News 04/2024



Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 04-2024:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und WEG

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Abschließende Hinweise

Zum Anfang



Arbeitsrecht

Bundesarbeitsgericht: Was taugen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die passgenau die Kündigungsfrist umfassen?

| Der Beweiswert von (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kann erschüttert sein, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun klargestellt. |

War der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert?

Der Kläger war seit März 2021 als Helfer bei der Beklagten beschäftigt. Er legte am Montag, dem 2.5.2022, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 2. bis zum 6.5.2022 vor. Anfang Mai kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.5.2022. Mit Folgebescheinigungen vom 6.5.2022 und vom 20.5.2022 wurde Arbeitsunfähigkeit bis zum 20.5.2022 und bis zum 31.5.2022 (einem Dienstag) bescheinigt. Ab dem 1.6.2022 war der Kläger wieder arbeitsfähig und nahm eine neue Beschäftigung auf. Die Beklagte verweigerte die Entgeltfortzahlung mit der Begründung, der Beweiswert der vorgelegten AU-Bescheinigungen sei erschüttert. Dem widersprach der Kläger, weil die Arbeitsunfähigkeit bereits vor dem Zugang der Kündigung bestanden habe. Die Vorinstanzen haben der auf Entgeltfortzahlung gerichteten Klage für die Zeit vom 1. bis zum 31.5.2022 stattgegeben.

Gesetzliches Beweismittel

Die Revision der Beklagten hatte teilweise bezogen auf den Zeitraum vom 7. bis zum 31.5.2022 Erfolg. Ein Arbeitnehmer kann die von ihm behauptete Arbeitsunfähigkeit mit ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachweisen. Diese sind das gesetzlich vorgesehene Beweismittel.

Arbeitgeber kann Beweiswert erschüttern

Deren Beweiswert kann der Arbeitgeber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die nach einer Gesamtbetrachtung Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers geben. Hiervon ausgehend ist das Landesarbeitsgericht (LAG) bei der Prüfung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die während einer laufenden Kündigungsfrist ausgestellt werden, zutreffend davon ausgegangen, dass für die Erschütterung des Beweiswerts dieser Bescheinigungen nicht entscheidend ist, ob es sich um eine Kündigung des Arbeitnehmers oder eine Kündigung des Arbeitgebers handelt und ob für den Beweis der Arbeitsunfähigkeit eine oder mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt werden.

Einzelfall ist zu würdigen

Stets erforderlich ist allerdings eine einzelfallbezogene Würdigung der Gesamtumstände. Hiernach hat das Berufungsgericht richtig erkannt, dass der Beweiswert für die Bescheinigung vom 2.5.2022 nicht erschüttert ist. Eine zeitliche Koinzidenz zwischen dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit und dem Zugang der Kündigung ist nicht gegeben. Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine Kenntnis von der beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses, etwa durch eine Anhörung des Betriebsrats. Weitere Umstände hat die Beklagte nicht dargelegt. Bezüglich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 6.5.2022 und vom 20.5.2022 ist der Beweiswert dagegen erschüttert. Das LAG hatte insoweit nicht ausreichend berücksichtigt, dass zwischen der in den Folgebescheinigungen festgestellten passgenauen Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit und der Kündigungsfrist eine zeitliche Koinzidenz bestand und der Kläger unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufgenommen hat. Dies hat zur Folge, dass der Kläger nun für die Zeit vom 7.5.bis zum 31.5.2022 die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für den Entgeltfortzahlungsanspruch trägt.

Da das LAG aus seiner Sicht konsequent hierzu keine Feststellungen getroffen hat, war die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückzuverweisen.

Quelle | BAG, Urteil vom 13.12.2023, 5 AZR 137/23, PM 45/23

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Altersdiskriminierung: Stellenausschreibung: „Junges dynamisches Team mit Benzin im Blut“

| Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern hat jetzt klargestellt: Beschreibt der Arbeitgeber das Arbeitsumfeld als „jung und dynamisch“, bezieht sich dies auf den Arbeitsplatz. Es wird kein Bewerber wegen seines Alters ausgeschlossen. |

Ein Tankstellenpächter suchte in einem Zeitungsinserat wie folgt nach einem neuen Mitarbeiter: „Wir sind ein junges und dynamisches Team mit Benzin im Blut und suchen Verstärkung.“ Anschließend folgten Einzelheiten zu Anforderungen und Gehalt. Die konkreten Arbeitsbedingungen wurden beschrieben. Der 50-jährige Kläger bewarb sich erfolglos. Eingestellt wurde ein 48-jähriger Mann. Der Kläger forderte eine Entschädigung. Die Stellenanzeige enthalte eine Altersdiskriminierung. Damit scheiterte er in erster und zweiter Instanz.

Das LAG stellte fest: Das Inserat formulierte keine Anforderungen, die den Kläger wegen seines Alters von einer Bewerbung hätte abhalten sollen. Hier lag vielmehr eine werbende Eigendarstellung vor. Es handele sich um eine überspitzte, ironische, nicht ernsthaft gemeinte, in der Form eines Werbeslogans gehaltene Beschreibung des Arbeitsumfeldes. Das LAG: Einzelne Begriffe, z. B. „jung“, herauszupicken und auf sich selbst zu beziehen, sei nicht zulässig, zumal die konkreten Anforderungen an die Bewerber im Inserat deutlich beschrieben wurden.

Quelle | LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 17.10.2023, 2 Sa 61/23

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Kündigung: Wenn ein Polizist Käse stiehlt …

| Stiehlt ein Polizist nach einem Verkehrsunfall Käse, ist er aus dem Dienst zu entfernen. So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Trier. |

Das war geschehen

Ein Lkw hatte einen Unfall. Der Polizeibeamte, der eine Uniform und eine Dienstwaffe trug, verlangte von der Bergungsfirma, aus der verunfallten Ladung neun unbeschädigte Packungen Käse herauszugeben. So geschah es. Diese Pakete verlud der Polizist mit einer Kollegin in einen Einsatzbus und deckte sie ab. U. a. ein knappes Viertel des Käses fand sich später in der Polizeistation des Beamten. Seine Erklärung: Der Gutachter der Versicherung habe den Käse freigegeben. Es habe sich quasi um Müll gehandelt. Was er verschwieg: Der Käse wurde später noch zum Restwert verkauft.

Verwaltungsgericht „kennt keine Gnade“

Der Polizist kam zwar vor dem Strafgericht „mit einem blauen Auge“ davon. Das VG, bei dem es um disziplinarische Maßnahmen gegen den Beamten ging, entfernte ihn aus dem Dienst. Er habe während der Dienstzeit in Uniform einen Diebstahl mit Waffen begangen. Das VG verhängte daher die Höchstmaßnahme. Das VG betonte: Einem Polizisten, der in Uniform stiehlt, könne man nicht mehr glauben, dass er sich an Recht und Gesetz hält.

Das VG bewertete es als besonders negativ, dass der Beamte das Vertrauen in die Polizei ausgenutzt hatte, indem er der Bergungsfirma falsche Tatsachen vorgespiegelt hatte. Hinzu kamen Lügen gegenüber seinen Vorgesetzten. Unerheblich sei es, falls der Käse nur als Geschenk an Kollegen dienen sollte.

