News 08/2022



Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 08-2022:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und WEG

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Abschließende Hinweise

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Arbeitsrecht

Aufhebungsvertrag: Hohe Abfindung wirksam: Stadt kann 265.000 Euro nicht zurückfordern

| Die Stadt Iserlohn hat keinen Anspruch auf Rückzahlung einer Abfindung in Höhe von rund 265.000 Euro, die sie einem Verwaltungsangestellten im Rahmen eines Aufhebungsvertrags zugesagt und später auch gezahlt hat. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm entschieden. |

Das war geschehen

Der beklagte Verwaltungsanstellte war seit Januar 2008 bei der Stadt Iserlohn gegen ein monatliches Tarifentgelt in Höhe von rund 3.700 Euro brutto beschäftigt. Nach Differenzen mit Vorgesetzten u. a. wegen der Einführung eines neuen Schichtdienstmodells bot die Stadt diesem am 24.1.2019 die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei rund siebenmonatiger bezahlter Freistellung und gegen Zahlung einer Abfindung von 250.000 Euro zuzüglich Steigerungsbeträgen bei vorzeitiger Beendigung an. Bei Aufhebung letztlich zum 30.4. 2019 zahlte die Stadt eine Abfindung in Höhe von 264.800 Euro brutto.

Dann geschah Folgendes: Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein, das Amtsgericht (AG) Hagen ordnete einen Vermögensarrest gegen den beklagten Arbeitnehmer in Höhe der Zahlung an und die Kommunalaufsicht schritt ein. Gegen den im Kontext dieses Sachverhalts zurückgetretenen früheren Bürgermeister der Stadt Iserlohn, den damaligen Bereichsleiter Personal und den beklagten Arbeitnehmer ist zwischenzeitlich Anklage mit dem Tatvorwurf der Untreue bzw. der Beihilfe zur Untreue erhoben worden.

Arbeitsgericht: Aufhebungsvertrag unwirksam Rückzahlung der Abfindung

Der parallel zum Strafverfahren im April 2020 anhängig gemachten Klage der Stadt auf Rückzahlung der Abfindung gab das Arbeitsgericht (ArbG) Iserlohn statt. Der Aufhebungsvertrag sei nach dem Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG) NRW unwirksam. Die Stadt habe den Personalrat nicht ausreichend über die Inhalte des Aufhebungsvertrags informiert und insbesondere keine Angaben zur Höhe der Abfindung gemacht. Dies führe zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags und lasse den Rechtsgrund für die darauf geleisteten Zahlungen entfallen.

Nächste Instanz: Keine Unwirksamkeit durch Versäumnis der Stadt keine Rückzahlung

Dem folgte das LAG nach der kurzen mündlichen Urteilsbegründung am Schluss der Sitzung nicht. Die mangelhafte Beteiligung des Personalrats gehe auf ein Versäumnis der Stadt zurück, weshalb sich diese auf eine daraus folgende Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags nicht berufen könne. Es sei auch nicht erkennbar, dass der beklagte Arbeitnehmer mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrags gegen Strafgesetze oder die guten Sitten verstoßen habe. Dies könne nicht allein deshalb gefolgert werden, weil die Abfindung im Vergleich zu den Gepflogenheiten öffentlicher Arbeitgeber ungewöhnlich hoch war. Vielmehr habe dieser das ihm vorteilhaft erscheinende Angebot annehmen dürfen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) hat das LAG nicht zugelassen.

Quelle | LAG Hamm, Urteil vom 15.2,2022, 6 Sa 903/21, PM vom 15.2.2022

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Leiharbeit: Sachgrundlose Befristung nach Arbeitnehmerüberlassung

| Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat drei Entfristungsklagen von Arbeitnehmern bei der Volkswagen AG (VW) stattgegeben und in weiteren sieben Fällen die Berufung gegen die klageabweisenden Urteile zurückgewiesen. |

