anzubringen.

Darauf erhob der Eigentümer Beschlussersetzungsklage, gerichtet auf die Gestattung, auf dem Gemeinschaftseigentum neben seinem Stellplatz die zuvor entfernte Ladestation gemäß dem von ihm vorgelegten Ladeinfrastrukturkonzept errichten zu dürfen, hilfsweise, ihm die Anbringung einer Wallbox zu gestatten. Damit hatte der Eigentümer in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Landgericht: kein Anspruch auf bestimmte Ausführung einer Maßnahme

Der Eigentümer könne die Gestattung der Errichtung einer Ladestation nach dem von ihm entwickelten Ladeinfrastrukturkonzept nicht verlangen. Die Beschlussersetzungsklage diene der gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs des Wohnungseigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung. Die Klage sei daher begründet, wenn der klagende Wohnungseigentümer einen Anspruch auf den seinem Rechtsschutzziel entsprechenden Beschluss habe, weil nur eine Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche.

Zwar könne jeder Wohnungseigentümer einen Beschluss über das „Ob“ solcher baulichen Veränderungen verlangen, so das LG; dies beinhalte aber keinen Anspruch auf eine bestimmte Art und Weise der Durchführung. Darüber entscheiden die Wohnungseigentümer im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung nach eigenem Ermessen. Der einzelne Wohnungseigentümer habe mithin keinen Anspruch auf eine bestimmte Durchführung der betreffenden baulichen Veränderung, solange das Ermessen der Gemeinschaft nicht aufgrund der Einzelfallumstände auf null reduziert sei.

Quelle | LG Stuttgart, Urteil vom 5.7.2023, 10 S 39/21

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Verbraucherrecht

Impfpflicht: Vorlage eines Masernimmunitätsnachweises für schulpflichtige Kinder

| Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat in mehreren Eilverfahren die Beschwerden von Eltern schulpflichtiger Kinder gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin zurückgewiesen, wonach Gesundheitsämter für den Schulbesuch den Nachweis einer Impfung oder Immunität gegen Masern fordern dürfen, sofern keine Kontraindikation besteht. Für den Fall, dass der Nachweis nicht vorgelegt wird, kann auch ein Zwangsgeld angedroht werden. |

Infektionsschutzgesetz verfassungskonform

Zur Begründung hat das OVG u. a. ausgeführt: Die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes zur Nachweispflicht seien angesichts der hochansteckenden Viruskrankheit mit möglicherweise schwerwiegenden Komplikationen nicht offenkundig verfassungswidrig. Zwar greife die Nachweispflicht in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes ein. Die Regelung sei aber verhältnismäßig, weil sie wie das Bundesverfassungsgericht bereits zur Nachweispflicht bei noch nicht schulpflichtigen Kindern entschieden habe einen legitimen Zweck verfolge und nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehe.

Impfpflicht besteht

Der Gesetzgeber des Masernschutzgesetzes sei von einer grundsätzlich bestehenden „Impfpflicht“ bzw. „verpflichtenden Impfung“ ausgegangen. Er habe lediglich von deren Durchsetzung im Wege des unmittelbaren Zwangs abgesehen. Andere Zwangsmittel, wie Zwangsgeld und Geldbuße, seien hingegen vorgesehen, um eine tatsächliche Erhöhung der Impfquote in Schulen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen und damit letztlich in der gesamten Bevölkerung zu erreichen.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 28.2.2024, OVG 1 S 80/23 u. a., PM 9/24

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Tierüberlassungsvertrag: Tierheim darf keine Katzen sicherstellen

| Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden: Ein Tierheim besitzt keine Befugnis, vermittelte Tiere ihren Besitzern eigenmächtig wieder wegzunehmen. |

Vertraglich geregelte Anbringung eines Fliegengitters

Der Antragstellerin war vom Antragsgegner, einem Tierheim, ein Kater überlassen worden. Nach dem „Tierüberlassungsvertrag“ müsse ihre Balkontür mit einem Fliegengitter gesichert werden, zudem solle das Tier abnehmen. Nach knapp einem Jahr erkundigte sich der Antragsgegner telefonisch, ob das Tier abgenommen habe und das Fliegengitter angebracht worden sei. Die Antragstellerin verneinte die Anbringung des Fliegengitters mangels Notwendigkeit, da der Kater sehr ängstlich sei und nie auf den Balkon gehe. Ob das Tier abgenommen habe, wisse sie nicht, da sie ihn nicht gewogen habe.