Quelle | VG Trier, Urteil vom 18.1.2024, 3 K 1752/23 TR

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Kündigung: Riskant: Privates Hybridfahrzeug am Arbeitsplatz aufgeladen

| Der Kläger war seit dem 1.7.2018 als Rezeptionist in einem Beherbergungsbetrieb tätig und regelmäßig in der Spätschicht eingesetzt. Er hatte am 12.1.2022 sein Hybridauto vor der Herberge geparkt und über ein Ladekabel an einer 220 Volt Steckdose im Flur des Seminartrakts aufgeladen. Nachdem die Beklagte dies entdeckt hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis am 14.1.2022 fristlos. Hiergegen hatte der Kläger sich mit seiner Kündigungsschutzklage gewandt und in erster Instanz obsiegt. In dem vom Arbeitgeber angestrengten Berufungsverfahren haben die Parteien ihren Streit vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf nun per Vergleich beigelegt. |

Unerlaubtes Laden an sich ein Kündigungsgrund

In der mündlichen Verhandlung bestätigte das LAG, dass das unerlaubte Laden des Privatfahrzeugs auf Kosten des Arbeitgebers an sich ein Kündigungsgrund ist. Dies gilt erst recht, wenn das Laden an einer 220 Volt Steckdose und nicht an einer Wallbox oder eingerichteten Ladestation erfolgt.

Erteilte Erlaubnis war unklar

Das LAG hatte allerdings bereits Zweifel, ob von einem unerlaubten Laden auszugehen sei. Dazu hätte ggf. die Beweisaufnahme erster Instanz zur Frage der gegenüber dem Kläger erteilten Erlaubnis wiederholt werden müssen.

Hier hätte Abmahnung ausgereicht

Unabhängig davon sprach nach Ansicht des LAG mehr dafür, dass hier eine Abmahnung ausgereicht hätte. Eine Kündigung wäre wohl unverhältnismäßig gewesen.

„Schaden“ von rund 40 Cent

So lagen die Kosten für den Ladevorgang am 12.1.2022 bei lediglich 0,4076 Euro. Ein Verbot zum Laden von Elektromotoren für die Mitarbeitenden existierte nicht. Die Hausordnung, die dies vorsah, richtete sich ausdrücklich nur an Gäste. Das Laden anderer elektronischer Geräte, z. B. Handys, durch Mitarbeitende wurde geduldet. Auch wenn dies wertungsmäßig etwas anderes als das Laden eines Hybridautos ist, hätte im konkreten Fall angesichts der bislang beanstandungsfreien Beschäftigungszeit eine Abmahnung genügt.

Am Ende verglichen sich die Parteien

Auf Vorschlag des Gerichts haben sich die Parteien u.a. auf eine ordentliche Kündigung zum 28.2.2022 und eine Abfindung von 8.000 Euro brutto geeinigt.

Quelle | LAG Düsseldorf, Vergleich vom 19.12.2023, 8 Sa 244/23, PM 32/23

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Baurecht

Bauantrag: Eintrag in Baulastenverzeichnis hindert Erteilung einer Baugenehmigung

| Der Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohngebäudes an der Grundstücksgrenze fehlt es an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse, wenn eine Baulast im Baulastenverzeichnis eingetragen ist, die für den Grenzbereich die Freihaltung von jeglicher Bebauung regelt. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz. |

Baulast seit 40 Jahren eingetragen

Die Klägerin stellte einen Bauantrag zur Errichtung eines Wohngebäudes an der Grenze zum Nachbargrundstück. Im Baulastenverzeichnis ist seit mehr als 40 Jahren eine Baulast eingetragen, nach der das Baugrundstück der Klägerin in der Länge eines (seinerzeit geplanten und genehmigten) Anbaus an ein Wohngebäude auf dem Nachbargrundstück und in einer Breite von drei Metern von jeglicher Bebauung freizuhalten ist.

Unter Hinweis auf diese Baulastregelung lehnte der Beklagte, die Baugenehmigungsbehörde, den im vereinfachten Genehmigungsverfahren gestellten Bauantrag ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage, mit der sie u.a. die Erteilung der Baugenehmigung beanspruchte. Sie machte im Wesentlichen geltend, die Baulast sei hinsichtlich der Länge der freizuhaltenden Fläche unbestimmt und deshalb unwirksam. Jedenfalls sei die Baulast in dem Baulastenverzeichnis zu löschen, weil zwischenzeitlich in der Umgebung nahezu auf allen Grundstücken grenzständige Bauten entstanden seien. Das VG wies die Klage ab.

Kein Rechtsschutzbedürfnis gegeben

Es fehle der Klage an einem sog. Rechtsschutzinteresse. Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren sei der Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde gesetzlich beschränkt. So seien Vorschriften nach der Landesbauordnung grundsätzlich nicht zu prüfen. Dementsprechend blieben auch eingetragene Baulasten generell unberücksichtigt.

Baulast war unmissverständlich

Gleichwohl sei die Baubehörde im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht verpflichtet, bauordnungsrechtliche Fragen gänzlich auszublenden. So dürfe sie im vereinfachten Verfahren die Erteilung einer Baugenehmigung versagen, wenn das Bauvorhaben offensichtlich gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften verstoße und deshalb nicht verwirklicht werden könne. So sei es hier. Die in Rede stehende Baulast enthalte die unmissverständliche Aussage, dass der Grenzbereich auf dem Klägergrundstück, auf dem das geplante Wohngebäude zu stehen kommen solle, von jeglicher Bebauung freizuhalten sei. Unter verständiger objektiver Würdigung sei auch bestimmbar, in welcher Länge das Bauverbot gelte: Diese ergebe sich aus den seinerzeitigen Baugenehmigungsunterlagen zu dem Nachbaranbau. Sei eine Baulast in das Baulastenverzeichnis eingetragen, entfalte sie ihre Wirksamkeit. Sie sei anders als bei einer hier nicht gegebenen Nichtigkeit nicht ständig auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen.

Bauantragsteller muss handeln

Erst im Fall der Eintragung eines (allerdings in einem eigenem Verwaltungsverfahren nach Wegfall eines öffentlichen Interesses durch die Bauaufsichtsbehörde auszusprechenden) Verzichts auf die Baulast entfalle ihre Wirksamkeit. Es sei Sache des Bauantragstellers, ein solches Verzichtsverfahren (ggf. nach zivilrechtlicher Abklärung von Nachbarrechtspositionen) anzustoßen. Die Baugenehmigungsbehörde sei indes nicht verpflichtet, mit der Bescheidung eines Bauantrags zuzuwarten, bis der Erteilung der Baugenehmigung entgegenstehende Hindernisse ausgeräumt seien.

