Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 06-2023:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und WEG

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Abschließende Hinweise

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Arbeitsrecht

Rettungsassistent: „Gleiche Arbeit, gleicher Lohn“: Lohngleichheit bei Teilzeitbeschäftigung

| Geringfügig Beschäftigte, die in Bezug auf Umfang und Lage der Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen, jedoch unverbindliche Wünsche anmelden können, dürfen bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die durch den Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden. So entschied es nun das Bundesarbeitsgericht (BAG). |

So regelte der Arbeitgeber die Arbeitszeiten

Der Kläger ist als Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten tätig. Diese führt im Auftrag eines Rettungszweckverbands u. a. Notfallrettung und Krankentransporte durch. Sie beschäftigt nach ihrer Diktion sog. „hauptamtliche“ Rettungsassistenten in Voll- und Teilzeit, denen sie im Streitzeitraum eine Stundenvergütung von 17,00 Euro brutto zahlte. Daneben sind sog. „nebenamtliche“ Rettungsassistenten für sie tätig, die eine Stundenvergütung von 12,00 Euro brutto erhalten. Hierzu gehört der Kläger.

Die Beklagte teilt die nebenamtlichen Rettungsassistenten nicht einseitig zu Diensten ein, diese können vielmehr Wunschtermine für Einsätze benennen, denen die Beklagte versucht, zu entsprechen. Ein Anspruch hierauf besteht allerdings nicht. Zudem teilt die Beklagte den nebenamtlichen Rettungsassistenten noch zu besetzende freie Dienstschichten mit und bittet mit kurzfristigen Anfragen bei Ausfall von hauptamtlichen Rettungsassistenten um Übernahme eines Dienstes. Im Arbeitsvertrag des Klägers ist eine durchschnittliche Arbeitszeit von 16 Stunden pro Monat vorgesehen. Darüber hinaus ist bestimmt, dass er weitere Stunden leisten kann und verpflichtet ist, sich aktiv um Schichten zu kümmern.

Das verlangte der Arbeitnehmer

Mit seiner Klage hat der Arbeitnehmer zusätzliche Vergütung in Höhe von 3.285,88 Euro brutto für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021 verlangt. Er hat geltend gemacht, die unterschiedliche Stundenvergütung im Vergleich zu den hauptamtlichen Mitarbeitern stelle eine Benachteiligung wegen seiner Teilzeittätigkeit dar. Die Beklagte hält die Vergütungsdifferenz für sachlich gerechtfertigt, weil sie mit den hauptamtlichen Rettungsassistenten größere Planungssicherheit und weniger Planungsaufwand habe. Diese erhielten zudem eine höhere Stundenvergütung, weil sie sich auf Weisung zu bestimmten Diensten einfinden müssten.

So sahen es die Gerichte

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des ArbG geändert und die Beklagte verurteilt, die geforderte Vergütung zu zahlen.

Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Das LAG hat danach richtig erkannt, dass die im Vergleich zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten geringere Stundenvergütung den Kläger ohne sachlichen Grund benachteiligt. Die haupt- und nebenamtlichen Rettungsassistenten sind gleich qualifiziert und üben die gleiche Tätigkeit aus. Der von der Beklagten pauschal behauptete erhöhte Planungsaufwand bei der Einsatzplanung der nebenamtlichen Rettungsassistenten bildet keinen sachlichen Grund dafür, die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Es ist bereits nicht erkennbar, dass dieser Aufwand unter Berücksichtigung der erforderlichen „24/7-Dienstplanung“ und der öffentlich-rechtlichen Vorgaben zur Besetzung der Rettungs- und Krankenwagen signifikant höher ist.

Höhere Stundenvergütung, weil Schichten nicht abgelehnt werden können,…

Auch wenn man unterstellt, dass die Beklagte durch den Einsatz der hauptamtlichen Rettungsassistenten mehr Planungssicherheit hat, weil sie diesen einseitig Schichten zuweisen kann, ist sie hierbei jedoch nicht frei. Sie unterliegt vielmehr u. a. durch das Arbeitszeitgesetz vorgegebenen Grenzen in Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit und die Einhaltung der Ruhepausen. Die nebenamtlichen Rettungsassistenten bilden insoweit ihre Einsatzreserve.

… ist nicht gerechtfertigt

Unerheblich ist, dass diese frei in der Gestaltung der Arbeitszeit sind. Die Beklagte lässt insoweit unberücksichtigt, dass diese Personengruppe weder nach Lage noch nach zeitlichem Umfang Anspruch auf Zuweisung der gewünschten Dienste hat. Dass sich ein Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers zu bestimmten Dienstzeiten einfinden muss, rechtfertigt in der gebotenen Gesamtschau keine höhere Stundenvergütung gegenüber einem Arbeitnehmer, der frei ist, Dienste anzunehmen oder abzulehnen.

Quelle | BAG, Urteil vom 18.1.2023, 5 AZR 108/22, PM 3/23

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Kein Arbeitsunfall: Anbringen einer Frostschutz-Abdeckung am Auto gehört nicht zum Arbeitsweg

| Das Anbringen einer Frostschutz-Abdeckung an der Autoscheibe gehört nicht zum Arbeitsweg. Wer dabei umknickt, erleidet keinen Arbeitsunfall. Das gilt nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Sachsen-Anhalt z. B., wenn das Anbringen der Abdeckung den eigentlichen Weg deutlich unterbricht. |

Um das Auto herumgegangen und umgeknickt

Die Klägerin hatte sich an einem Wintertag mit dem Pkw auf den Weg zur Arbeit gemacht. Auf einem Parkplatz in der Nähe ihrer Arbeitsstelle stieg sie aus, um die letzten ca. 200 Meter zu Fuß zurückzulegen. Wegen der frostigen Temperaturen brachte sie aber zunächst eine Abdeckmatte an der Frontscheibe ihres Wagens an. Dazu ging sie nach den Feststellungen des Gerichts um das Auto herum. Auf der Beifahrerseite knickte sie dann beim Zurücktreten um und brach sich das Sprunggelenk. Die zuständige Unfallkasse weigerte sich, dies als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Unterbrechung des Arbeitswegs aus außerbetrieblichen Gründen

Zu Recht, wie das LSG entschieden hat. Das Anbringen der Frostschutz-Abdeckung nach dem Ende der Autofahrt und vor dem Antritt des restlichen Wegs zu Fuß habe nicht zum Arbeitsweg gehört, sondern diesen aus außerbetrieblichen Gründen unterbrochen. Das vorsorgliche Abdecken einer Autoscheibe nach dem Abstellen des Autos stelle eine unversicherte Handlung dar, die allein der Vorbereitung einer (späteren) Fahrt diene. Hier habe es sich nicht um eine für den Versicherungsschutz unschädliche private Verrichtung „im Vorbeigehen“ gehandelt. Denn das Abdecken der Scheibe habe einen räumlichen Abweg und eine ganz vom Weg unabhängige Verrichtung erfordert. Deshalb habe eine deutliche Unterbrechung des Arbeitswegs vorgelegen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.12.2022, L 6 U 61/20, PM 1/23

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Ruhestand: Besondere Altersgrenze für Lehrkräfte

| Das VG Trier hat eine Klage abgewiesen, festzustellen, dass für die Klägerin die besondere Altersgrenze für Lehrkräfte (Ende des Schuljahres, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird) gelte. |

Die Klägerin war in der Zeit von 1986 bis 2011 aktiv im Schuldienst des beklagten Landes als Realschullehrerin tätig. Nachdem sie im Jahr 2011 für schuldienstunfähig befunden wurde, erfolgte zur Vermeidung einer Versetzung in den Ruhestand die Versetzung in den Verwaltungsdienst. Im Jahr 2019 ersuchte die Klägerin das beklagte Land um Auskunft über das Datum ihres Ruhestandseintritts, welches sie selbst unter Anwendung der besonderen Altersgrenze für Lehrkräfte auf den Ablauf des 31. Juli 2025 datierte. Mit Bescheid vom Februar 2022 stellte das Land fest, dass die Klägerin durch ihre Versetzung in den Verwaltungsdienst dauerhaft aus dem Schulbereich aus- und in die Verwaltung eingegliedert worden sei, weshalb für sie die reguläre Altersgrenze gelte, die mit Ablauf des Monats Oktober 2026 erreicht sei.