Die Kläger waren bei VW sachgrundlos vom 1.9.2019 bis zum 31.5.2020 beschäftigt. Zuvor bestanden Arbeitsverhältnisse seit Anfang September 2016 mit der Firma AutoVision. Diese ist mit der Beklagten wirtschaftlich verbunden, aber rechtlich selbstständig. Die Kläger waren von Beginn des Arbeitsverhältnisses zur Firma AutoVision von dieser als Leiharbeitnehmer bei VW eingesetzt. Die früheren Arbeitsverhältnisse waren zunächst befristet. Die Kläger und AutoVision verlängerten die Befristung zweimal. Die Kläger haben sich gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge Fristablaufs gewandt und Rechtsmissbrauch geltend gemacht. Sie waren der Auffassung, die Eingliederung bei VW aufgrund der Leiharbeit in dem früheren Zeitraum von nahezu drei Jahren habe gegen die europäische Richtlinie über Leiharbeit verstoßen.

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat sämtliche Klagen abgewiesen. In drei Verfahren hat das LAG der Berufung stattgegeben, weil auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien wegen fehlender Gewerkschaftszugehörigkeit der Kläger ein Tarifvertrag, der eine Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten vorsieht, nicht anzuwenden ist. Bei den übrigen, tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen hat das LAG die Überlassung als rechtswirksam angesehen. Es hat insbesondere keinen Verstoß gegen die europäische Richtlinie über Leiharbeit angenommen. Auch den Einwand des Rechtsmissbrauchs hat es verneint. Das LAG hat in allen Fällen die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.

Quelle | LAG Niedersachsen, Urteile vom 21.4.22, 5 Sa 97, 99, 372, 374, 375, 393, 395, 397, 398 und 401/21, PM vom 26.4.2022

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Fortbildungsvertrag: Rückzahlungsklausel in einer Fortbildungsvereinbarung

| Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung beteiligen muss, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, sind grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Es ist jedoch nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden. Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |

Eine Reha-Klink forderte von der Arbeitnehmerin die Kosten für die Fortbildung zum „Fachtherapeut Wunde ICW“ anteilig zurück, als diese sechs Monate vor Ablauf der Bindungsfrist kündigte. Die Arbeitnehmerin meinte, die entsprechende Klausel des Fortbildungsvertrags sei unwirksam. Sie enthalte eine unangemessene Benachteiligung, weil sie den Arbeitnehmer auch dann zur Rückzahlung verpflichte, wenn er unverschuldet dauerhaft nicht mehr in der Lage sei, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, und das Arbeitsverhältnis deshalb personenbedingt kündige. Das BAG pflichtete dem insgesamt bei. Dass sich die Investition in die Fortbildung eines Arbeitnehmers aufgrund unverschuldeter dauerhafter Leistungsunfähigkeit für ihn nicht amortisiere, sei dem unternehmerischen Risiko zuzurechnen, so das BAG.

Quelle | BAG, Urteil vom 1.3.2022, 9 AZR 260/21

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Praktikumstag: Arbeitsplatzbewerberin bei Betriebsbesichtigung gesetzlich unfallversichert

| Eine Arbeitsplatzbewerberin steht bei der Besichtigung des Unternehmens im Rahmen eines eintägigen unentgeltlichen „Kennenlern-Praktikums“ unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden. |

Die arbeitsuchende Klägerin absolvierte bei einem Unternehmen ein unentgeltliches eintägiges „Kennenlern-Praktikum“ auf der Grundlage einer „Kennenlern-/Praktikums-Vereinbarung“ mit diesem Unternehmen. Während des „Kennenlern-Praktikums“ fanden unter anderem Gespräche, eine Betriebsführung, ein fachlicher Austausch mit der IT-Abteilung und zum Abschluss die Besichtigung eines Hochregallagers statt. Bei der Besichtigung des Hochregallagers stürzte die Klägerin und brach sich den rechten Oberarm.

Anders als die beklagte Berufsgenossenschaft und die Vorinstanzen hat das BSG festgestellt, dass die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat. Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Unfalls Teilnehmerin einer Unternehmensbesichtigung. Teilnehmer einer Unternehmensbesichtigung sind nach der Satzung der beklagten Berufsgenossenschaft im Unterschied zu Satzungen anderer Unfallversicherungsträger unfallversichert.