Gitter nicht angebracht: Tierheimpersonal erscheint und nimmt Kater mit

Knapp 30 Minuten später erschienen zwei Personen unangemeldet bei der Antragstellerin und teilten mit, sie kämen „vom Tierheim“. Sogleich nach Betreten der Wohnung stürzte eine der beiden Personen auf den Kater, der die Flucht ergriff, denn „man nehme den Kater jetzt mit“. Trotz Widerspruchs der Antragstellerin jagten die Personen den Kater und verrückten dabei sogar Wohnungsmöbel. Der Kater wurde schließlich mit einem Fangnetz eingefangen und mit den Worten „den kriegen Sie nicht wieder“ mitgenommen.

Tierheim muss Kater wieder herausgeben

Nachdem die Antragstellerin auf Herausgabe des Tiers geklagte hatte, wurde dieses noch während des Verfahrens an sie zurückgegeben. Das AG entschied dann, dass der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens tragen müsse. Ob die Regelungen in dem „Tierüberlassungsvertrag“ wirksam waren und eventuell nicht eingehalten wurden, könne dahinstehen. Denn die eigenmächtige Wegnahme des Tieres stelle verbotene Eigenmacht dar. Mögliche Ansprüche müsse der Antragsgegner gerichtlich durchsetzen und könne sie nicht selbst vollstrecken.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle | AG Hanau, Beschluss vom 4.1.2024, 98 C 98/23, PM vom 4.3.2024

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Nötigung: Wegnehmen von Fan-Schal muss nicht immer Diebstahl sein

| Das Amtsgericht (AG) Frankfurt hatte nach der Wegnahme eines Fan-Schals keinen Diebstahl, sondern lediglich eine Nötigung angenommen. Ob ein Diebstahl vorliege, hänge davon ab, ob der Täter den Schal seinem Vermögen einverleiben wolle. |

Wegnahme nach Fußballspiel

Der angeschuldigte Eintracht-Fan soll bei einem Fußballspiel der Frankfurter Eintracht gegen den FC Schalke 04 im Deutsche Bank Park einem Fan der gegnerischen Mannschaft einen Fan-Schal abgenommen haben. Beim Verlassen des Stadions habe er dem Schalke-Anhänger den Fan-Schal im Vorbeilaufen vom Hals gezogen. Als der Schalke-Fan ihn zur Rückgabe aufforderte, habe er ihn mit beiden Händen weggeschoben.

Staatsanwaltschaft bejahte Diebstahl

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main wertete dies als Diebstahl. Da der Angeschuldigte zudem den Schalke-Fan mit Gewalt weggedrückt habe, um den erbeuteten Schal behalten zu können, erhob sie Anklage wegen räuberischen Diebstahls - einem Verbrechenstatbestand mit einer Mindeststrafe von einem Jahr.

Amtsgericht differenzierte

Das AG sah in der Handlung des Angeschuldigten jedoch keinen Diebstahl. Es fehle an der hierfür notwendigen „Zueignungsabsicht“. Diese liege nur vor, wenn der Täter sich die Sache aneignen, sie also seinem Vermögen zuführen wolle. Nehme der Täter den Schal aber lediglich an sich, um jemanden zu ärgern, fehle es an einer Zueignungsabsicht. Es handele sich dann lediglich um eine straflose „Gebrauchsanmaßung“ und sofern der Schal anschließend beschädigt würde um eine Sachbeschädigung.