Nach erfolglos durchlaufenem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend, auch wenn sie seit ihrer Versetzung in den Verwaltungsdienst mit laufbahnfremden Aufgaben betraut sei, gelte sie weiterhin als Lehrkraft i. S. d. gesetzlichen Vorschrift. Sie habe trotz ihrer Versetzung nach wie vor das Statusamt einer Realschullehrerin inne, da ein Laufbahnwechsel nicht erfolgt sei. Eine tatsächliche oder aktive Beschäftigung als Lehrkraft sei nicht erforderlich. Dem ist das Land im Wesentlichen mit der Begründung entgegengetreten, aus Wortlaut sowie Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschrift folge, dass die besondere Altersgrenze für Lehrkräfte nicht an die Amtsbezeichnung, sondern an die konkrete Tätigkeit im Schuldienst anknüpfe.

Dem schloss sich das VG im Ergebnis an. Die Anwendbarkeit der Vorschrift über die besondere Altersgrenze setze nicht nur die Laufbahnzugehörigkeit, sondern auch eine laufbahnentsprechende Verwendung voraus, weshalb es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf das Innehaben des Statusamts ankomme, sondern auf das ausgeübte Amt, das dem Schuldienst zuzuordnen sein müsse. Anders als für die Regelaltersgrenze liege besonderen gesetzlichen Altersgrenzen für bestimmte Beamtengruppen wie hier für Lehrkräfte - die generalisierende Einschätzung des Gesetzgebers zugrunde, dass die Dienstfähigkeit dieser Beamtinnen und Beamten typischerweise bereits vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze nicht mehr gegeben sei. Damit werde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Mitglieder der jeweiligen Beamtengruppen typischerweise besonders hohen Belastungen ausgesetzt seien, deren nachteilige Auswirkungen auf das Leistungsvermögen sich mit zunehmendem Alter verstärke.

Im Fall der Beamtengruppe der Lehrkräfte trete hinzu, dass mit der Anknüpfung an das Ende des Schuljahres den organisatorischen und pädagogischen Bedürfnissen der Arbeit an der Schule und den besonderen Umständen des Schulbetriebs Rechnung getragen werden solle. Da die Klägerin seit dem Jahr 2011 keine schuljahresbezogene Tätigkeit mehr ausübe und den besonderen Belastungen des Schulbetriebs nicht länger ausgesetzt sei, sei die Vorschrift über die besondere Altersgrenze für Lehrkräfte für sie mithin nicht anzuwenden. Anders als die Klägerin meine, folge hieraus nicht, dass Entsprechendes dann auch für beurlaubte oder erkrankte Lehrkräfte gelten müsse, da diese anders als die Klägerin organisationsrechtlich noch dem Schuldienst zugeordnet seien.

Quelle | VG Trier, Urteil vom 16.8.2022, 7 K 1500/22.TR, PM 22/22

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Baurecht

Vertragsrecht: Kein Verbraucherbauvertrag bei Vertrag über einzelnes Gewerk eines Neubauvorhabens

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt erstmals entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein Verbraucherbauvertrag im Sinne des mit Wirkung zum 1.1.2018 neu eingeführten Paragrafen im bürgerlichen Gesetzbuch (§ 650i BGB) vorliegt. |

Das war geschehen

Die beklagten Eheleute ließen als private Bauherren einen Neubau errichten, wobei sie die erforderlichen Gewerke an einzelne Bauunternehmer vergaben. Die Klägerin erbrachte von November 2018 bis Januar 2019 aufgrund eines Vertrags von August 2018 über die Ausführung von Innenputz- und Außenputzarbeiten auf Einheitspreisbasis ihre Leistungen. Auf Abschlagsrechnungen in Höhe von rund 30.000 Euro leisteten die Beklagten nur Zahlungen in Höhe von gut 20.000 Euro. Die Klägerin forderte die Beklagten zunächst unter Fristsetzung erfolglos auf, den offenen Betrag zu zahlen und anschließend eine Bauhandwerkersicherung von knapp 10.000 Euro zu leisten.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht (LG) hat der Klage auf Sicherheitsleistung stattgegeben. Hiergegen haben sich die Beklagten mit der Berufung gewandt. Nachdem die Beklagten knapp 10.000 Euro an die Klägerin gezahlt hatten, hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagten haben der Erledigungserklärung widersprochen. Das Oberlandesgericht (OLG) hat die nun auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gerichtete Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die ursprüngliche Klage auf Sicherheitsleistung sei unbegründet gewesen. Der Anspruch auf Sicherheitsleistung habe von Anfang nicht greifen können. Die Beklagten als Besteller seien Verbraucher und hätten mit der Klägerin einen Verbraucherbauvertrag geschlossen. Ein solcher liege auch bei einer wie hier gewerkeweisen Vergabe von Bauleistungen vor. Mit ihrer Revision hat die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiterverfolgt.

So sieht es der Bundesgerichtshof

Die Revision der Klägerin ist erfolgreich gewesen. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Die Klage auf Sicherheitsleistung war ursprünglich begründet und hat sich erledigt. Die Parteien haben keinen Verbraucherbauvertrag geschlossen.

Nach der gesetzlichen Definition in § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB setzt ein Verbraucherbauvertrag voraus, dass es sich um einen Vertrag mit einem Verbraucher handelt, durch den der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet wird. Dafür reicht es schon nach dem Wortlaut nicht aus, dass der Unternehmer die Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen eines Neubaus eines Gebäudes übernimmt. Darin unterscheidet sich die Vorschrift in entscheidender Weise von dem gleichzeitig in Kraft getretenen § 650a BGB. Dort wird ausdrücklich unter anderem ein Vertrag über die Herstellung eines Bauwerks „oder eines Teils davon“ erfasst. Eine weitere abweichende Formulierung findet sich zudem in § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB, der die Verjährung werkvertraglicher Mängelansprüche regelt und dort eine spezielle Verjährungsfrist für Ansprüche „bei einem Bauwerk“ vorsieht.

Die mit dem Abschluss eines Verbraucherbauvertrags verbundene Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher eine Baubeschreibung zur Verfügung zu stellen, die mindestens unter anderem Pläne mit Raum- und Flächenangaben sowie Ansichten, Grundrisse und Schnitte enthalten muss, spricht ebenfalls für dieses Verständnis.

Soweit die Auffassung vertreten wird, der Gedanke des Verbraucherschutzes erfordere es, auch die gewerkeweise vergebenen Leistungen im Rahmen des Neubaus eines Gebäudes denselben Vorschriften zu unterwerfen, wie die Verpflichtung zum Neubau eines Gebäudes, hat das keine Umsetzung im Gesetz gefunden. Hinzu kommt, dass diese rechtspolitische Erwägung auch nicht ohne Weiteres im Rahmen einer Auslegung mit eindeutigen Rechtsfolgen verknüpft werden kann, weil die Verbraucherschutzvorschriften bei einem Verbraucherbauvertrag insgesamt nicht ausschließlich als umfassender und günstiger für den Verbraucher angesehen werden können als dies bei einem Vertrag der Fall ist, für den sie nicht gelten. Schließlich verbietet es auch das Gebot der Rechtsklarheit hier in besonderer Weise, den Begriff des Verbraucherbauvertrags aufgrund einer allgemeinen Zielvorstellung des Verbraucherschutzes zu erweitern, ohne dass dies im Gesetzestext erkennbar wäre. Denn der Unternehmer muss erkennen können, ob und welche Unterrichtungs- und Belehrungspflichten ihn schon im Vorfeld des Vertrags treffen.