Quelle | VG Mainz, Urteil vom 6.12.2023, 3 K 47/23.MZ, PM 2/24

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Naturschutz: Zulässigkeit nachträglicher artenschutzrechtlicher Beschränkungen des Betriebs von Windenergieanlagen

| Die Naturschutzbehörden sind grundsätzlich befugt, gegenüber Betreibern bestandskräftig genehmigter Windenergieanlagen nachträgliche Anordnungen zur Verhinderung von Verstößen gegen das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsverbot gemäß des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) zu treffen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nach Genehmigungserteilung wesentlich geändert hat. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |

Zeitweise Abschaltung der Anlage

Die Klägerin wendet sich gegen nachträgliche zeitliche Beschränkungen des Betriebs ihrer bestandskräftig genehmigten Windenergieanlagen, die die Beklagte gestützt aus Gründen des Fledermausschutzes angeordnet hat. Die im Jahr 2006 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung enthält keine Betriebsbeschränkungen zum Schutz von Fledermäusen. Nachdem später Totfunde verschiedener Fledermausarten im Bereich der Anlagen gemeldet und Bestandserfassungen zu Fledermäusen angestellt worden waren, verfügte die Beklagte unter näheren Maßgaben zu meteorologischen Rahmenbedingungen eine nächtliche Abschaltung der Anlagen vom 15. April bis zum 31. August eines Jahres. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen.

Wenn sich die Sach- oder Rechtslage ändert, sind nachträgliche Anordnungen möglich

Das BVerwG hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Eine bestandskräftige immissionsschutzrechtliche Genehmigung steht nachträglichen artenschutzrechtlichen Anordnungen auf der gesetzlichen Grundlage (hier: § 3 Abs. 2 BNatSchG) nicht generell entgegen. Das BNatSchG (§ 44 Abs. 1 Nr. 1) begründet eine unmittelbare und dauerhafte Verhaltenspflicht, die auch bei Errichtung und Betrieb immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Windenergieanlagen zu beachten ist.

Zwar ist aufgrund der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Anlagenbetrieb auch als rechtmäßig anzusehen. Das gilt aber nur in den Grenzen der auf den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung bezogenen Feststellungswirkung der Genehmigung, wonach die genehmigte Anlage mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist. Aufgrund der Anknüpfung an den Genehmigungszeitpunkt erstreckt sich diese Feststellungswirkung nicht auf nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage, wie im vorliegenden Fall. Die streitige Anordnung bewirkt auch keine der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbehörde vorbehaltene (Teil-)Aufhebung der Genehmigung.

Es war rechtlich auch einwandfrei, so das BVerwG, dass das OVG hier einen Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bejaht hat, weil durch den Betrieb der Windenergieanlagen das Tötungs- und Verletzungsrisiko von Exemplaren der besonders geschützten Fledermausarten signifikant erhöht sei.

Quelle | BVerwG, Urteil vom 19.12.2023, 7 C 4.22, PM 95/23

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Familien- und Erbrecht

Bestattung: Testamentsvollstrecker begeht mit Grabbeigabe keine grobe Pflichtverletzung

| Eine Grabbeigabe (Goldkette und Eheringe) durch den Testamentsvollstrecker ist auch bei einer Auswirkung auf ein Vermächtnis nicht grob pflichtwidrig. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |

Testamentsvollstrecker kam Wunsch der Erblasserin nach

Die Erblasserin errichtete mit ihrem verstorbenen Ehemann ein gemeinschaftliches Testament. Sie setzten unter anderem ihre gemeinsamen Kinder, die Beteiligten zu 1) bis 3), als Erben zu gleichen Teilen ein und vermachten der Beteiligten zu 3) vorab den Schmuck der Erblasserin. Später ordnete die Erblasserin in einer notariellen Ergänzung Testamentsvollstreckung an und bestimmte den Beteiligten zu 2) zum Testamentsvollstrecker.

Der Beteiligte zu 2) legte der Erblasserin seiner Behauptung zufolge auf deren Wunsch die Eheringe der Erblasserin und ihres Ehemannes an einer Goldkette mit ins Grab, obwohl sich die Beteiligten zu 1) und zu 3) mit der Grabbeigabe der Goldkette zuvor nicht einverstanden erklärt hatten. Dies veranlasste den Beteiligten zu 1), die Entlassung des Beteiligten zu 2) aus dem Amt des Testamentsvollstreckers zu beantragen. Das Nachlassgericht hat den Antrag nach Vernehmung verschiedener Zeugen zurückgewiesen.

So sah es das Oberlandesgericht

Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Ein Testamentsvollstrecker begeht keine grobe Pflichtverletzung, sofern er die Eheringe und eine Kette der Erblasserin auf deren Wunsch ihr mit ins Grab legt, auch wenn er dadurch einem angeordneten Vermächtnis teilweise nicht nachkommen kann. Das OLG hat die Beschwerde einer Tochter der Erblasserin zurückgewiesen.

Zu Recht habe das Amtsgericht (AG) eine als grob zu wertende Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers verneint. Es fehle bereits an dem Nachweis einer Pflichtverletzung. Der Beteiligte zu 1) habe nicht nachweisen können, dass die Grabbeilage nicht auf Wunsch der Erblasserin erfolgt sei. Die Erblasserin sei nicht gehindert gewesen, noch zu ihren Lebzeiten einer Vertrauensperson den rechtsverbindlichen Auftrag zu erteilen, die Goldkette nebst den Eheringen nach ihrem Tod als Grabbeigabe zu verwenden. Dieser insoweit als gegeben zu unterstellende geäußerte Wunsch der Erblasserin sei als wirksamer Auftrag zu deren Lebzeiten an den Beteiligten zu 2) zu verstehen. Diesen Auftrag hätten allenfalls alle drei Erben widerrufen können. Dies sei nicht geschehen.

Es lag eine Pflichtenkollision vor

Die aus dem Vermächtnis einerseits und dem Auftrag der Erblasserin andererseits resultierende Pflichtenkollision habe der Testamentsvollstrecker zugunsten einer Grabbeigabe entscheiden können, ohne dass dies als objektiv pflichtwidriger Verstoß gegen die Pflichten als Testamentsvollstrecker zu werten ist. Darüber hinaus sei selbst eine unterstellte Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers nicht schwerwiegend.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.12.2023, 21 W 120/23, PM 77/23

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Bundesgerichtshof: Was ist der „gewöhnliche Aufenthalt“ bei der Bestimmung des auf Ehescheidungen anwendbaren Rechts?

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eine Frage zur Auslegung des Begriffs des „gewöhnlichen Aufenthalts“ vorgelegt. Dieser Begriff spielt für viele Scheidungen mit Auslandsbezug eine wichtige Rolle. |

Das war geschehen

Die Beteiligten sind deutsche Staatsangehörige und schlossen im Jahr 1989 die Ehe. Sie lebten zunächst in einer Wohnung in Berlin, die sie im Jahr 2006 gemietet hatten. Im Juni 2017 zogen sie mit nahezu ihrem gesamten Hausstand nach Schweden, wo der Ehemann beschäftigt war. Ihren inländischen Wohnsitz meldeten die Beteiligten im Juni 2017 ab. Ihre Mietwohnung in Berlin behielten sie aber bei, um nach der Auslandstätigkeit des Ehemanns wieder dorthin zurückkehren zu können. Als der Ehemann nach Moskau versetzt wurde, zogen die Beteiligten im September 2019 mit ihrem Hausstand von Stockholm nach Moskau in eine Wohnung auf dem Botschaftsgelände, also einem Wohngebiet für Ausländer. Die Beteiligten besitzen beide einen Diplomatenpass.