Da das Gericht keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür sah, dass der Angeschuldigte den Schal behalten wollte, eröffnete es das Hauptverfahren nicht wegen räuberischen Diebstahls, sondern lediglich wegen Nötigung. Diese habe der Angeschuldigte durch das Wegdrücken des Schalke-Fans begangen.

Quelle | AG Frankfurt am Main, Beschluss vom 23.10.2023, 917 Ls 6443 Js 217242/23, PM vom 8.3.2024

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Versicherungsfall: Brand eines Oldtimers

| Mit den Besonderheiten bei der Versicherung historischer Fahrzeuge hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es entschied: Steigt der Wert eines Oldtimers nach Abschluss der Versicherung an, ist der Betrag der Wertsteigerung womöglich vom Versicherungsschutz ganz oder teilweise nicht erfasst. Der Eigentümer des Fahrzeugs muss selbst darauf achten, den versicherten Wert regelmäßig dem etwa gestiegenen Marktwert anzupassen. Eine auf vollständigen Ersatz gerichtete Klage gegen die Kfz-Versicherung hat das Gericht im zugrundeliegenden Fall wegen Unterdeckung abgewiesen. |

Das war geschehen

Ein Oldtimerfan hatte sein historisches Fahrzeug gegen Beschädigung oder Zerstörung zum jeweils aktuellen Marktwert versichert. Später kam es dazu, dass das Fahrzeug bei einem Brand in einer Tiefgarage erheblich beschädigt worden war.

Die Kfz-Versicherung kam nach eingeholtem Gutachten zu einem Wert des Fahrzeugs am Schadenstag in Höhe von knapp 41.000 Euro und zahlte dem Eigentümer den entsprechenden Geldbetrag aus. Dieser war jedoch davon überzeugt, dass sein Oldtimer deutlich mehr wert gewesen sei und ließ deshalb ein weiteres Gutachten einholen. Dieses kam tatsächlich zu dem Ergebnis, dass das historische Fahrzeug im Wert deutlich gestiegen und fast 8.000 Euro mehr wert war, als von der Versicherung angenommen. Der Mann verlangte nun die Differenz.

Sonderbedingungen des Versicherungsvertrags entscheidend

Das LG verwies, wie auch zuvor bereits die Versicherung, den Oldtimerfan auf die im Versicherungsvertrag enthaltenen Sonderbedingungen für historische Fahrzeuge. Danach werde grundsätzlich ein Schaden bis zur Höhe des aktuellen Marktwerts ersetzt. Die Höchstentschädigung sei aber durch den Marktwert begrenzt, der bei Versicherungsabschluss vereinbart wurde.

Im Fall von Wertsteigerungen könne maximal zehn Prozent mehr als der damals vereinbarte Marktwert verlangt werden. Der habe im konkreten Fall rund 36.000 Euro betragen. Dem Oldtimerbesitzer stehe deshalb keine höhere Entschädigung zu, als von der Versicherung bereits ausgezahlt.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 17.1.2024, 3 O 230/23, PM vom 28.2.2024

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Nachbarrecht: Schadenersatz bei gravierendem Baumrückschnitt eines Nachbarn ohne Einwilligung des Eigentümers

| Bei der Zerstörung eines älteren Baumes ist in der Regel keine sog. Naturalrestitution zu leisten, also nicht der Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Der Anspruch geht vielmehr auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines jungen Baumes und darüber hinaus einen Ausgleich für eine etwa verbleibende Werteinbuße des Grundstücks. Das Oberlandgericht (OLG) Frankfurt am Main hat ein den eingeklagten Schadenersatzanspruch größtenteils zurückweisendes Urteil des Landgerichts (LG) aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das LG zurückverwiesen. |