Quelle | BGH, Urteil vom 16.3.2023, VII ZR 94/22, PM 51/23

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Baugenehmigung: Kleiner Kfz-Betrieb nicht in allgemeinem Wohngebiet erlaubt

| Eine im Nebenerwerb von dem Inhaber geführte Kfz-Werkstatt mit Betrieb an nur einem Tag in der Woche ist bauplanungsrechtlich in einem allgemeinen Wohngebiet unzulässig. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz. |

Der Kläger beantragte, eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung seiner Garage in eine Kfz-Werkstatt mit einer Hebebühne und einem Hol- und Bringservice zu erteilen. Die beklagte Bauaufsichtsbehörde verweigerte die Baugenehmigung und führte aus, der Kfz-Betrieb sei in einem dem Wohnen dienenden allgemeinen Wohngebiet seiner Art nach generell unzulässig. Auf die Ausgestaltung des konkreten Betriebs komme es dabei nicht an. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren verfolgte der Kläger sein Begehren mit einer Klage weiter. Er machte geltend: Bei der Frage der Genehmigungsfähigkeit sei auf die konkrete Ausgestaltung des Kfz-Betriebs als kleiner, nicht störenden Unternehmung abzustellen. Diese lasse sich in die dörfliche Struktur der Gemeinde mit Wohngebäuden und Gewerbebetrieben ohne Weiteres einordnen. Das VG wies die Klage ab.

Die Kfz-Werkstatt füge sich ihrer Art nach nicht in die von Wohngebäuden geprägte nähere Umgebung ein, die hier nicht das gesamte Dorf umfasse. Mit Blick auf seine immissionsträchtigen Auswirkungen sei ein Kfz-Betrieb typischerweise geeignet, den bestehenden Wohngebietscharakter als solchen zu beeinträchtigen. Wegen des gesetzlich vorgegebenen Schutzes des Gebietscharakters komme es bei der Prüfung der Zulässigkeit des Vorhabens grundsätzlich nicht darauf an, ob der konkrete Betrieb störend wirke.

Der kleine Nebenerwerbsbetrieb des Klägers stelle auch keine eigene Betriebsform unter den Kfz-Werkstätten dar. Die von dem Betrieb ausgehenden Auswirkungen seien auch in geringerem Umfang städtebauplanerisch nicht für ein allgemeines Wohngebiet vorgesehen, das in erster Linie dem Wohnen und daneben nur nicht störenden Nutzungen vorbehalten sei. Die geplanten Arbeitszeiten in den Abendstunden und an Samstagen würden in besonderer Weise dem Ruhebedürfnis der Bewohner des Wohngebiets zuwiderlaufen.

Quelle | VG Mainz, Urteil vom 10.1.2023, 3 K 121/22.MZ, PM 3/23

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Familien- und Erbrecht

Präventivunterbringung: Um optimale Förderung zu erzielen, darf nicht ins Sorgerecht eingegriffen werden

| Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt (hier: § 1666 BGB): Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, muss das Familiengericht die Maßnahmen treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. In diesem Zusammenhang hat das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig jetzt entschieden: § 1666 BGB gebietet es nicht, ein autistisches Kind präventiv unterzubringen. |

Familiengericht entzog Mutter die elterliche Sorge

Das Familiengericht (FG) hatte der alleinsorgeberechtigten Mutter Teile der elterlichen Sorge entzogen, um das 14-jährige Kind unterzubringen. Dieses leidet unter frühkindlichem Autismus und hat einen hohen Betreuungs- und Förderbedarf. Die Mutter werde langfristig nicht in der Lage sein, die Betreuung und Versorgung ohne Gefahr für das Wohl des Kindes sicherzustellen, so das Gericht. Sie werde von den Beteiligten als liebevolle Mutter wahrgenommen, fördere das Kind aber nicht ausreichend. Langfristig lasse sich daher eine Unterbringung nicht vermeiden.

Künftige Risiken rechtfertigen keine gegenwärtige Unterbringung

Das OLG hat die Entscheidung aufgehoben. Seine Begründung: Die Möglichkeit, dass ein allein betreuender Elternteil eines schwer behinderten Kindes künftig ausfällt, gefährdet das Kindeswohl nicht gegenwärtig. Die vorbeugende Fremdunterbringung, um das Kind ohne konkreten Anlass frühzeitig in eine Einrichtung einzugewöhnen, rechtfertigt nicht den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Gesundheitsfürsorge.

Keine Besserung der Gesamtsituation

Auch der Vorwurf, dass die Mutter das Kind nicht bestmöglich fördere, gefährdet das Kindeswohl nicht. Sowohl die Mutter als auch die Betreuung des Kindes in der Schule stellen sicher, dass dessen unverzichtbare Bedürfnisse gewährleistet werden. Eingriffe in das Sorgerecht, um eine optimale Förderung zu erzwingen, sind vom Kinderschutzrecht auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht erfasst. Die Unterbringung des Kindes zum jetzigen Zeitpunkt würde seine Gesamtsituation nicht verbessern, da die psychische Belastung durch die Trennung von der Mutter und seinem bekannten Umfeld schwerer wiegt.

Quelle | OLG Braunschweig, Beschluss vom 22.12.2022, 2 UF 122/22, Abruf-Nr. 233107 unter www.iww.de

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Erbrecht: Ein durch Testament eingesetzter Erbe trägt auch Risiken

| Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat jetzt in einem Verfahren entschieden: Ein im Testament bedachter Erbe musste alle Nachlassgegenstände an die gesetzlichen Erben herausgeben, weil die Erblasserin gemäß Feststellung im Nachhinein nicht testierfähig war. |

Von Gesetzes wegen erben in erster Linie Abkömmlinge, Ehepartner oder sonstige Verwandte eines Verstorbenen. Er kann die Erbfolge durch Testament oder Erbvertrag abweichend regeln und z. B. einen Freund oder engen Vertrauten zum Erben einsetzen. Dieser trägt aber das Risiko, dass das Testament wirksam ist. Ein Erblasser ist zwar unabhängig vom Alter und der Einrichtung einer etwaigen Betreuung bis zum Beweis des Gegenteils als testierfähig anzusehen. Stellt sich aber heraus, dass er etwa aufgrund einer geistigen Erkrankung nicht testierfähig war, muss der vermeintliche Erbe alle Nachlassgegenstände an die gesetzlichen Erben herausgeben und das möglicherweise noch viele Jahre nach dem Erbfall.

Das war geschehen

Es ging um ein sehr hohes Vermögen: Eine alleinstehende und kinderlose Dame mit einem Vermögen von mehreren Millionen Euro hatte durch ein Testament im Jahr 2008 und erneut durch einen vor einem Notar im Jahr 2014 geschlossenen Erbvertrag ihren langjährigen Steuerberater als alleinigen Erben eingesetzt. Sie verstarb im Jahr 2015. Bereits anlässlich der Erteilung eines Erbscheins hatte das Amtsgericht (AG) Hannover ein psychiatrisches Gutachten eingeholt, das zu dem Ergebnis kam, dass die Verstorbene aufgrund wahnhafter Störungen nicht in der Lage war, wirksam zu testieren. Der Sachverständige hatte zu diesem Zweck der Vernehmung vieler Zeugen beigewohnt, unter ihnen auch Notare und Ärzte.

Gerichtliche Instanzen folgten dem Gutachten: Verstorbene war krank

Dieses Gutachten haben neben dem Amtsgericht (AG) Hannover sowohl das Landgericht (LG) Hannover als das OLC Celle für überzeugend gehalten. Das LG hatte festgestellt, dass der als Erbe eingesetzte Steuerberater nicht Erbe der Erblasserin geworden ist.