Im Januar 2020 reiste die Ehefrau nach Berlin, um sich dort einer Operation zu unterziehen. Im Februar 2021 kehrte sie nach Moskau zurück und wohnte in der Wohnung auf dem Botschaftsgelände. Nach Angaben des Ehemanns teilten die Beteiligten ihren beiden (bereits volljährigen) Kindern im März 2021 mit, dass sie sich scheiden lassen wollten. Die Ehefrau reiste Ende Mai 2021 ab und lebt seither in der Berliner Mietwohnung der Beteiligten. Der Ehemann lebt weiterhin in der Wohnung auf dem Botschaftsgelände.

Im Juli 2021 hat der Ehemann beim Amtsgericht (AG) einen Scheidungsantrag gestellt, dem die Ehefrau seinerzeit mit der Begründung entgegengetreten ist, dass eine Trennung der Ehegatten frühestens im Mai 2021 erfolgt sei.

So sahen es die Vorinstanzen

Das AG hat den Scheidungsantrag zurückgewiesen, weil das (nach deutschem Recht erforderliche) Trennungsjahr noch nicht abgelaufen sei und Gründe für eine Härtefallscheidung nicht vorlägen. Auf die Beschwerde des Ehemanns hat das Kammergericht (KG) Berlin die Ehe der Beteiligten nach russischem Sachrecht geschieden. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich das auf die Ehescheidung anzuwendende Recht gemäß EU-Verordnung, der sog. Art. 8 Rom III-VO, richte, weil eine Rechtswahl gemäß dieser Verordnung nicht erfolgt sei. Vorliegend sei also das russische Sachrecht anzuwenden, weil nach dem Vortrag der Beteiligten davon auszugehen sei, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Ehemanns in Moskau sei, während der dortige gewöhnliche Aufenthalt der Ehefrau erst mit ihrer Abreise nach Deutschland im Mai 2021 geendet habe, also weniger als ein Jahr vor Anrufung des AG. Ein Versorgungsausgleich sei in Ermangelung eines entsprechenden Antrags im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht durchzuführen.

Hiergegen richtete sich die Rechtsbeschwerde der Ehefrau, die eine Scheidung nach deutschem Sachrecht und zusammen mit dem Scheidungsausspruch eine von Amts wegen im Scheidungsverbund zu treffende Entscheidung über den Versorgungsausgleich erstrebte.

Bundesgerichtshof legt dem Europäischen Gerichtshof Grundsatzfragen vor

Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: „Nach welchen Kriterien ist der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten i. S. v. Art. 8 Buchst. a und b Rom III-VO zu bestimmen, insbesondere beeinflusst die Entsendung als Diplomat die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts im Empfangsstaat oder steht sie einer solchen sogar entgegen? Der BGH fragte weiter: „Muss die physische Präsenz der Ehegatten in einem Staat von gewisser Dauer gewesen sein, bevor davon ausgegangen werden kann, dass dort ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet wurde?“ Und: „Setzt die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ein gewisses Maß an sozialer und familiärer Integration in dem betreffenden Staat voraus?“

Beachten Sie | Die Antwort des EuGH darf mit Spannung erwartet werden, weil sie in ähnlichen Konstellationen oft zum Tragen kommen wird.

Quelle | BGH, Beschluss vom 20.12.2023, XII ZB 17/23, PM 16/24

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Verwaltungsrecht: Abgeschlossener Eintrag im Familienbuch kann berichtigt werden

| Die Berichtigung eines abgeschlossenen Eintrags in das Familienbuch setzt nach dem Personenstandsgesetz (hier: § 48 PStG) voraus, dass der Eintrag inhaltlich falsch ist. Zudem muss das Gericht von der Richtigkeit der Änderung überzeugt sein. An den hierfür erforderlichen Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen, stellte nun das Oberlandesgericht (OLG) Celle klar. |

Antragstellerin aus Indien

Die Personenstandsdaten der aus Indien stammenden Antragstellerin sollten im Familienbuch berichtigt werden. Sie hatte anlässlich ihrer ersten Eheschließung u. a. als Geburtsjahr 1973 angegeben und dies durch Dokumente belegt sowie die Richtigkeit dieser Angaben eidesstattlich versichert. Später wollte sie erfolglos u. a. das Geburtsjahr auf 1990 ändern lassen und legte Dokumente aus Indien vor.

Ist der Geburtseintrag richtig oder nicht?

Das Verfahren (nach § 48 PStG) unterliegt dem sog. Amtsermittlungsgrundsatz. Die objektive Feststellungslast für die Unrichtigkeit trägt der Antragsteller. Eine Berichtigung unterbleibt, wenn sich nicht feststellen lässt, dass der Eintrag unrichtig und die Änderung richtig ist. Eine eidesstattliche Versicherung oder eine beeidete bzw. notariell beurkundete Erklärung kann über die (in § 9 Abs. 1 PStG genannten) Urkunden hinaus bedeutsam sein.

Ernsthafte Zweifel können eine Berichtigung gleichwohl ausschließen. Im Fall der Berichtigung eines Registereintrags ist auch die gesetzliche Beweiskraft (nach § 54 Abs. 1 PStG) zu beachten. Daher sind bei der Berichtigung an die Richtigkeit der geänderten Eintragung höhere Anforderungen bei der Überzeugungsbildung zu stellen.

Oberlandesgericht konnte nicht überzeugt werden

Im Fall des OLG konnte dieses nicht die erforderliche volle Überzeugungskraft bilden, dass das „neue“ Geburtsjahr der Antragstellerin das „richtige“ war.

Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 22.12.2022, 21 W 1/21, Abruf-Nr. 234005 unter www.iww.de

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Mietrecht und WEG

Mieterrechte: Untervermietung bei einer Einzimmerwohnung

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Frage entschieden, ob ein Anspruch des Mieters auf Gestattung der Gebrauchsüberlassung an einen Dritten (Untervermietung) auch im Fall einer Einzimmerwohnung gegeben sein kann. Er hat den Anspruch des Mieters bestätigt. |

Das war geschehen

Der Mieter einer in Berlin gelegenen Einzimmerwohnung bat mit Schreiben von März 2021 seinen Vermieter wegen eines beruflichen Auslandsaufenthalts um die Gestattung der Untervermietung an eine namentlich benannte Person vom 15.6.2021 bis zum 30.11.2022. Die Vermieter lehnten dies ab.

Mit der im Mai 2021 erhobenen, auf die Erlaubnis der Untervermietung „eines Teils der Wohnung“ an den bezeichneten Untermieter gerichteten Klage hat der Mieter vorgetragen, er wolle für die Dauer seiner berufsbedingten Abwesenheit einen Teil der Wohnung an die benannte Person untervermieten, jedoch persönliche Gegenstände weiter in der Wohnung lagern. Während seines Auslandaufenthalts lagere er seine in der (untervermieteten) Wohnung verbliebenen persönlichen Gegenstände dort in einem Schrank und einer Kommode sowie in einem am Ende des Flurs gelegenen, durch einen Vorhang abgetrennten, nur von ihm zu nutzenden Bereich von der Größe eines Quadratmeters. Ferner blieb er im Besitz eines Wohnungsschlüssels.

Die Klage hatte beim Amtsgericht (AG) keinen Erfolg. Auf die Berufung des Mieters hat das Landgericht (LG) die Vermieter antragsgemäß verurteilt, die Untervermietung „eines Teils der Wohnung“ an die vom Mieter benannte Person zu gestatten. Mit der Revision begehren die Vermieter die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

So entschied der Bundesgerichtshof

Die Revision der Vermieter hatte keinen Erfolg. Der BGH hat entschieden, dass dem Mieter ein Anspruch auf Gestattung der befristeten, teilweisen Gebrauchsüberlassung an den von ihm benannten Dritten zusteht.