Rückschnitt ja, aber nicht so gravierend

Die Parteien sind Nachbarn. Die Klägerin ist Eigentümerin eines großen Grundstücks im Vordertaunus mit rund 70-jährigem Baumbestand. Der Baum- und Strauchbestand wird jährlich mehrfach durch ein Fachunternehmen beschnitten. An den hinteren Gartenbereich grenzt u.a. das Grundstück des Beklagten. Im Abstand von 1,60 m hierzu steht auf dem klägerischen Grundstück eine Birke, im Abstand von 3,35 m ein Kirschbaum. Beide Bäume waren zum Zeitpunkt des Erwerbs des Beklagten schon lange vorhanden. Die Klägerin war einverstanden, dass der Beklagte die auf sein Grundstück herüberhängenden Äste der Gehölze zurückschneidet.

Ende Mai 2020 betrat der Beklagte das klägerische Grundstück in ihrer Abwesenheit und führte gravierende Schnittarbeiten unter anderem an den beiden Bäumen durch. An der Birke verblieb kein einziges Blatt. Der kurz vor der Ernte befindliche Kirschbaum wurde vollständig eingekürzt. Ob sich die Bäume wieder komplett erholen oder die derzeitigen Triebe allein sog. Nottriebe sind, die an dem Absterben nichts ändern, ist zwischen den Parteien streitig.

Landgericht sprach Schadenersatz von 4.000 Euro zu

Das LG hat der auf Zahlung von Schadenersatz von knapp 35.000 Euro gerichteten Klage in Höhe von gut 4.000 Euro stattgegeben. Es führte aus, dass die Wertminderung der Bäume sowie die Kosten für die Entsorgung des Schnittguts zu ersetzen seien.

Oberlandesgericht: Sachverhalt muss aufgeklärt werden

Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LG. Der Sachverhalt sei zur Bemessung des Schadenersatzes weiter aufzuklären, begründete das OLG die Entscheidung.

Bei der Zerstörung eines Baumes sei in der Regel nicht Schadenersatz in Form von Naturalrestitution zu leisten, da die Ersatzbeschaffung in Form der Verpflanzung eines ausgewachsenen Baumes regelmäßig mit besonders hohen und damit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei. Der Schadenersatz richte sich vielmehr üblicherweise auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines neuen jungen Baumes sowie einen Ausgleichsanspruch für die verbleibende Werteinbuße des Grundstücks. Diese Werteinbuße sei zu schätzen. Nach einer möglichen Bewertungsmethode könnten dafür die für die Herstellung des geschädigten Gehölzes bis zu seiner Funktionserfüllung erforderlichen Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko berechnet und anschließend kapitalisiert werden. Dieser Wert sei um eine Alterswertminderung, Vorschäden und sonstige wertbeeinflussende Umstände zu bereinigen.

Ausnahmsweise seien die vollen Wiederbeschaffungskosten zuzuerkennen, „wenn Art, Standort und Funktion des Baumes für einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen den Ersatz durch einen gleichartigen Baum wenigstens nahelegen würden“, erläutert das OLG weiter. Aufzuklären sei deshalb bei der Bewertung des Schadenersatzes die Funktion der Bäume für das konkrete Grundstück. Zu berücksichtigen sei dabei auch der klägerische Vortrag, wonach es ihr bei der sehr aufwändigen, gleichzeitig naturnahen Gartengestaltung auch darauf angekommen sei, Lebensraum für Vögel und sonstige Tiere zu schaffen und einen Beitrag zur Umwandlung von Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff zu leisten.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 6.2.2024, 9 U 35/23, PM 12/24

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Verkehrsrecht

Kosten für Leerfahrt: Abschleppen eines Privatfahrzeugs von Carsharing-Parkplatz darf angeordnet werden

| Das Ordnungsamt darf einen privaten Pkw, der auf einem Carsharing-Parkplatz abgestellt worden ist, unabhängig davon abschleppen lassen, ob ein Carsharing-Fahrzeug an der Nutzung dieses Parkplatzes konkret gehindert worden ist. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden und die Klage der Fahrzeugführerin gegen einen Leistungs- und Gebührenbescheid abgewiesen. |