Die hiergegen eingelegte Berufung hat der Steuerberater zurückgenommen, nachdem das OLG auf die fehlenden Erfolgsaussichten hingewiesen hat. Dabei hatte das OLG betont, dass es unerheblich sei, ob der Steuerberater die Testierunfähigkeit der Erblasserin kannte oder auch nur hätte erkennen können oder müssen. Es gehe nicht um einen Vorwurf gegenüber dem Beklagten, andererseits konnten ihm auch eine mögliche Gutgläubigkeit und ein Vertrauen in die Testierfähigkeit der ihm lange bekannten Erblasserin nicht helfen.

Quelle | OLG Celle, Urteil vom 18.1.2023, 6 U 2/22, PM vom 18.1.2023

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Klinikärztin: Keine Bonus-Monate beim Elterngeld wegen Bereitschaftsdienst

| Der Bereitschaftsdienst von Klinikärzten ist Arbeitszeit. Er zählt auch als Zeit der Erwerbstätigkeit im Sinne des Elterngeldrechts und kann deshalb dazu führen, dass ein Arzt keine sog. Partnerschaftsbonus-Monate beim Elterngeld bekommt. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden. |

Das war geschehen

Geklagt hatte eine Klinikärztin. Nach der Geburt ihres Kindes im Jahr 2016 hatte sie elf Monate das Basiselterngeld bezogen, ihr Ehemann anschließend drei weitere Monate. Danach arbeiteten beide in Teilzeit und nahmen die vier sog. Partnerschaftsbonus-Monate in Anspruch. Das setzte nach dem damaligen Recht voraus, dass beide Elternteile in diesen vier Monaten gleichzeitig im Monatsdurchschnitt nicht weniger als 25 und nicht mehr als 30 Wochenstunden erwerbstätig waren. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Ärztin, wenn man ihre Bereitschaftsdienste in der Klinik vollständig mitzählte, in einigen Monaten mehr als 30 Stunden pro Woche gearbeitet hatte. Deshalb forderte die zuständige Behörde das für die vier Partnerschaftsbonus-Monate zunächst nur vorläufig gezahlte Elterngeld zurück.

Bereitschaftsdienst keine Erwerbstätigkeit?

Dagegen klagte die Ärztin. Sie meinte, dass der Bereitschaftsdienst keine Erwerbstätigkeit im Sinne des Gesetzes sei. Sie müsse sich zwar in der Klinik aufhalten, könne die Zeit im Bereitschaftsdienstzimmer aber weitgehend frei nutzen. Wenn man nur die Zeiten zähle, in denen sie tatsächlich zum Einsatz gekommen sei, habe sie durchweg weniger als 30 Stunden pro Woche gearbeitet. Mit dieser Argumentation hatte sie in erster Instanz vor dem Sozialgericht (SG) Erfolg.

Zeiten des Bereitschaftsdienstes konsequent zu berücksichtigen

Auf die Berufung der Elterngeldstelle hat das LSG ihre Klage aber in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung in zweiter Instanz abgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts ist der Bereitschaftsdienst vollständig als Zeit der Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen, weil die Ärztin sich auf Weisung ihres Arbeitgebers in der Klinik aufhalten musste und weil dieser Dienst vergütet wurde. Ein weiterer Gesichtspunkt sei, dass die Ärztin sich während des Bereitschaftsdienstes gerade nicht um die Betreuung ihres Kindes kümmern konnte. Außerdem richte sich die Höhe des Elterngeldes nach dem Einkommen vor der Geburt. Hier wirke sich auch Einkommen aus Bereitschaftsdiensten positiv für den Elterngeldberechtigten aus. Dann sei es aber konsequent, solche Zeiten auch bei den Voraussetzungen der Partnerschaftsbonus-Monate zu berücksichtigen.

Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15.12.2022, L 2 EG 3/21, PM 2/23

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Vorweggenommene Erbfolge: Widerruf einer Schenkung wegen „groben Undanks“

| Die Erklärung, eine Schenkung werde wegen groben Undanks widerrufen, muss nicht begründet werden. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |

Die Erblasserin hatte ihrem Sohn und ihren zwei Töchtern zu jeweils einem Drittel u. a. 14 Grundstücke im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen. Mit dem Sohn kam es danach zum Zerwürfnis. Dieser hatte gegen den Willen der noch lebenden Erblasserin Löschungsbewilligungen hinsichtlich ihrer Nießbrauchsrechte bei den zuständigen Grundbuchämtern eingereicht. Die Mutter widerrief ihre Schenkungen an den Sohn, starb dann aber, sodass die Schwestern die Feststellung beantragten, dass sie je zur Hälfte Erbinnen geworden sind.

Der BGH hat für seine Entscheidung auf den Wortlaut von § 531 Abs. 1 BGB abgestellt. Dort heißt es bloß: „Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Beschenkten“. Eine Begründung verlangt das Gesetz also ausdrücklich nicht. Der BGH sieht den Beschenkten ausreichend geschützt. Ob grober Undank tatsächlich vorliegt, muss im Rückforderungsprozess bewiesen werden.

Den Widerrufsgrund des groben Undanks sah der BGH hier als erwiesen an.

Quelle | BGH, Urteil vom 11.10.2022, X ZR 42/20, Abruf-Nr. 233248 unter www.iww.de

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Mietrecht und WEG

Schimmelbefall: Schadensverhütung: Was dem Mieter an Lüften, Heizen und Co. zuzumuten ist

| Bei einem Gebäude aus den 1960iger Jahren sind trotz erfolgter Sanierungsmaßnahmen (hier: im Jahr 2009) hinsichtlich der Schadensempfindlichkeit und seiner Anfälligkeit für Schimmelbefall höhere Anforderungen an das Nutzerverhalten zu stellen als bei einem Neubau. Der Mieter ist hier zu einem Wohnverhalten verpflichtet, das diesem konkreten Gebäudezustand Rechnung trägt. Dazu zählen ein ausreichendes Lüften und Beheizen sämtlicher Räume und eine schadensverhütende Möblierung. So hat es das Landgericht (LG) Hanau entschieden. |

Es ging um eine Genossenschaftswohnung in einem Gebäude aus den 1960iger Jahren, das 2009 saniert worden war. Die Mieter minderten die Miete wegen Schimmelbefall. Sie hielten bauliche Mängel, insbesondere Rohrleckagen, Undichtigkeiten der Außenwände und der Kellerdecke sowie ein fehlerhaftes Lüftungskonzept im Rahmen der erfolgten Sanierung (Verstoß gegen DIN 1946-6 wegen Fehlen einer nutzerunabhängigen Grundlüftung) für ursächlich.

Die Zahlungsklage der Vermieterin hatte schon vor dem Amtsgericht (AG) Erfolg. Dort hatte ein Sachverständiger verbindlich festgestellt, dass die Schimmelbildung ausschließlich auf einem fehlerhaften Nutzerverhalten der Mieter beruhte.

Das LG in zweiter Instanz: Angesichts des Alters des Gebäudes und der verhältnismäßig geringen Miete können die Mieter keinen Neubaustandard erwarten. Sie sind zu einem Wohnverhalten verpflichtet, das dem konkreten Gebäudezustand Rechnung trägt. Dazu zählen ein ausreichendes Lüften und Beheizen sämtlicher Räume und eine schadensverhütende Möblierung (z.B. Abrücken größerer Möbelstücke von der Außenwand oder Platzierung an anderer Stelle).

Selbst aus der etwaigen Nichteinhaltung der DIN 1946-6 kann nicht ohne Weiteres auf einen Mangel der Wohnung geschlossen werden. Da die Mieter die Schimmelbildung mit zumutbaren Maßnahmen hätten vermeiden können, bestand kein Mietminderungsrecht.