Das eigene unversicherte Interesse der Klägerin am Kennenlernen des potenziellen zukünftigen Arbeitgebers steht dem Unfallversicherungsschutz kraft Satzung hier nicht entgegen. Die Satzungsregelung der Beklagten ist nicht auf Personen beschränkt, deren Aufenthalt im Unternehmen ausschließlich der Besichtigung dient. Unternehmer sollen vielmehr umfassend von Haftungsrisiken befreit werden, die durch erhöhte Gefahren bei Unternehmensbesuchen entstehen können.

Quelle | BSG, Urteil vom 31.3.2022, B 2 U 13/20 R, PM 12/2022

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Fristlose Kündigung: Azubis aufgepasst: Schwänzen kann riskant sein

| Ein Auszubildender hatte sich an seinem Prüfungstag krankgemeldet und blieb dem Nachholtermin seiner Abschlussprüfung fern. Dann absolvierte er ein intensives Krafttraining. Sein Arbeitgeber kündigte ihm daraufhin fristlos. Zu Recht, entschied nun das Arbeitsgericht (ArbG) Siegburg. |

Das ArbG: Der gesunde Auszubildende habe die Prüfung geschwänzt. Damit habe er seine arbeitsvertraglichen Pflichten schwer verletzt. In einem solchen Fall kann die fristlose Kündigung des Arbeitgebers rechtens sein. Für das ArbG war klar, dass der Auszubildende nicht krank gewesen war. Er wollte nur die Prüfung schwänzen. Das sei eine erhebliche Pflichtverletzung. Ein Kündigungsgrund liege also vor. Dem Arbeitgeber, einem Fitnessstudio, bei dem der Auszubildende eine Ausbildung als Sport- und Gesundheitstrainer absolvierte, sei es daher nicht zuzumuten, ihn bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. „Kein Auszubildender dürfe davon ausgehen, dass dessen Ausbilder es hinnimmt, falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt zu bekommen, um sich den anstehenden Prüfungen, insbesondere wenn es sich um eine Nachholprüfung handelt, zu entziehen“, so das ArbG. Es komme auch nicht darauf an, ob der angehende Sport- und Gesundheitstrainer sich die Krankschreibung erschlichen oder der Arzt sie ihm aus Gefälligkeit ausgestellt habe.

Quelle | ArbG Siegburg, Urteil vom 17.3.2022, 5 Ca 1849/21

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Baurecht

Wasserschaden: Bundesgerichtshof: Silikonfuge ist kein Wasserrohr

| Wasserschäden in Gebäuden, bei denen das Wasser nicht aus Rohren der Wasserversorgung ausgetreten ist, unterliegen nicht mehr der Regulierungspflicht der Wohngebäudeversicherungen. So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt. |

Diese Entscheidung des BGH hat auch Auswirkungen auf Bauherren: Sie bzw. ihre Bauplaner müssen künftig vermehrt prüfen, ob Wasserschäden ihre Ursache in Planungs- ober Überwachungsfehlern haben.

Diese Haftungsrisiken lassen sich minimieren, indem Bauherren und -planer sich verstärkt mit der Frage von sachgerechten Abdichtungen von solchen Bauteilen befassen, die nicht dem Versicherungsschutz unterliegen. Das sind vor allem Bauteilabdichtungen an Wänden, Böden oder Bauteilanschlüsse in Bädern, Duschen, Großküchen, Laboren und Kliniken.

Quelle | BGH, Urteil vom 20.10.2021, IV ZR 236/20, Abruf-Nr. 225880 unter www.iww.de

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Verkehrssicherungspflicht: Zerstörung des Wurzelgeflechts eines Baums des Nachbarn: Haftet der Bauherr?

| Bauherren müssen dafür sorgen, dass von ihrem Bauvorhaben keine Gefahren ausgehen, durch die Dritte Schäden erleiden können, da sie in erster Linie die Gefahrenquelle eröffnen. Diesen Grundsatz hat das Landgericht (LG) Karlsruhe jetzt noch einmal bekräftigt. |

Bauherren werden von ihrer Verkehrssicherungspflicht auch nicht befreit, wenn sie die Bauplanung, -aufsicht und -ausführung einem bewährten Architekten und einem zuverlässigen und leistungsfähigen Bauunternehmer übertragen. Voraussetzung: Die Gefahrenlage muss für sie erkennbar sein.