Die Klägerin hatte ihren Pkw auf einer Fläche abgestellt, die durch Verkehrsschilder als Parkplatz für Carsharing-Fahrzeuge gekennzeichnet war. Ein Mitarbeiter der städtischen Verkehrsüberwachung stellte den Verstoß fest und beauftragte einen Abschleppwagen. Kurz vor dessen Eintreffen erschien die Klägerin und entfernte ihr Fahrzeug von dem Parkplatz. Die Stadt machte ihr gegenüber mit Leistungs- und Gebührenbescheid die Kosten der Leerfahrt des Abschleppwagens geltend und setzte eine Verwaltungsgebühr fest. Zur Begründung ihrer Klage gegen diesen Bescheid trug die Klägerin vor, sie habe nur elf Minuten auf dem Carsharing-Platz geparkt und zu dieser Zeit seien noch weitere Parkplätze frei gewesen, sodass ein Abschleppen nicht notwendig gewesen sei.

Das VG: Die Beauftragung des Abschleppwagens war rechtmäßig. Ein Fahrzeug, das auf einem nach der Beschilderung ausschließlich Carsharing-Fahrzeugen vorbehaltenen Parkplatz steht, aber nicht am Carsharing teilnimmt, wird so betrachtet, als wenn es in einem absoluten Halteverbot stünde. Die Abschleppmaßnahme war verhältnismäßig, weil die Funktion der Parkplätze für Carsharing-Fahrzeuge nur gewährleistet ist, wenn sie jederzeit von nicht parkberechtigten Fahrzeugen freigehalten werden. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob die Klägerin durch das verbotswidrige Abstellen konkret ein bevorrechtigtes Carsharing-Fahrzeug am Parken gehindert hat. Das Abschleppen ist auch unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass von einem zu Unrecht auf einem Carsharing-Parkplatz abgestellten Fahrzeug eine negative Vorbildwirkung für andere Kraftfahrer ausgeht.

Quelle | VG Düsseldorf, Urteil vom 20.2.2024, 14 K 491/23, PM vom 28.2.2024

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Abschleppkosten: Versicherer-Einwand von zu großem Abschlepp-Lkw

| Die Abschleppunternehmer rechnen üblicherweise nach Einsatzstunden ab, wobei im Stundensatz die Kosten für das Fahrzeug und den Fahrer enthalten sind. Die Preis- und Strukturbefragung des Verbands Bergen und Abschleppen (VBA) differenziert dabei im unteren Segment nach Abschleppfahrzeugen unter und über zwölf Tonnen zulässigem Gesamtgewicht (zGG). Das Amtsgericht (AG) Pforzheim musste einen Fall entscheiden, bei dem der Abschleppunternehmer mit einem 13-Tonner vorgefahren kam. |

Der Versicherer trug vor, bei dem konkreten Gewicht des zu transportierenden Fahrzeugs hätte auch ein 11-Tonner genügt. Auf dieser Grundlage hatte er die Abschleppkosten nur reduziert erstattet.

Das Gericht entschied: Es möge es sein, dass ein 11-Tonner genügt hätte. Doch sei dies im Vorhinein nicht abschätzbar.

Quelle | AG Pforzheim, Urteil vom 11.1.2024, 9 C 1207/23, Abruf-Nr. 239252 unter www.iww.de

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Versicherungsschutz: Tödlicher Motorradunfall auf dem Rückweg vom Urlaub: Unfallversicherung muss Witwe Rente zahlen

| Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat sich in seiner Entscheidung mit der Frage befasst, ob der Klägerin ein Anspruch auf Sterbegeld und Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusteht, nachdem ihr Ehemann einen tödlichen Motorradunfall erlitten hatte. |