Quelle | LG Hanau, Urteil vom 13.7.2022, 2 S 2/21

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WEG: Wenn der Mieter die Schuhe vor die Tür stellt

| Das Abstellen von Gegenständen jeglicher Art (hier: Schuhe) auf Gemeinschaftsflächen gehört nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch. Der Vermieter hat daher einen Unterlassungsanspruch. So sieht es das Amtsgericht (AG) Frankfurt. |

Der Mietvertrag sah vor, dass jegliche Gegenstände in gemeinschaftlichen Räumen, am Haus oder auf dem Grundstück nicht ohne Zustimmung der Vermieterin aufgestellt werden dürfen. Dennoch hatte die Familie des Mieters die Angewohnheit, vor ihrer Wohnungstür Schuhe abzustellen. Der mehrfachen Aufforderung der Vermieterin, dies zu unterlassen, kam der Mieter nicht nach. Daher klagte die Vermieterin auf Entfernung der Schuhe und auf Unterlassung des Abstellens der Schuhe vor der Wohnungstür des Mieters. Der Mieter kam dem Anspruch auf Entfernung der Schuhe im Laufe des Verfahrens nach, sodass der Rechtsstreit insoweit als in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde.

Das AG verurteilte den Mieter auf Unterlassung und gab ihm die Kosten des Rechtsstreits auf.

Denn das zulässige Verbot des Abstellens der Schuhe vor der Wohnungstür ergab sich schon aus dem Mietvertrag. Zudem war die Hausordnung in den Mietvertrag einbezogen worden. Diese sah unter „Sicherheit, Ordnung und Brandschutz“ vor, dass aus zwingenden Gründen des Brandschutzes das Abstellen von Gegenständen im Treppenhaus der Zustimmung des Vermieters bedarf. Diese hatte der Mieter nicht erhalten. Das AG außerdem: Das Abstellen der Schuhe müsse auch ohne gesonderte vertragliche Regelung vom Vermieter nicht geduldet werden. Das ergebe sich z. B. schon aus Gründen des Brandschutzes.

Quelle | AG Frankfurt, Urteil vom 28.4.2022, 33 C 2354/21

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Dachterrassenerweiterung: WEG-Beschluss muss Maßnahmen konkret nennen

| Der Beschluss über die Genehmigung der Erweiterung einer Dachterrasse ist zu unbestimmt, wenn nicht ersichtlich ist, welche konkreten Veränderungen hiermit genehmigt werden, insbesondere im Hinblick auf die optische Gestaltung der Dachterrasse, der Außenbegrenzung sowie auch hinsichtlich des konkreten Ausmaßes der Erweiterung. So hat es das Amtsgericht (AG) Bonn entschieden. |

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) beschloss mehrheitlich Folgendes: „Die Wohnungseigentümergemeinschaft genehmigt die Erweiterung der Dachterrasse. Die Genehmigung durch die Verwaltung kann den Miteigentümern erteilt werden, wenn die folgenden Vorgaben erfüllt werden: Vor Genehmigung durch die Verwaltung ist eine Baugenehmigung vorzulegen. Die Installation erfolgt auf Veranlassung des Sondereigentümers zu dessen Lasten. Für die Erweiterung der Dachterrasse ist eine Beseitigung des vorhandenen Kieses erforderIich. Die Erweiterung der Dachterrasse hat sach- und fachgerecht durch ein Fachunternehmen unter größtmögIicher Schonung des gemeinschaftlichen Eigentums, hier insbesondere die Abdichtung der Dachfläche, zu erfolgen. ... Der Eigentümer bzw. Rechtsnachfolger ist verpflichtet, die Installation jeweils ordnungsgemäß instand zu halten. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann die Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter, entweder im Wege der Ersatzvornahme das Erforderliche veranlassen oder aber den Rückbau und die ordnungsgemäße Wiedererrichtung des ursprünglichen Zustands verlangen.“

Ein Wohnungseigentümer hatte den Beschluss wegen Unbestimmtheit angefochten. Seine Klage vor dem AG hatte Erfolg. Der Inhalt eines Eigentümerbeschlusses muss, vor allem weil ein Sonderrechtsnachfolger an die Beschlüsse gebunden ist, inhaltlich bestimmt und klar sein. Es besteht ein Interesse des Rechtsverkehrs, die durch die Beschlussfassung eingetretenen Rechtswirkungen der Beschlussformulierung entnehmen zu können. Die Eigentümerbeschlüsse müssen „aus sich heraus“ auszulegen sein und Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind.

Soweit die Gemeinschaft die Erweiterung der Dachterrasse genehmigt hat, ist der Beschluss nach Ansicht des AG zu unbestimmt, da nicht ersichtlich ist, welche konkreten Veränderungen hiermit genehmigt werden. Das gelte insbesondere im Hinblick auf die optische Gestaltung der Dachterrasse, wie etwa die Außenbegrenzung sowie auch das konkrete Ausmaß der Erweiterung. Insoweit wird die Erweiterung der Dachterrasse genehmigt, ohne konkret zu bezeichnen, welche Bereiche des Dachs von dieser Genehmigung erfasst sein sollen.

Quelle | AG Bonn, Urteil vom 1.4.2022, 210 C 44/21

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Verbraucherrecht

Kostenübernahme: Grundsätze der Arzneimittelzulassung gelten auch bei Risiken in der Schwangerschaft

| Das Bundessozialgericht (BSG) hat klargestellt, dass Frauen ausnahmsweise Anspruch auf ein für die konkrete Behandlung nicht zugelassenes Arzneimittel haben, um ihr ungeborenes Kind vor einer gefährlichen Infektion zu schützen. Dafür ist erforderlich, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen oder besonders schweren Verlauf spricht. |

Die schwangere Klägerin hatte sich mit dem für sie ungefährlichen Zytomegalievirus infiziert. Es bestand jedoch ein Ansteckungsrisiko für das ungeborene Kind mit potenziell schwerwiegenden Folgen bis hin zum Abort. Bei der großen Mehrheit der Schwangerschaften infizierter Mütter kommen Kinder gesund zur Welt. Das von der Klägerin begehrte Arzneimittel sollte die Ansteckungswahrscheinlichkeit für das Ungeborene verringern. Es war aber hierfür nicht zugelassen und nicht abschließend erforscht. Die Krankenkasse lehnte die Übernahme der Kosten deshalb ab.

Das BSG hat diese Entscheidung bestätigt. Der Staat muss das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Versicherten schützen. Diese Schutzpflicht erstreckt sich bei schwangeren Frauen auch auf das ungeborene Kind.

Die Ausgestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung obliegt aber dem Gesetzgeber. Nur in extremen, nun einfachgesetzlich geregelten Ausnahmefällen haben Versicherte außerhalb des jeweils maßgeblichen Qualitätsgebots weitergehende Ansprüche, wenn sie sich in einer notstandsähnlichen Situation befinden. Dabei muss eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen oder besonders schweren Krankheitsverlauf sprechen. Das war nach der hier allein möglichen statistischen Betrachtung nicht der Fall.

Quelle | BSG, Urteil vom 24.1.2023, B 1 KR 7/22 R, PM 1/23

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Vereinsvorstände und Kassenwarte: Broschüre „Vereine & Steuern“ neu aufgelegt

| Das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen hat die Broschüre „Vereine & Steuern“ neu aufgelegt (Stand: Februar 2023). Der Ratgeber wendet sich an Vereinsvorstände (insbesondere an Kassenwarte) und behandelt von der Gemeinnützigkeit bis zur Zuwendungsbestätigung wichtige Themen. Die Broschüre ist auf der Website des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen (unter www.iww.de/s7908) verfügbar. |

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Tierhalterhaftung: Gebissen, weil sie Hund und Katze trennen wollte …

| Der Halter eines Tieres haftet nicht nur für unmittelbar durch das Tier verursachte Verletzungen. Die Tierhalterhaftung erfasst vielmehr auch Fälle, in denen ein Mensch sich aufgrund der vom Tier herbeigeführten Gefahr zu helfendem Eingreifen veranlasst sieht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat den Halter eines Hundes verurteilt, Schmerzensgeld zu zahlen, da dieser den Kater der Klägerin angegriffen hatte. Beim Versuch, die Tiere zu trennen, stürzte die Klägerin. |

Die Klägerin wollte die Tiere trennen

Die Parteien sind Nachbarn. Sie räumten im Januar 2017 gleichzeitig Schnee von ihren Grundstücken. Unter dem Neuschnee hatte sich auf dem klägerischen Grundstück eine vereiste Fläche gebildet. Der Hütehund des Beklagten gelangte während der Räumarbeiten auf das Grundstück der Klägerin. Ob die Klägerin nachfolgend stürzte, da der Hund des Beklagten den Kater der Klägerin angegriffen hatte, ist zwischen den Parteien streitig. Das Landgericht (LG) hatte nach Beweisaufnahme die auf Schmerzensgeld und Feststellung der Einstandspflicht für weitere Schäden gerichtete Klage abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin stellte das OLG dagegen fest, dass der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadenersatz zustehe.