Wie der Senat in der Vergangenheit bereits (zu Wohnungen mit mehreren Zimmern) entschieden hat, stellt das Bürgerliche Gesetzbuch (hier: § 553 Abs. 1 BGB) weder quantitative Vorgaben hinsichtlich des beim Mieter verbleibenden Anteils des Wohnraums noch qualitative Anforderungen bezüglich dessen weiterer Nutzung durch den Mieter auf. Von einer Überlassung eines Teils des Wohnraums an einen Dritten im Sinne des § 553 Abs. 1 BGB ist daher regelmäßig bereits auszugehen, wenn der Mieter den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgibt.

Danach kann ein Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Gestattung der Gebrauchsüberlassung an einen Dritten auch bei einer Einzimmerwohnung gegeben sein. Ein Ausschluss von Einzimmerwohnungen aus dem Anwendungsbereich des § 553 Abs. 1 BGB ergibt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut, der Gesetzesgeschichte noch aus dem mieterschützenden Zweck der Vorschrift. Letzterer liefe für Mieter einer Einzimmerwohnung andernfalls gänzlich leer. Sachgerechte Gründe dafür, solche Mieter insoweit als weniger schutzwürdig anzusehen als Mieter einer Mehrzimmerwohnung, erschließen sich indes nicht, denn auch dem Mieter einer Einzimmerwohnung kann es, namentlich bei wie hier befristeter Abwesenheit, darum gehen, sich den Wohnraum zu erhalten.

Die Beurteilung des LG, dass der Mieter dem Untermieter die Einzimmerwohnung nur teilweise überlassen wollte, ist laut BGH nicht zu beanstanden. Der Mieter hat seinen Gewahrsam an der Wohnung nicht vollständig aufgegeben. Denn er hat persönliche Gegenstände in der Wohnung in Bereichen zurückgelassen, die seiner alleinigen Nutzung vorbehalten waren, und sich den Zugriff hierauf zudem durch Zurückbehaltung eines Wohnungsschlüssels gesichert. Hinzu tritt der Wille des Mieters, die Wohnung nur für die Zeit seines Auslandsaufenthalts teilweise einem Dritten zu überlassen.

Quelle | BGH, Urteil vom 13.9.2023, VIII ZR 109/22, PM 158/2023 vom 14.9.2023

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WEG-Verkehrssicherungspflicht: Freie Fahrt in der Tiefgarage nur bei „Grün“

| Im Streit um Schadenersatz aufgrund eines Vorfalls in einer Tiefgarage einer Wohnanlage wies das Amtsgericht (AG) München die Klage einer Frau auf Zahlung von rd. 9.000 Euro ab. |

Die Frau ist Eigentümerin einer Wohnung der beklagten Eigentümergemeinschaft und besitzt dort auch einen Tiefgaragenstellplatz. Mit der Klage machte sie geltend, ihr Porsche Coupé 911 sei bei der ordnungsgemäßen Ausfahrt aus der Tiefgarage beschädigt worden. Die Frau behauptete, sie habe zunächst von innen das Tor mit ihrem Sensorschlüssel geöffnet. Als die zum Tor gehörende Ampel auf „Grün“ gewechselt sei, sei sie die Ausfahrtsrampe hinaufgefahren. Als sie sich im Bereich des Rolltors befand, sei dieses völlig unerwartet auf dem Dach ihres Fahrzeugs aufgeschlagen. Sie sei nach dem Aufprall mit ihrem Fahrzeug schockiert stehengeblieben und ausgestiegen. Das Rolltor habe das Dach des Porsches mittig getroffen und deutlich beschädigt.

Die Frau war der Ansicht, die Eigentümergemeinschaft habe ihre Verkehrssicherungspflichten nicht erfüllt. Sie sei beweispflichtig und müsse sich entlasten.

Die Eigentümergemeinschaft bestritt den streitgegenständlichen Vorfall einschließlich der daraus geltend gemachten Schäden mit Nichtwissen. Weiter trug sie vor, das Tor habe zum Zeitpunkt des behaupteten Unfallgeschehens den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprochen und fehlerfrei funktioniert.

Das AG wies die Klage ab. Es spreche kein sog. Beweis des ersten Anscheins für eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch die Eigentümergemeinschaft, denn es liege keineswegs auf der Hand, dass das schädigende Ereignis nur auf einem Versagen von Haltevorrichtung und/oder Sicherheitssystemen des Ausfahrtstores beruhen kann. Rein hypothetisch könne der Vorfall durch ein Versagen der Halte- und/oder Sicherungssysteme des Tores ausgelöst worden sein. Ebenso könne es zu dem schädigenden Ereignis gekommen sein, weil die Frau die Auffahrtsrampe erst bei sich schließendem Tor befahren hat. Sie müsse beweisen, dass sie bei auf „Grün“ stehender Lichtzeichenanlage ihre Fahrt die Auffahrtsrampe hinauf angetreten hat und das Rolltor ohne Verzögerung passiert hat bzw. passieren wollte. Diesen Beweis habe sie nicht erbracht.

Das Gericht musste nicht abschließend die Frage klären, ob die Frau bei „Grün“ oder bei „Rot“ die Ausfahrt hinauffuhr. Eine Klageabweisung erfolgt bereits, wenn sie den Nachweis nicht erbringt, dass sie ordnungsgemäß bei „Grün“ gefahren ist. Dies sei hier der Fall gewesen. Falls die Klägerin die Rampe bei „Rot“ angefahren hat und das Tor passieren wollte, müsse die Eigentümergemeinschaft im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflichten keine Sicherungssysteme bereithalten.

Quelle | AG, Urteil vom 28.4.2023, 1290 C 17690/22 WEG

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Verbraucherrecht

Versicherungsrecht: Haftpflichtversicherung: Leistungsausschluss bei vorsätzlicher Handlung

| Ein Versicherungsnehmer, der nach einer verbalen Auseinandersetzung im Straßenverkehr einem anderen, für ihn erkennbar schwerbeschädigten Verkehrsteilnehmer in den Rücken schlägt und diesen dadurch zu Fall bringt, nimmt regelmäßig dessen schwere Gesundheitsbeschädigung in Kauf. Als Folge kann sich sein Haftpflichtversicherer auf einen Leistungsausschluss berufen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden entschieden. |

Auseinandersetzung im Straßenverkehr

Auseinandersetzungen im Straßenverkehr enden immer häufiger damit, dass ein oder mehrere Beteiligte verletzt werden. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung regelt das nicht unbedingt die Haftpflichtversicherung.

Versicherung darf Leistung verweigern

Der Versicherer ist nämlich nach dem Versicherungsvertragsgesetz (hier: § 103 VVG) nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat.

Einzelfall entscheidend

Ob die Versicherung tatsächlich leistungsfrei ist, entscheidet sich anhand des jeweiligen Einzelfalls. Dazu muss vorgetragen werden, wie sich der Vorfall ereignete und was genau Auslöser der schadenstiftenden Handlung war. Es ist nämlich ein Unterschied, ob es sich um eine Angriffs- oder Verteidigungshandlung handelte.

Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 29.6.2023, 4 U 2626/22, Abruf-Nr. 239000 unter www.iww.de

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Persönlichkeitsrechtsverletzung: Streit um Kamera auf dem Nachbargrundstück

| In einem Nachbarschaftsstreit sah das Amtsgericht (AG) München in dem Aufstellen einer Kamera auf dem Nachbargrundstück eine Persönlichkeitsrechtsverletzung und untersagte dies der Antragsgegnerin. |

Überwachungs- oder Wildkamera?

Die Parteien sind unmittelbare Nachbarn in München und stritten über eine im April 2022 auf der Terrasse der Antragsgegnerin aufgestellte Wildüberwachungskamera, die von der Terrasse der Antragstellerin aus sichtbar war. Die Antragstellerin wehrte sich hiergegen unter Verweis auf ihre Persönlichkeitsrechte und forderte die Antragsgegnerin im Juli 2022 u. a. auf, die Videoüberwachung zu beenden und künftig zu unterlassen. Die Antragsgegnerin verweigerte dies mit der Begründung, dass es sich nicht um eine Videoüberwachung, sondern um eine sogenannte Wild-Kamera handeln würde. Es ginge ausschließlich um die Kontrolle des eigenen Gartens.

Kamera musste entfernt werden

Zunächst erließ das AG im einstweiligen Rechtsschutz auf Antrag der Antragstellerin eine einstweilige Verfügung. Danach wurde es dieser untersagt, auf ihrem Grundstück eine Überwachungskamera aufzustellen, die die Terrasse oder den Garten der Antragstellerin erfasst oder erfassen kann oder den Eindruck hiervon erweckt. Anschließend entfernte die Antragsgegnerin die Kamera.

Einstweilige Verfügung war rechtens

Auf Antrag der Antragstellerin bestätigte das AG dann mit einem Urteil die einstweilige Verfügung. Die vormals aufgestellte Kamera habe die Antragstellerin in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Kamera tatsächlich ausschließlich den Bereich der Antragsgegnerin erfasst hat oder nicht. Denn es komme insoweit auf die Umstände des Einzelfalls an. Die Befürchtung, durch vorhandene Überwachungsgeräte überwacht zu werden, sei gerechtfertigt, wenn sie aufgrund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint, etwa im Hinblick auf einen eskalierenden Nachbarstreit oder aufgrund objektiv Verdacht erregender Umstände. Lägen solche Umstände vor, könne das Persönlichkeitsrecht des (vermeintlich) Überwachten schon wegen der Verdachtssituation beeinträchtigt sein. Allein die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung durch Videokameras und ähnliche Überwachungsgeräte beeinträchtige hingegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen nicht, die dadurch betroffen sein könnten.

Hypothetische Möglichkeit der Überwachung ausreichend für Beseitigungsanspruch

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs habe die Antragstellerin einen Anspruch auf Beseitigung der Kamera und entsprechende Unterlassung der etwaigen weiteren Installation einer vergleichbaren Kamera. Nach Ansicht der Lichtbilder sei das Gericht der Überzeugung, dass die Antragstellerin zu der Ansicht gelangen konnte, dass ihr Grundstück von der Kamera erfasst werde. Es handelte sich nicht mehr um die rein hypothetische Möglichkeit der Überwachung.

Der Sachverhalt habe sich zwar mittlerweile maßgeblich verändert, da die Kamera entfernt worden sei. Weiterhin habe die Antragsgegnerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass sie nicht die Absicht habe, eine weitere Kamera aufzustellen. Dieser Umstand allein kann aber nicht ausreichen, eine Wiederholungsgefahr aufzuheben.

Quelle | AG München, Urteil vom 1.2.2023, 171 C 11188/22, PM 43/23

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Kindergeldanspruch: Kein Kindergeld für sich selbst bei telefonischem Kontakt zur Mutter im Ausland

| Kindergeld für sich selbst können Kinder nur erhalten, wenn sie Vollwaise sind oder den Aufenthalt der Eltern nicht kennen. Kein Kindergeld beanspruchen kann ein Kind, wenn es gelegentlich mit seiner Mutter im Ausland telefonieren und sich dabei nach ihrem Aufenthaltsort erkundigen kann. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) jetzt entschieden. |

Regelmäßige Telefonate

Der Kläger hatte Kindergeld für sich selbst beansprucht mit der Begründung, er kenne den Aufenthalt seiner Mutter nicht. Diese hatte sich Ende 2017 auf die Flucht begeben und zunächst jeweils nur für kurze Dauer an verschiedenen Orten in Syrien gelebt, zuletzt in der Nähe von Damaskus. Allerdings hatte der Kläger in seinem Kindergeldantrag angegeben, zwei- bis dreimal monatlich mit ihr zu telefonieren. Dadurch hatte er zumindest die zumutbare Möglichkeit, sich nach dem aktuellen Aufenthaltsort seiner Mutter zu erkundigen.

Voraussetzungen der Aufenthaltskenntnis

Ein Kind kennt den Aufenthalt seiner Eltern, wenn es weiß, an welchem für ihn bestimmbaren Ort sich seine Eltern oder zumindest ein Elternteil aufhalten. Auf die Kenntnis einer postalischen Adresse oder eines „verstetigten“ Aufenthalts kommt es dagegen nicht an, weil sich seit Einführung des Kindergelds für „alleinstehende Kinder“ im Jahr 1986 die Kommunikationsmöglichkeiten und -gewohnheiten durch Internet und Mobilfunk grundlegend verändert haben. Für die erforderliche Aufenthaltskenntnis genügt es zudem, wenn aus Sicht des Kindes die zumutbare Möglichkeit besteht, innerhalb eines angemessenen Zeitraums Kontakt mit seinen Eltern aufzunehmen. Die Kenntnis fehlt erst, wenn Dauer und Ausmaß der Unkenntnis über den Verbleib der Eltern den endgültigen Verlust der Eltern-Kind-Beziehung wie bei einer Vollwaise befürchten lassen.

Quelle | BSG, Urteil vom 14.12.2023, B 10 KG 1/22 R, PM 46/23

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Grundrechtsverletzung: Durchsuchung bei einem Lehrer zur Ermittlung seiner Einkommensverhältnisse in einem Strafverfahren

| Das Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat der Verfassungsbeschwerde eines verbeamteten Lehrers stattgegeben, die sich gegen eine Durchsuchungsanordnung richtete. |

Das war geschehen

Gegen den Lehrer wurde wegen des Verdachts der Beleidigung von zwei Polizeibeamten ermittelt. Um Informationen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erlangen, ordnete das Amtsgericht (AG) an, seine Wohnung zu durchsuchen. Der Lehrer gewährte den die Durchsuchungsanordnung vollziehenden Beamten Eintritt in seine Wohnung und übergab ihnen verschiedene Unterlagen. Das Strafverfahren endete mit einer Einstellung gegen Zahlung einer Geldauflage.

Verletzung von Grundrechten

Die Anordnung der Durchsuchung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach dem Grundgesetz (Art. 13 Abs. 1 GG). Sie war unverhältnismäßig. Angesichts grundrechtsschonender, alternativer Ermittlungshandlungen stand eine Durchsuchung außer Verhältnis zur Schwere der verfolgten Straftat.