Folge: Sie sind dann dafür verantwortlich, wenn durch Aushub der Baugrube am Grundstücksrand das Wurzelgeflecht eines Nussbaums auf dem Nachbargrundstück so verletzt wird, dass er gefällt werden muss.

Jedenfalls muss der Bauherr darlegen, inwiefern er sich im Einzelfall durch Verhandlung mit den Bauunternehmern oder dem Architekten vergewissert hat, dass die ihm obliegende Pflicht durch jene auch wirklich erfüllt wird. Diese Darlegung ist zu prüfen und zu würdigen, ob die gebotenen Maßnahmen aus den Auflagen der Baugenehmigung auch sichergestellt sind.

Zudem betonte das LG: Bauherren müssen klarstellen, inwiefern sie sich im Einzelfall durch Verhandlung mit Bauunternehmen oder Architekten vergewissert haben, dass die ihn treffenden Pflichten durch diese auch tatsächlich erfüllt wurden.

Im Fall des LG waren die Bauherren, ein Ehepaar, beide Architekten. Diese sind folglich keine Laien. Aufgrund ihrer Ausbildung und Berufserfahrung mussten sie beim Hausbau die Bedeutung des Schutzes der Nachbargrundstücke beim Aushub zum Hausbau kennen.

Quelle | LG Karlsruhe, Urteil vom 4.2.2022, 6 O 280/19

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Bauhandwerkersicherung: 14-Tages-Frist kann zu kurz sein!

| Unternehmer können von ihrem Auftraggeber Sicherheit für das gesamte noch nicht gezahlte Honorar verlangen zzgl. zehn Prozent für Nebenforderungen. Sie können kündigen, wenn der Bauherr die Sicherheit nicht innerhalb einer von ihnen vorgegebenen angemessenen Frist stellt. Doch was heißt „angemessen“? Hierzu hat das Landgericht (LG) Neuruppin nun eine bemerkenswerte Feststellung getroffen. |

Bisher ging man davon aus, dass „angemessen“ fünf bis acht Tage heißt. Aber selbst eine Frist von 14 Tagen kann noch zu kurz sein. Welche Frist angemessen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmen. Bei der Prüfung, ob eine angemessene Frist zur Sicherheitsleistung vorliegt, muss in die Erwägung einfließen, ob die Rechtslage klar ist. Auch ist die Beschaffung einer Bürgschaft nicht an Wochenenden möglich. Eine gesetzte Frist von 14 Tagen kann daher unangemessen kurz sein, wenn dem Auftraggeber lediglich neun Tage zur Verfügung stehen, um die geforderte Sicherheit zu stellen.

Quelle | LG Neuruppin, Beschluss vom 21.2.2022, 1 O 44/21

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Bauausführung: Mehrmengen müssen bezahlt werden

| Nicht immer treffen Mengenermittlungen zu, die das Planungsbüro im Zuge der Leistungsphase 6 erarbeiten muss. Das gilt vor allem, wenn zum Zeitpunkt der Berechnung noch nicht alle Planungsgrundlagen vorgelegen haben. Dann kann der Auftragnehmer Mehrmengen, die beim Bodenaustausch angefallen sind, abrechnen, ohne den Auftraggeber vorher darüber informieren zu müssen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) München im Einvernehmen mit dem Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |

Sind ohne ändernde Anordnung des Auftraggebers lediglich Mehrmengen zu bewältigen, weil die Mengenangabe im Leistungsverzeichnis falsch war, handelt es sich nicht um Zusatzleistungen nach der VOB/B. Denn trotz der ungenauen Mengenangabe war die in der Leistungsverzeichnis-Position beschriebene Leistung vereinbart und auch notwendig. Im Ergebnis muss der Auftraggeber die Mengenmehrung hinnehmen und die Mehrmengen nach dem vertraglich vereinbarten Einheitspreis vergüten.