Tiergefahr hatte sich realisiert

Der Beklagte hafte nach den Grundsätzen der sog. Tiergefahr, begründete das OLG seine Entscheidung. Nach der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass die Klägerin gestürzt sei, da sich der Hund auf ihren Kater gestürzt und diesen am Kopf gepackt habe. Die Klägerin habe die Tiere mit ihrem Besen trennen wollen. Sowohl die Angaben der Klägerin als auch die des Beklagten deckten diesen Geschehensablauf. Der Beklagte hatte im Rahmen seiner Anhörung klargestellt, dass er lediglich gesehen habe, „dass sein Hund Schläge bezogen habe“. Die Sicht auf das weitere Geschehen sei dagegen verdeckt gewesen. Es spreche nichts dafür, dass die Klägerin den Hund „ohne jeden Grund geschlagen haben sollte“. Die Klägerin habe den Hund vielmehr schon lange gekannt und in der Vergangenheit regelmäßig mit ihm gespielt. Das vom Beklagten berichtete Schlagen lasse sich „ohne Weiteres in Übereinstimmung bringen mit der Schilderung der Klägerin, sie habe versucht, mit dem Besen die Tiere zu trennen“. Die Angaben der Klägerin seien auch von den Zeuginnen bestätigt worden. Aus der ärztlichen Stellungnahme ergebe sich zweifelsfrei, dass die Klägerin in der fraglichen Zeit Verletzungen am Hand- und Kniegelenk erlitten habe.

Hundehalter muss zahlen nur wie viel, steht noch nicht fest

Als Halter des Hundes habe der Beklagte damit für die erlittenen Schäden einzustehen. Die verschuldensunabhängige Haftung des Tierhalters bestehe bereits, wenn eine Verletzung „adäquat kausal auf ein Tierverhalten zurückzuführen ist“. Es komme nicht auf eine unmittelbar durch das Tier bewirkte Verletzung an. Ausreichend sei, „wenn sich ein Mensch durch die von dem Tier herbeigeführte Gefahr zu helfendem Eingreifen veranlasst sieht“, betont das OLG. So liege es hier. Die Klägerin habe sich durch den Angriff des Hundes dazu veranlasst gesehen, dem Kater zur Hilfe zu eilen. Auch wenn es angesichts der winterlichen Verhältnisse aus objektiver Sicht unklug gewesen sei, sich schnell auf die Tiere zuzubewegen, sei es doch eine völlig naheliegende Reaktion gewesen.

Der Höhe nach ist über die erlittenen Verletzungen noch Beweis zu erheben, sodass das OLG zunächst nur die Haftung dem Grunde nach festgestellt hat.

Die Anfechtbarkeit der Entscheidung hängt von der Wertfestsetzung des Revisionsgerichts ab.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.1.2023, 4 U 249/21, PM 6/2

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Bankrecht: Verwahrentgelte müssen zurückgezahlt werden

| Durch AGB erhobene Verwahrentgelte sind unzulässig und führen zu einer Rückzahlungspflicht an den Verbraucher. So hat es das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth entschieden.|

Geklagt hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Die betroffene Bank hatte ab einem Guthaben von 10.000,01 Euro auf einem Girokonto und ab dem ersten Cent auf einem Tagesgeldkonto Verwahrentgelte von 0,5 Prozent p. a. erhoben. Gegen die Klauseln hatte der vzbv geklagt und nach Maßgabe des Unterlassungsklagengesetzes einen Unterlassungsanspruch wegen des Verstoßes gegen die AGB-Regeln des BGB erfolgreich geltend gemacht.

Das Kreditinstitut hat die Entscheidung erwartbar nicht akzeptiert. Es ist in Berufung gegangen.

Quelle | LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 28.10.2022, 7 O 566/21, Abruf-Nr. 233115 unter www.iww.de

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Schadenersatz: Parkhausbetreiber haftet nicht für Schäden infolge Sex auf dem Auto

| Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadenersatz für die Beschädigung seines Pkw. Er hatte diesen im Parkhaus der Beklagten abgestellt. Die Parteien stritten im Wesentlichen darum, ob die Beklagte während des Einstellzeitraums eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Nein, sagt dazu jetzt das Landgericht (LG) Köln. |

Während des Einstellzeitraums kamen in der Nacht zwei unbekannte Personen in das Parkhaus und hatten Geschlechtsverkehr auf der Motorhaube des klägerischen Fahrzeugs. Im Anschluss verließen die beiden Personen das Parkhaus, ohne dass deren Identität festgestellt worden wäre. Als der Kläger am nächsten Morgen zu seinem Fahrzeug zurückkehrte, bemerkte er, dass sein Wagen verschiedene Beschädigungen aufwies. Daraufhin nahm er Kontakt zum Wachpersonal des Parkhauses auf, das ihm die Aufnahmen der Überwachungskameras zeigte.

Das Fahrzeug wies mehrere Schäden auf. Der Kläger behauptet, diese seien beim Verlassen des Wagens nicht vorhanden gewesen und daher während der Parkzeit und durch die Handlungen der beiden Unbekannten entstanden. Der Kläger ist der Auffassung, dass es Aufgabe der Beklagten, bzw. ihrer Mitarbeiter gewesen sei, die Videoaufzeichnungen durchgehend zu beobachten und derartige Vorkommnisse zu unterbinden. Wenigstens sei zu erwarten gewesen, dass die Beklagte den Vorgang bemerken und die Polizei rufen würde, damit die Identität der Unbekannten festgestellt werden könnte. Die Beklagte meint, solche Verkehrssicherungspflichten träfen sie nicht.

Das LG: Die Pflichten der Beklagten gehen nicht so weit, dass sie die von ihr installierten Überwachungskameras ununterbrochen beobachten lassen müsste, um etwaige Verstöße gegen die Sicherheit und Ordnung im Parkhaus lückenlos zu bemerken oder gar verhindern zu können. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Kameras mehr zu repressiven als zu präventiven Zwecken eingesetzt werden. Für den Fall, dass ein Fahrzeughalter bei Rückkehr zu seinem Fahrzeug neue Beschädigungen feststellt, kann er also auf die Beklagte zukommen, diese kann bei den Aufnahmen nachforschen und ggf. bei der Aufklärung des Schadenfalls helfen. Im Normalfall wird dies auch erfolgreich sein, da z. B. bei „Parkremplern“ regelmäßig das Kennzeichen des Unfallgegners zu sehen und die Tat dokumentiert sein dürfte.

Hier, so das LG, dürfte sich die eigentliche Beschädigungshandlung in zeitlich engen Grenzen gehalten haben. Insoweit hat der Kläger angegeben, dass der „relevante Abschnitt“, von dem er die Bildschirmfotos angefertigt hat, die mit der Klageschrift eingereicht wurden, lediglich neun Minuten lang ist. Bei einer solch kurzen Dauer stellt es nach Ansicht des LG keine Verfehlung der Beklagten dar, dass diese Handlungen nicht bemerkt oder gar verhindert wurden.