Ehemann der Klägerin bei Verkehrsunfall tödlich verletzt

Der Ehemann der Klägerin war Inhaber eines Autohauses in Berlin und als Unternehmer freiwillig bei der beklagten Berufsgenossenschaft versichert. Die Klägerin war in dem Autohaus angestellt tätig. Die gemeinsame Wohnung der Eheleute lag etwa 14 km vom Autohaus entfernt. Am 19.8.2013 reisten beide gemeinsam auf ihrem Motorrad aus einem mehrtägigen Urlaub in Thüringen die rund 400 km lange Strecke zurück nach Berlin, der Ehemann lenkte das Motorrad. Da die Tochter des Ehepaares während des Urlaubs die Geschäfte des Autohauses weitergeführt hatte und wegen eines Zahnarzttermins um 14:00 Uhr auf ihrer Arbeit abgelöst werden sollte, wollten sich die Eheleute aus Thüringen kommend direkt zum Autohaus begeben. Dort sollten von beiden die weiteren Geschäfte aufgenommen werden, ohne zuvor in die Familienwohnung zu fahren. Bereits auf dem Berliner Stadtgebiet, noch bevor sich die Wege zum Autohaus und zur Familienwohnung gabelten, kam es gegen 13:25 Uhr zu einem Verkehrsunfall, bei dem sich die Klägerin erheblich verletzte und ihr Ehemann verstarb.

Berufsgenossenschaft lehnte Sterbegeld ab

Die Berufsgenossenschaft lehnte es ab, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen (Sterbegeld und Witwenrente) zu erbringen. Ihr Ehemann habe sich bei dem Unfall nicht auf einem versicherten Arbeitsweg befunden, sondern lediglich auf einem privat veranlassten Rückweg von einer Urlaubsreise. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin und die Berufung vor dem LSG blieben zunächst ohne Erfolg. Auf die vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassene und von der Klägerin eingelegte Revision hin hat das Bundessozialgericht (BSG) das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache dorthin zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts sowie zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Landessozialgericht spricht Hinterbliebenenleistungen zu

Das LSG hat jetzt entschieden: Der Ehefrau stehen Hinterbliebenenleistungen zu. Der tödliche Motorradunfall stelle für den Ehemann als freiwillig versicherten Unternehmer einen Arbeitsunfall dar.

Zum einen sei der Ehemann versichert gewesen, weil er sich selbst zum Zeitpunkt des Unfalls auf dem direkten Weg zum Autohaus begeben wollte, um dort seiner Arbeit nachzugehen. Zum anderen habe Versicherungsschutz auch deshalb bestanden, weil die objektiven Begleitumstände und die Angaben der Ehefrau darauf schließen ließen, dass der verunglückte Ehemann seine Frau direkt zum Autohaus gefahren habe, damit diese dort die gemeinsame Tochter bei der Arbeit habe ablösen können. Damit liege ein versicherter, sogenannter „Betriebsweg“ vor, der nicht auf das Betriebsgelände beschränkt sei, aber dennoch im unmittelbaren betrieblichen Interesse liege.

Dem Versicherungsschutz stehe nicht entgegen, dass der Weg aus dem Urlaub (von einem „dritten Ort“ aus) angetreten worden sei und mithin erheblich länger gewesen sei, als es die Strecke von der Wohnung zur Arbeit gewesen wäre. Entscheidend sei, dass der zurückgelegte Weg die direkte Strecke zum Autohaus gewesen sei bzw. dass der subjektive Wille in erster Linie auf die Wiederaufnahme der Arbeit gerichtet gewesen sei. Dies hat das LSG anhand der vorliegenden Indizien des Falls bejaht. Insbesondere seien auch der Unfallzeitpunkt (13:25 Uhr) und der Zeitpunkt, zu dem die Tochter im Autohaus abgelöst werden sollte (14:00 Uhr), zeitlich stimmig.