Quelle | OLG München, Beschluss vom 13.5.2019, 28 U 3906/18 Bau, Abruf-Nr. 228725 unter www.iww.de; rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BGH, Beschluss vom 5.5.2021, VII ZR 132/19

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Bauvertrag: Abweichungen von der vertraglich zugesicherten Eigenschaft

| Ein Bauherr muss Abweichungen von den vertraglich zugesicherten Eigenschaften nicht hinnehmen. Das gilt, selbst wenn die Ausführung im Ergebnis mangelfrei ist. Will der Auftragnehmer vom Vertrag abweichen, muss er den Auftraggeber unbedingt beteiligen. Dieser muss zustimmen. Das hatte das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig schon 2020 klargestellt. Da der Bundesgerichtshof (BGH) die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hat, ist der OLG-Beschluss nun rechtskräftig. |

Quelle | BGH, Beschluss vom 21.7.2021, VII ZR 325/20; OLG Schleswig, Beschluss vom 2.12.2020, 12 U 66/20

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Familien- und Erbrecht

Familienkasse: Trotz privater Rentenversicherung: Kindergeld für behindertes Kind?

| Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg entschied in einem Fall eines behinderten Kindes: Bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel ist nur der steuerpflichtige Ertragsanteil einer privaten Rente zu berücksichtigen. Das FG setzte sich außerdem mit verfahrensrechtlichen Fragen dem Bekanntgabezeitpunkt bei Einschaltung eines privaten Postdienstleisters und der von der beklagten Familienkasse angewandten Änderungsnorm auseinander. |

Das war geschehen

Die beklagte Familienkasse hatte für den Streitzeitraum Dezember 2019 bis Juli 2021 Kindergeld festgesetzt. Sie hob diese Festsetzung mit Bescheiden vom März 2021 auf. Der Kindsvater machte geltend, es gebe keine Änderungsnorm. Die Verhältnisse hätten sich nicht geändert. Außerdem habe die Familienkasse die Einkünfte und Bezüge des Kindes fehlerhaft berechnet. Dessen Erbschaft von der Mutter sei zweckgebunden gewesen und zum Abschluss einer privaten Rentenversicherung verwendet worden. Die abweisende Einspruchsentscheidung datiert vom 28.7.2021, der Absendevermerk vom 29.7.2021. Die Familienkasse schilderte die interne Organisation der Postaufgabe unter Einschaltung eines privaten Postdienstleisters. Nach den Angaben des Vertreters des Klägers ging ihm die Einspruchsentscheidung am 3.8.2021 zu. Seine Klage vom 3.9.2021 sei fristgemäß.

Beachten Sie | Kindergeld wird einem Kind gewährt, das wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahrs eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Infolgedessen kommt es darauf an, ob das Kind seinen existenziellen Lebensbedarf mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln decken kann.

Finanzgericht: Monatsfrist gewahrt

Die Klage hatte Erfolg. Das FG entschied, die Klage sei innerhalb der Monatsfrist erhoben worden. Ein Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an die Postausgangsstelle weiterleite, reiche nicht aus. Erforderlich sei ein Absendevermerk der Poststelle. Die Schilderungen der organisatorischen Abwicklung lasse zwar auf eine Postaufgabe am 29.7.2021 schließen. Die Zugangsfiktion am dritten Tag sei jedoch erschüttert. Der Verfahrensablauf des Postdienstleisters sei nicht bekannt, ein tatsächlicher Zugang am 3.8.2021 möglich und die Klage zulässig.

Keine Änderung in den Verhältnissen

Änderungen in den einen Kindergeldanspruch begründenden Verhältnissen habe es nicht gegeben. Die Familienkasse habe bereits bei der Kindergeldfestsetzung Kenntnis von der privaten Rente des Kindes gehabt. Der (rückwirkende) Aufhebungsbescheid sei daher rechtswidrig.