Quelle | LG Köln, Urteil vom 9.2.2023, 210 O 302/22

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Eilverfahren: Ehrverletzung durch herabwürdigenden Tweet

| Das Landgericht (LG) Frankfurt am Main hat entschieden: Betroffene können von Twitter verlangen, dass falsche oder ehrverletzende Tweets über sie gelöscht werden. Auch sinngemäße Kommentare mit identischem Äußerungskern muss Twitter entfernen, sobald das Unternehmen von der konkreten Persönlichkeitsrechtsverletzung Kenntnis erlangt. |

Das war geschehen

Im September 2022 erschienen auf Twitter diverse Kommentare, in denen wahrheitswidrig behauptet wurde, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg habe „eine Nähe zur Pädophilie“ und er habe „einen Seitensprung gemacht“. Außerdem wurde über ihn verbreitet, er sei in „antisemitische Skandale“ verstrickt und „Teil eines antisemitischen Packs“.

Landgericht: Behauptungen ehrenrührig und unwahr

Das LG stellte in einem Eilverfahren fest, dass diese ehrenrührigen Behauptungen unwahr sind. Die Bezeichnung als Antisemit sei zwar zunächst eine Meinungsäußerung. Sie sei aber jedenfalls in dem gewählten Kontext rechtswidrig, denn sie trage nicht zur öffentlichen Meinungsbildung bei und ziele erkennbar darauf ab, in emotionalisierender Form Stimmung gegen den Antisemitismusbeauftragten zu machen.

Auch sinngleiche Kommentare sind untersagt

Nachdem der Antisemitismusbeauftragte die Entfernung dieser Kommentare verlangt hat, hätte Twitter ihre Verbreitung unverzüglich unterlassen und einstellen müssen. Darüber hinaus entschied das LG: „Das Unterlassungsgebot greift nicht nur dann, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt wird, sondern auch, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß erneut veröffentlicht werden.“ Und weiter: „Die Äußerungen werden nicht in jeglichem Kontext untersagt. Betroffen sind nur solche Kommentare, die als gleichwertig anzusehen sind und die trotz gewisser Abweichungen einen identischen Äußerungskern aufweisen.“

Kein allgemeines Monitoring, sondern konkrete Prüfpflicht seitens Twitter

Twitter werde damit auch keine allgemeine Monitoring-Pflicht im Hinblick auf seine rund 237 Mio. Nutzer auferlegt. Eine Prüfpflicht bestehe nämlich nur hinsichtlich der konkret beanstandeten Persönlichkeitsrechtsverletzung. Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unterlassungsgebots zu, selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist. Twitter befindet sich damit in keiner anderen Situation, als wenn eine bestimmte Rechtsverletzung gemeldet wird. Auch in diesem Fall muss Twitter prüfen, ob diese Rechtsverletzung eine Löschung bedingt oder nicht, so das LG.

Über Fakten darf hingegen informiert werden

Als zulässig erachtete es indes die Äußerung eines Nutzers, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg sei in die jährlich vom Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles veröffentlichte Liste der größten Antisemiten weltweit aufgenommen worden. Unabhängig davon, ob die Aufnahme in diese Liste gerechtfertigt sei, dürfe darüber informiert werden. Dagegen müsse sich der Antisemitismusbeauftragte im öffentlichen Meinungskampf zur Wehr setzen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main angefochten werden.

Quelle | LG Frankfurt am Main, 14.12.2022, 2-03 O 325/22, PM vom 14.12.2022

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Verkehrsrecht

Bußgeldverfahren: Zugang zu Wartungs- und Reparaturunterlagen des Messgeräts

| Der Verfassungsgerichtshof (VGH) für das Land Baden-Württemberg hat entschieden: Der Betroffene in einem Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung hat einen Anspruch auf Einsicht in Wartungs- und Reparaturunterlagen des Geschwindigkeitsmessgeräts. Wird ihm dies verwehrt, liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vor. |

Das war geschehen

Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, als Kraftfahrzeugführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h überschritten zu haben. Ihm wurde deshalb zunächst mit Bußgeldbescheid und anschließend durch Urteil des Amtsgerichts (AG) eine Geldbuße in Höhe von 160 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot auferlegt. Während des Bußgeldverfahrens begehrte der Beschwerdeführer die Übermittlung der Ermittlungsakte, der Rohmessdaten sowie der Lebensakte und der Wartungs-/Reparatur-/Eichnachweise des Messgeräts. Die Bußgeldbehörde stellte dem Beschwerdeführer die Ermittlungsakte sowie einige der gewünschten Rohmessdaten zur Verfügung. Eine Einsicht in die Lebensakte und in die Wartungs-/Reparatur-/Eichnachweise des Messgeräts erhielt er nicht.

Amtsgericht und Oberlandesgericht verneinten Anspruch auf Akteneinsicht

Das Amtsgericht lehnte den wiederholten Einsichtsantrag in die o.g. Unterlagen sowie den Antrag auf Übermittlung der 126 Einzelmessdaten mit der Begründung ab, dass die Beweiserhebung als zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich anzusehen sei. Zudem bestehe kein Anspruch auf Beiziehung der Lebensakte sowie auf Bildung eines größeren Aktenbestandes, zumal eine Lebensakte nach den Angaben der Bußgeldbehörde nicht geführt werde. Das Oberlandesgericht (OLG) sah in der amtsgerichtlichen Entscheidung keine Rechtsfehler. Im Hinblick auf die Ablehnung der Beiziehung von Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichnachweisen des Messgeräts habe der Messbeamte als Zeuge angegeben, dass keine eichrelevanten Störungen oder Defekte aufgetreten seien, sodass das AG im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nicht verpflichtet gewesen sei, beim Verwender des Messgeräts Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen und sonstige Eingriffe anzufordern, zumal der Messbeamte solche auch verneint habe.

Verfassungsgerichtshof „kassierte“ Urteile

Der VGH: Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens aufgrund der unterbliebenen Einsichtsgewährung in die Wartungs- und Reparaturunterlagen rügt, zulässig und begründet. Das Urteil des AG sowie der Beschluss des OLG verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren, indem darin jeweils unter Annahme eines Gleichlaufs der gerichtlichen Aufklärungspflicht mit dem Einsichtsrecht des Betroffenen dessen Zugang zu den Wartungs-/Reparaturunterlagen des Messgeräts abgelehnt wurde.

Recht auf faires Verfahren

Wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festgestellt hat, folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Frage der gerichtlichen Aufklärungspflicht, sondern der Verteidigungsmöglichkeiten des Betroffenen. Im Rechtsstaat muss dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen. Dabei wendet sich das Gebot zur fairen Verfahrensgestaltung nicht nur an die Gerichte, sondern ist auch von allen anderen staatlichen Organen zu beachten, die auf den Gang eines Strafverfahrens Einfluss nehmen, demgemäß auch von der Exekutive, soweit sie sich rechtlich gehalten sieht, bestimmte Beweismittel nicht freizugeben. Ein rechtsstaatliches und faires Verfahren fordert daher „Waffengleichheit“ zwischen den Verfolgungsbehörden einerseits und dem Beschuldigten andererseits. Der Beschuldigte hat deshalb ein Recht auf möglichst frühzeitigen und umfassenden Zugang zu Beweismitteln und Ermittlungsvorgängen und auf die Vermittlung der erforderlichen materiell- und prozessrechtlichen Informationen, ohne die er seine Rechte nicht wirkungsvoll wahrnehmen könnte.

„Waffengleichheit“ für Beschuldigte gegenüber den Verfolgungsbehörden

Der Beschuldigte eines Strafverfahrens bzw. Betroffene eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens hat neben der Möglichkeit, prozessual im Wege von Beweisanträgen oder Beweisermittlungsanträgen auf den Gang der Hauptverhandlung Einfluss zu nehmen, grundsätzlich auch das Recht, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden. Dadurch werden seine Verteidigungsmöglichkeiten erweitert, weil er selbst nach Entlastungsmomenten suchen kann, die zwar fernliegen mögen, aber nicht schlechthin auszuschließen sind. Die möglicherweise außerhalb der Verfahrensakte gefundenen entlastenden Informationen können von der Verteidigung zur fundierten Begründung eines Antrags auf Beiziehung vor Gericht dargelegt werden. Der Betroffene kann so das Gericht, das von sich aus keine sachlich gebotene Veranlassung zur Beiziehung dieser Informationen sieht, auf dem Weg des Beweisantrags oder Beweisermittlungsantrags zur Heranziehung veranlassen.