Zwar war die Durchsuchung nicht bereits deshalb unzulässig, weil lediglich die Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers ermittelt werden sollten. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft müssen sich nämlich auch auf Umstände beziehen, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. Dazu zählen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines Beschuldigten zwecks Bestimmung der Tagessatzhöhe.

Lehrer hätte zuerst befragt werden müssen

Naheliegend und grundrechtsschonend wäre es gewesen, zunächst den Beschwerdeführer über seinen Verteidiger zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu befragen. Eine solche Nachfrage hätte im Streitfall mit realistischer Wahrscheinlichkeit dazu geführt, ausreichende Informationen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu erlangen. Auch die Gefahr eines Beweismittelverlustes bestand nicht.

Anfrage an Besoldungsstelle als Alternative

Als naheliegende und grundrechtsschonende Alternative zu einer Wohnungsdurchsuchung wäre aber auch eine Anfrage bei der Besoldungsstelle des Beschwerdeführers nach dem von dort bezogenen Einkommen in Betracht gekommen. Durch eine solche Anfrage sind zwar nicht zwingend Informationen zu allen Einkünften zu erlangen. Das Strafgesetzbuch (hier: § 40 Abs. 3 StGB) erfordert aber zumal in Fällen der kleineren Kriminalität auch nicht die Ausschöpfung aller Beweismittel, wenn ansonsten die fachrechtlichen Voraussetzungen für eine Schätzung der Einkünfte vorliegen. Durchsuchungen zur Ermittlung der für die Bestimmung der Tagessatzhöhe entscheidenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines Beschuldigten sind daher grundsätzlich nur verhältnismäßig, wenn anhand der übrigen zur Verfügung stehenden Beweismittel keine Schätzung möglich ist.

Weitere alternative Anfragen möglich

Hätten sich Staatsanwaltschaft und AG mit den durch die genannten Maßnahmen zu erlangenden Informationen zum Einkommen des Beschwerdeführers nicht begnügen wollen, wären darüber hinaus eine Abfrage bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und anschließende Bankanfragen in Betracht gekommen. Auch insoweit handelt es sich im Vergleich zur angeordneten Durchsuchung um eine meist weniger grundrechtsintensive Maßnahme.

Quelle | BVerfG, Beschluss vom 15.11.2023, 1 BvR 52/23, PM 115/23

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Fluggastrechte: Muss der Reisende trotz vorheriger Beförderungsverweigerung erscheinen?

| Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das einen Fluggast im Voraus darüber unterrichtet hat, dass es ihm gegen seinen Willen die Beförderung auf einem Flug verweigern werde, für den er über eine bestätigte Buchung verfügt, muss diesem einen Ausgleich zahlen. Das gilt, selbst, wenn er sich nicht unter den in der Fluggastrechteverordnung (hier: Art. 3 Abs. 2 FluggastrechteVO) genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden hat. So sieht es der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). |

Fluggast ohne Information umgebucht

Der EuGH zeigt sich damit wieder einmal verbraucherfreundlich. Im konkreten Fall hatte die Fluggesellschaft einen Fluggast umgebucht, ihn aber nicht darüber informiert. Auf seine Rückfrage wurde ihm zugleich mitgeteilt, dass er für den gebuchten Rückflug gesperrt sei, weil er zum umgebuchten Flug nicht erschienen sei. Es sei nicht mehr möglich, den Rückflug anzutreten.

Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung

Der EuGH hat darüber hinaus entschieden, dass dem Fluggast zwar bei Annullierung eines Flugs u. U. kein Ausgleichsanspruch zusteht. Dies gelte aber nicht, wenn ein Fluggast wie im Fall des EuGH für den Rückflug mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit darüber unterrichtet wurde, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen ihn gegen seinen Willen nicht befördern werde. Ihm steht dann ein Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung i. S. d. Art. 4 der FluggastrechteVO zu.

Quelle | EuGH, Urteil vom 26.10.2023, C-238/22, Abruf-Nr. 238300 unter www.iww.de

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Verkehrsrecht

Sorgfaltspflicht: Haftung bei Anfahren vom Straßenrand

| Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden: Bei einem Unfall, der in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Einfahren von einer Parkbucht in den Straßenverkehr stattfindet, gilt das einfahrende Fahrzeug als Verursacher, wenn eine weitere Aufklärung nicht möglich ist. |

Der Fahrer eines zuvor in einer Parkbucht am Straßenrand stehenden Fahrzeugs ist mit diesem in den Straßenverkehr eingefahren. Hierauf kam es zu einer Kollision mit einem dort in gleicher Richtung fahrenden Wagen. Über den Unfallhergang machten die Beteiligten jeweils unterschiedliche Angaben.

Das AG hat entschieden, dass der Verkehrsunfall vollständig von dem einfahrenden Fahrzeug verursacht wurde. Zwar ließ sich das Geschehen überwiegend nicht mehr aufklären, allerdings habe derjenige, der vom Straßenrand in den Verkehr einfährt, nach der Straßenverkehrsordnung besonders darauf zu achten, dass er andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet.

Aufgrund der zeitlichen und örtlichen Nähe des Unfallgeschehens zu dem Einfahren des parkenden Fahrzeugs in den Straßenverkehr bestehe daher der Anschein, dass dessen Fahrer nicht ausreichend auf den Verkehr geachtet und somit den Unfall herbeigeführt habe. Dafür spreche zudem, dass seine Version des Unfallgeschehens, er sei bereits einige Zeit auf der Straße gefahren, mit dem Schadensbild nicht in Einklang zu bringen sei. Zudem habe der Fahrer selbst erklärt, das andere Fahrzeug erst durch den Anstoß bemerkt zu haben, was darauf hinweise, dass er das Verkehrsgeschehen beim Losfahren von dem Parkplatz nicht ausreichend beobachtet habe.

Quelle | AG Hanau, Urteil vom 5.6.2023, 39 C 329/21 (19)

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Anscheinsbeweis: „Abgewürgter“ Fahrschulwagen: Wer haftet bei einem Auffahrunfall?

| Auch wenn der Fahrschüler den Fahrschulwagen „abwürgt“: Wer auffährt, haftet. Das meint jedenfalls das Amtsgericht (AG) Sigmaringen. |

Haftungsgrundsätze auch bei Fahrschulwagen gültig

Der Fehler des Fahrschülers ändert nichts am Anscheinsbeweis, dass der Auffahrende entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat, unaufmerksam war oder mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist.

„Fahrschule“-Schild: Erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich

Die Ausstattung des Fahrschulwagens mit dem „Fahrschule“-Schild erhöht die Sorgfalts- und Aufmerksamkeitspflichten der übrigen Verkehrsteilnehmer. Die Betriebsgefahr des Fahrschulwagens wird in dieser Situation dadurch vollständig verdrängt.

Quelle | AG Sigmaringen, Urteil vom 6.11.2023, 1 C 32/23, Abruf-Nr. 238611 unter www.iww.de

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Autobahnunfall: LKW-Ladung muss man ordnungsgemäß sichern

| Wer vorausschauend handelt, vermeidet später Nachteile, so könnte das Fazit einer Entscheidung des Landgerichts (LG) Lübeck lauten. Im vorliegenden Fall verlor ein LKW auf der Autobahn mangelhaft gesicherten Stahlschrott. |

Lösten sich Teile vom Lkw?