Kindergeldberechtigung liegt vor

Außerdem sei der Kläger kindergeldberechtigt. Sein Kind sei nicht imstande, sich selbst zu unterhalten. Es sei „(neben den Einkünften aus Kapitalvermögen) nur der steuerpflichtige Ertragsanteil der privaten Rente zu berücksichtigen“. Es komme auf die Einkünfte und Bezüge im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) an. Laufende oder einmalige Geldzuwendungen von Eltern seien unschädliches Kindesvermögen. Es dürfe keinen Unterschied machen, wie das Kind das ererbte Vermögen verwende, ob es die geerbten Mittel abhebe oder mit diesen eine private Lebensversicherung abschließe und die Rente zum Lebensunterhalt einsetze. Nichts anderes gelte, wenn das Kind den von der Mutter geerbten Geldbetrag vor Abschluss der privaten Rentenversicherung um (im Verhältnis zum geerbten Vermögen geringe) eigene Mittel aufstocke. Die monatlichen Rentenzahlungen stellten, soweit sie deren steuerpflichtigen Ertragsanteil überstiegen, eine unbeachtliche Vermögensumschichtung dar. Die nach dem EStG ermittelten zur Verfügung stehenden Mittel des Kinds deckten damit dessen existenziellen Lebensbedarf nicht. Die Aufnahme einer Erwerbsfähigkeit scheide aufgrund der Behinderung aus. Werde der Aufhebungsbescheid vom 10.3.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufgehoben, lebe die Kindergeldfestsetzung wieder auf.

Das FG ließ die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) zu.

Quelle | FG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.4.2022, 1 K 2137/21

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Zwangsgeld: Welche Anforderungen muss die Abrechnung des Betreuers erfüllen?

| Ein Betreuer muss die Einnahmen und Ausgaben im Rechnungsjahr schriftlich so klar und übersichtlich darstellen, dass das Gericht ohne Zuziehen von Sachverständigen einen Überblick über alle Vorgänge erhält. Das sagt das Landgericht (LG) Meinigen. |

Im Streitfall war vom Amtsgericht (AG) für eine Person ein berufsmäßiger Betreuer bestellt worden. Zu seinem Aufgabenkreis zählt u.a. die Vermögenssorge. Er weigerte sich trotz gerichtlicher Anordnung, Unterlagen und Belege für Kontobewegungen vorzulegen. Deshalb wurde ihm ein Zwangsgeld auferlegt. Er legte gerichtliche Beschwerde ein. Damit hatte er keinen Erfolg.

Das LG stellte fest: Der Betreuer muss über den Ab- und Zugang des Vermögens Auskunft geben. Belege muss er hinzufügen, soweit solche erteilt zu werden pflegen. Allein die Vorlage einer Schlussrechnungsaufstellung gemeinsam mit Kontoauszügen, aus denen sich die in der Schlussrechnung aufgeführten Ein- und Auszahlungen ergeben, reicht hierfür nicht aus. Grund: Aus den Kontoauszügen ergibt sich nur, wann welcher Betrag an welchen Empfänger ausgezahlt wurde. Die Grundlage der Auszahlung ist für das Gericht daraus aber nicht erkenn- und überprüfbar, z. B. ob der Betroffene überhaupt Schuldner einer Forderung war.

Die Entscheidung des LG ist vor allem zu beachten, wenn eine Betreuung mit dem Tod des Betreuten endet, da dieser dann nicht mehr zur Begründetheit einer Ausgabe, deren Zweckmäßigkeit oder Notwendigkeit befragt werden kann.

Quelle | LG Meiningen, Beschluss vom 23.9.2021, 4 T 184/21, Abruf-Nr. 229602 unter www.iww.de

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Erbauseinandersetzung: Eidesstattliche Versicherung bei einem notariellen Nachlassverzeichnis?

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt die umstrittene Frage entschieden, ob der Pflichtteilsberechtigte vom Erben die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung auch verlangen kann, wenn die Vollständigkeit der Angaben in einem notariellen Nachlassverzeichnis an Eides statt versichert werden soll. |

Das Berufungsgericht meinte, der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung sei bei Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses auf die Angaben beschränkt, die als solche des Erben gekennzeichnet sind. Das sah der BGH anders.