Quelle | VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.1.2023, 1 VB 38/18, PM vom 16.1.2023

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Schadenminderungspflicht: Restwert: Versicherung hat keinen Anspruch auf „Abwarten“

| Oft schreiben Versicherungen Geschädigte an und appellieren „Verkaufen Sie Ihr beschädigtes Fahrzeug bitte nicht sofort zu dem im Gutachten angegebenen Restwert. Wir können Ihnen sicher ein besseres Angebot vermitteln. Bitte warten Sie unsere Nachricht ab, damit Ihnen keine Nachteile entstehen.“ So geschah es auch in einem Fall des Amtsgerichts (AG) Soest. Dieses hat nun hinsichtlich der Frage Klartext gesprochen, ob sich der Geschädigte daran halten muss. |

Nein so das AG. Solche Schreiben sind für Geschädigte ohne rechtliche Relevanz. Das gilt sogar auch, wenn es vor dem Verkauf des Unfallwagens eintrifft. Denn es gilt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Danach muss der Schädiger, will er die Schadenminderungspflicht aktivieren, dem Geschädigten eine Verwertungsmöglichkeit zeigen, die er ohne Weiteres realisieren kann. Auf „Abwarten“ des Geschädigten hat die Versicherung keinen Anspruch.

Quelle | AG Soest, Urteil vom 25.7.2022, 14 C 22/22, Abruf-Nr. 233295 unter www.iww.de

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Gewerblicher Verleih: Sondernutzungsgebühr für E-Scooter zulässig

| Die von der Stadt Köln festgesetzten Sondernutzungsgebühren für den Betrieb von gewerblichen Verleihsystemen für E-Scooter sind rechtmäßig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Köln entschieden. Damit hat es die Klagen von vier E-Scooter-Betreibern abgewiesen. Einen in diesem Zusammenhang gestellten Eilantrag hat das VG ebenfalls abgelehnt. |

Der Rat der Stadt Köln änderte im Mai 2022 die Sondernutzungssatzung und erließ neue Gebührentarife. Danach können Betreiber von E-Scooter-Verleihsystemen mit Gebühren von 85 bis 130 Euro pro Fahrzeug und Jahr belegt werden. Auf Grundlage der so geänderten Satzung setzte die Stadt Köln Ende Juli 2022 gegen die im Stadtgebiet aktiven Verleiher Gebühren in Höhe von bis zu 450.000 Euro fest. Sie begründete dies unter anderem damit, dass von ordnungswidrig auf Fuß- und Radwegen abgestellten E-Scootern erhebliche Beeinträchtigungen für die Allgemeinheit ausgingen.

Gegen die Gebührenbescheide erhoben vier E-Scooter-Verleiher Ende August 2022 jeweils Klage beim VG. Einer stellte zudem einen Eilantrag. Die Betreiber machen geltend, dass die Gebühren praktisch dazu führten, das Angebot von E-Scootern im Stadtgebiet zu verhindern. Dies widerspreche dem Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz (FaNaG NRW). Zudem seien die Gebühren unverhältnismäßig hoch im Vergleich zu denen für Leihfahrräder und Carsharing-Angeboten.

Dem ist das Gericht nicht gefolgt und hat zur Begründung ausgeführt: Die Gebühren tragen dem Umstand Rechnung, dass es infolge der Verleihsysteme der Klägerinnen immer wieder zu Behinderungen auf Fuß- und Radwegen durch nicht ordnungsgemäß abgestellte oder umgefallene E-Scooter kommt. Ähnliches kommt in Bezug auf Leihfahrräder seltener vor. Zudem leisten sowohl Bike- als auch Carsharing-Angebote einen größeren Beitrag zur Reduzierung des individuellen Autoverkehrs als E-Scooter. Die Gebühren führen auch nicht dazu, dass jegliche Form des E-Scooter-Verleihs unwirtschaftlich wird. Das FaNaG NRW bezweckt nicht den Schutz des spezifischen Geschäftsmodells der Klägerinnen.

Gegen die Urteile steht den Beteiligten die Berufung und gegen den Eilbeschluss die Beschwerde zu, über die jeweils das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster entscheiden würde.

Quelle | VG Köln, Urteil vom 11.1.2023, 21 K 4871/22, 21 K 4874/22, 21 K 4923/22, 21 K 5019/22, 21 L 1439/22, PM vom 11.1.2023

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Fehlende Kraftfahreignung: Zahlreiche Parkverstöße = Führerschein weg?

| Ein Kraftfahrer, der innerhalb eines Jahres zahlreiche Parkverstöße begeht, ist zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, sodass ihm die Fahrerlaubnis entzogen werden kann. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |

Ein Autofahrer hatte innerhalb eines Jahres 174 Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten anhängig. Darunter befanden sich 159 Parkverstöße und 15 Geschwindigkeitsüberschreitungen. Die Behörde hat dem Kläger daher die Fahrerlaubnis aufgrund fehlender Kraftfahreignung entzogen.

Das VG hat dies bestätigt. Auch eine große Zahl lediglich von Bagatellverstößen begründet die mangelnde Fahreignung. Die große Anzahl zeigt, dass der Kraftfahrer offensichtlich nicht willens ist, auch bloße Ordnungsvorschriften, die im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffen sind, einzuhalten, und er solche Vorschriften hartnäckig missachtet, wenn dies seinen persönlichen Interessen entspricht. Besonderes Gewicht haben diese Verstöße, wenn sie, wie hier, an einem bestimmten Ort gehäuft auftreten und der Fahrerlaubnisinhaber damit zu erkennen gibt, dass er seine persönlichen Interessen über das Allgemeinwohl stellt.

Der Autofahrer hatte zwar geltend gemacht, dass die Verstöße möglicherweise von Familienangehörigen begangen worden seien. Das half ihm aber nicht. Das VG: Auch derjenige ist charakterlich zum Führen eines Kfz ungeeignet, der durch zahlreiche ihm zugehende Bußgeldbescheide erfährt, dass Personen, die sein Fahrzeug benutzen, laufend gegen Verkehrsvorschriften verstoßen und nichts dagegen unternimmt.

Quelle | VG Berlin, Urteil vom 28.10.2022, 4 K 456/21, Abruf-Nr. 232803 unter www.iww.de

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Abschließende Hinweise

Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 06/2023

| Im Monat Juni 2023 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer (Monatszahler): 12.6.2023
  • Lohnsteuer (Monatszahler): 12.6.2023
  • Einkommensteuer (vierteljährlich): 12.6.2023
  • Kirchensteuer (vierteljährlich): 12.6.2023
  • Körperschaftsteuer (vierteljährlich): 12.6.2023

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 15.06.2023. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat Juni 2023 am 28.06.2023.

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Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum 30. Juni 2023 beträgt 1,62 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 6,62 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 10,62 Prozent*

* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 9,62 Prozent.

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.07.2022 bis 31.12.2022

-0,88 Prozent

01.01.2022 bis 30.06.2022

-0,88 Prozent

01.07.2021 bis 31.12.2021

-0,88 Prozent

01.01.2021 bis 30.06.2021

-0,88 Prozent

01.07.2020 bis 31.12.2020

-0,88 Prozent

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

01.01.2012 bis 30.06.2012

0,12 Prozent

01.07.2011 bis 31.12.2011

0,37 Prozent

01.01.2011 bis 30.06.2011

0,12 Prozent

01.07 2010 bis 31.12.2010

0,12 Prozent

01.01.2010 bis 30.06.2010

0,12 Prozent

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Würtemberger und Leßmann . Rechtsanwaltskanzlei . Pirnaer Straße 20 . 68309 Mannheim