Quelle | LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.1.2024, L 21 U 202/21, PM vom 1.2.2024

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Drogenfahrt: Anfangsverdacht für Anordnung einer Blutprobe

| Bei der Anordnung der Entnahme einer Blutprobe kann sich die Frage des sog. Richtervorbehalts stellen. Das bedeutet, dass nur ein Richter bestimmte Maßnahmen anordnen kann. Das Amtsgericht (AG) Ratzeburg hatte zu entscheiden, wann eine Blutprobe durch einen Polizeibeamten angeordnet werden kann. |

Polizist vermutete eine Drogenfahrt und ordnete Blutprobe an

In dem Fall hatte der Fahrer eines Pkw bei einer Standkontrolle auf einem BAB-Rastplatz sehr nervös gewirkt. Er konnte nicht stillstehen und hatte deutlich zitternde Hände. Ebenso führte er häufig seine Hände an verschiedene Körperstellen, einmal zum Kratzen am Hals, einmal, um in seine Hosentaschen zu greifen. Zudem war er redselig und aus Sicht des kontrollierenden Polizeibeamten unangepasst euphorisch. Aus diesen Beobachtungen leitete der den Verdacht ab, dass der Betroffene eine Drogenfahrt begangen haben könnte. Da der Pkw-Fahrer einen Urintest verweigerte, wurde eine Blutprobe angeordnet. Nach deren Ergebnis befanden sich im Blut des Betroffenen 3,9 ng/ml THC.

Verteidigung hatte keinen Erfolg

Zwar sei die Anordnung einer Blutprobe im Bußgeldverfahren eine Maßnahme, die grundsätzlich mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung anfechtbar ist. Hier habe die Blutentnahme aber nicht durch einen Richter angeordnet werden müssen.

Der Gesetzeswortlaut fordert einen „einfachen“ Verdacht, also keinen hinreichenden oder gar dringenden Tatverdacht. Ein solcher Anfangsverdacht setzt nur voraus, dass zureichende, über bloße Vermutungen hinausreichende, tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen.

Entscheidend: viele Auffälligkeiten beim Autofahrer

Das AG hat dem Verteidiger zwar zugestanden, dass die von dem Polizeibeamten geschilderten Umstände isoliert betrachtet den Verdacht einer Drogenfahrt nicht begründen könnten. Entscheidend sei indessen, dass eine Vielzahl von Besonderheiten beim Betroffenen vorgelegen haben, die eben diesen Verdacht begründeten.

Mag man durch die Situation der polizeilichen Kontrolle noch die Nervosität des Betroffenen erklären können, gilt dies nicht für das Hinzutreten zitternder Hände sowie einer in der Situation unangemessenen Euphorie. Derartige kumulative, situationsuntypische Reaktionen sind gerade durch die Einnahme von Betäubungsmittel zu erklären.

Quelle | AG Ratzeburg, Urteil vom 22.12.2023, 31a OWi 46/23 jug., Abruf-Nr. 239089 unter www.iww.de

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Abschließende Hinweise

Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 07/2024

| Im Monat Juli 2024 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer: 10.7.2024
  • Lohnsteuer: 10.7.2024

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 15.7.2024. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat Juli 2024 am 29.7.2024.

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Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2024 bis zum 30. Juni 2024 beträgt 3,62 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 8,62 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 12,62 Prozent*

* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 11,62 Prozent.

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.07.2023 bis 31.12.2023

3,12 Prozent

01.01.2023 bis 30.06.2023

1,62 Prozent

01.07.2022 bis 31.12.2022

-0,88 Prozent

01.01.2022 bis 30.06.2022

-0,88 Prozent

01.07.2021 bis 31.12.2021

-0,88 Prozent

01.01.2021 bis 30.06.2021

-0,88 Prozent

01.07.2020 bis 31.12.2020

-0,88 Prozent

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

01.01.2012 bis 30.06.2012

0,12 Prozent

01.07.2011 bis 31.12.2011

0,37 Prozent

01.01.2011 bis 30.06.2011

0,12 Prozent

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