Der Kläger fuhr mit seiner Ehefrau in seinem Auto auf der Autobahn. Vor ihm befand sich ein mit Stahlschrott beladener Lkw. Als sich der Kläger relativ nah am Lkw befand, fuhr dieser über eine Bodenwelle. Dadurch seien plötzlich mehrere kleine Gegenstände und Teile aus dem Lkw herausgefallen und hätten sein Auto getroffen, so der Kläger. Am Wagen sei ein erheblicher Schaden entstanden. Der Kläger verlangte deshalb den Schaden von der Halterin des LKW und deren Versicherung ersetzt.

Die Beklagten bezweifeln den vom Kläger geschilderten Sachverhalt: An dem besagten Tag sei mit dem LKW nur Stahlschrott transportiert worden. Wenn der sich gelöst hätte, hätte der Schaden am Auto ganz anders ausgesehen. Die Schäden am Wagen des Klägers seien nicht durch den Unfall verursacht worden.

Landgericht glaubte Kläger

Das LG hat die Beklagten jedoch trotzdem zur Zahlung verurteilt. Es folgte dabei der Darstellung des Klägers. Dieser habe detailliert geschildert, wo und wann sich Teile gelöst hätten und auf seinem Wagen eingeschlagen seien. Die Ehefrau des Klägers habe bestätigt, dass die Einschläge sehr laut waren. Sie habe sich intuitiv geduckt und dann erst von ihrem Handy hochgesehen und den Lkw bemerkt. Der Fahrer selbst habe zur Aufklärung wenig beitragen können, da er den Unfall gar nicht bemerkt habe.

Aber: Unfallpauschale reduziert

Einziger Wermutstropfen für den Kläger: Er bekam die von ihm geltend gemachte Unfallpauschale in Höhe von 25 Euro nur anteilig erstattet. Die Argumentation des Gerichts: Die Pauschale werde vor allem für höhere Kosten durch den Zeitaufwand nach dem Unfall sowie für die Telefon- und Internetkosten zugesprochen. Dies sei nicht mehr angemessen, da heutzutage fast jeder eine Telefon- und Internetflatrate habe und daher bei Anrufen nichts extra zahle. Folglich reduzierte das Gericht die Pauschale auf 20 Euro.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle | LG Lübeck, Urteil 19.12.2023, 10 O 38/23, PM vom 8.2.2024

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Medizinisch-psychologische Untersuchung: MPU nur bei wiederholten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss

| Wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss, die die Aufforderung rechtfertigen, ein medizinisch-psychologischen Gutachten beizubringen, liegen nur vor, wenn der Betroffene in mindestens zwei vom äußeren Geschehensablauf her eigenständigen Lebenssachverhalten je eine oder mehrere solche Zuwiderhandlungen begangen hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |

Unfall und Unfallflucht

Die Klägerin begehrt die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Wegen in Tatmehrheit im Sinne des Strafgesetzbuchs begangener fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr sowie vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort hatte sie das Amtsgericht (AG) rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt und ihr die Fahrerlaubnis entzogen. Nach den Feststellungen im Strafurteil fuhr die Klägerin im April 2015 mit ihrem PKW in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand (Blutalkoholkonzentration von 0,68 Promille) auf den Parkplatz eines Supermarkts. Nach dem Einkauf parkte sie rückwärts aus und fuhr dabei auf einen hinter ihrem Fahrzeug stehenden PKW auf. Sie stieg aus und begutachtete den entstandenen Schaden. Anschließend fuhr sie in ihre Wohnung zurück, ohne die erforderlichen Unfallfeststellungen treffen zu lassen.

Als die Klägerin im März 2018 beim Beklagten die Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragte, forderte er von ihr die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Sie habe im April 2015 wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen, die Zweifel an ihrer Fahreignung begründeten. Zwischen den beiden Fahrten liege mit dem Aussteigen aus dem Fahrzeug und der Begutachtung des Schadens eine Zäsur. Da die Klägerin das Gutachten nicht beibrachte, lehnte der Beklagte die Fahrerlaubniserteilung ab.

Nur eine Trunkenheitsfahrt nicht zwei

Das Verwaltungsgericht (VG) hatte ihre Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat diese Entscheidung geändert und den Beklagten zur Erteilung der Fahrerlaubnis verpflichtet. Bei dem Geschehen im April 2015 habe es sich nicht um wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss gehandelt. Das setze voraus, dass es bei natürlicher Betrachtungsweise zu mindestens zwei deutlich voneinander abgrenzbaren Trunkenheitsfahrten gekommen sei. Bei dem Ausparkunfall nebst Aussteigen und Betrachten der Fahrzeuge habe es sich nur um eine kurzzeitige Unterbrechung gehandelt, die auch in der Gesamtbetrachtung mit der vorherigen Fahrtunterbrechung für den Einkauf keinen neuen und eigenständigen Lebenssachverhalt begründet habe.

Die vom Beklagten gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision hatte keinen Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Das OVG hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin im April 2015 nicht wie das Gesetz (hier: § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. b der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (FeV)) voraussetzt wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen hat. Das ist nur dann der Fall, wenn der Betroffene in mindestens zwei vom äußeren Geschehensablauf her eigenständigen Lebenssachverhalten je eine oder mehrere solche Zuwiderhandlungen begangen hat.

Trunkenheitsfahrt und Unfallflucht: einheitlicher Geschehensablauf

Auch wenn eine Trunkenheitsfahrt nach einem alkoholbedingten Unfall in Kenntnis der eigenen Fahruntüchtigkeit fortgesetzt wird, kann ein einheitlicher Geschehensablauf vorliegen. Im Fall der Klägerin ist die Annahme des OVG nicht zu beanstanden, dass die Trunkenheitsfahrt, die unfallbedingt nur für wenige Minuten unterbrochen war, einen einheitlichen Lebenssachverhalt darstellt.

Quelle | BVerwG, Urteil vom 14.12.2023, 3 C 10.22, PM 94/23

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Abschließende Hinweise

Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2024 bis zum 30. Juni 2024 beträgt 3,62 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 8,62 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 12,62 Prozent*

* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 11,62 Prozent.

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.07.2023 bis 31.12.2023

3,12 Prozent

01.01.2023 bis 30.06.2023

1,62 Prozent

01.07.2022 bis 31.12.2022

-0,88 Prozent

01.01.2022 bis 30.06.2022

-0,88 Prozent

01.07.2021 bis 31.12.2021

-0,88 Prozent

01.01.2021 bis 30.06.2021

-0,88 Prozent

01.07.2020 bis 31.12.2020

-0,88 Prozent

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

01.01.2012 bis 30.06.2012

0,12 Prozent

01.07.2011 bis 31.12.2011

0,37 Prozent

01.01.2011 bis 30.06.2011

0,12 Prozent

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Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 04/2024

| Im Monat April 2024 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer: 10.04.2024
  • Lohnsteuer: 10.04.2024

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 15.04.2024. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat April 2024 am 26.04.2024.

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Würtemberger und Leßmann . Rechtsanwaltskanzlei . Pirnaer Straße 20 . 68309 Mannheim