Eine derartige Beschränkung ist nach dem BGH nicht anzunehmen. Maßgebend für die Verpflichtung des Erben zur Abgabe einer unbeschränkten eidesstattlichen Versicherung sei der Sinn und Zweck des notariellen Nachlassverzeichnisses. Hält der Erbe Ergänzungen oder Berichtigungen des notariellen Verzeichnisses für erforderlich, ist die an Eides statt zu versichernde Formel entsprechend anzupassen.

Quelle | BGH, Urteil vom 1.12.2021, IV ZR 189/20, Abruf-Nr. 226533 unter www.iww.de

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Erbrecht: Anwesenheitserfordernis für Nottestamente gilt auch während der Pandemie

| Trotz pandemiebedingter Kontaktbeschränkungen ist ein Nottestament nur wirksam, wenn während des gesamten Errichtungsakts gleichzeitig drei Zeugen anwesend sind. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. |

Mit handschriftlich errichtetem Testament bestimmte ein Erblasser drei Personen (P. 1 bis P. 3). zu jeweils gleichen Anteilen zu seinen Erben. Mit einem weiteren Testament, überschrieben als Nottestament, geschrieben von P. 3 sowie unterschrieben vom Erblasser und von drei Zeugen, setzte der Erblasser P. 3 zur Alleinerbin ein. Gestützt auf das erste Testament hatte P. 1 einen die P. 1 bis P. 3 als Miterben zu je 1/3-Anteil ausweisenden Erbschein beantragt. Dem ist P. 3 unter Berufung auf das zweite Testament entgegengetreten. Denn die Voraussetzungen für die Errichtung eines Nottestaments hätten vorgelegen. Der Erblasser habe aufgrund seiner fortgeschrittenen Krebserkrankung befürchtet, alsbald in einen Zustand zu verfallen, in dem er nicht mehr in der Lage sein würde, ein Testament zu errichten, und in der Folge zu versterben. Ein Notar sei nicht erreichbar gewesen.

Das Nachlassgericht hielt das „Nottestament“ nicht für wirksam, weil die das Testament mitunterzeichnenden Zeugen nicht gleichzeitig anwesend gewesen seien. Sie hätten die Niederschrift nacheinander und jeweils einzeln dem Erblasser vorgelesen und den Text unterschrieben. Die hiergegen eingelegte Beschwerde lag nun dem OLG Düsseldorf vor.

Das OLG pflichtete der Entscheidung des Nachlassgerichts bei. Der vom Nachlassgericht eingenommene Rechtsstandpunkt, ein Nottestament verlange die gleichzeitige Anwesenheit von drei Zeugen während des gesamten Errichtungsakts, entspreche der einhellig in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung. Anlass, hiervon aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen abzuweichen, bestünde nicht.

Die Vorschriften über den Errichtungsakt seien zwingend (Formulierung „muss“) und schon grundsätzlich nicht ausnahmefähig. Ihre Bedeutung liege darin, dass durch möglichst klare und unmissverständliche Wiedergabe der Erklärungen des Erblassers und persönliche Anwesenheit der Zeugen dessen letzter Wille sowohl zum Ausdruck als auch zur Geltung gebracht werden soll.

Quelle | OLG Düsseldorf, Urteil vom 6.1.2022, I-3 Wx 216/21, Abruf-Nr. 228060 unter www.iww.de

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Mietrecht und WEG

Energieversorgungsvertrag: Energielieferung: Vertragspartner ist (meist) der Mieter

| Der Energieversorgungsvertrag kommt regelmäßig mit demjenigen zustande, der die tatsächliche Verfügungsgewalt am Übergabepunkt ausübt. Dies ist regelmäßig der Mieter oder Pächter, dem die sog. „tatsächliche Verfügungsgewalt“ vertraglich eingeräumt ist. Das gilt, unabhängig davon, ob dies dem Energieversorger bekannt ist oder nicht. So hat es das Landgericht (LG) Amberg entschieden. |

Rechnung über 20.000 Euro

Ein Energieversorger verlangte vom Hauseigentümer, rund 20.000 Euro für die Lieferung von Gas über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren zu zahlen. Für die beiden Mieter des Hauses gab es nur einen Gaszähler. Ein schriftlicher Vertrag bestand nicht. Der Versorger ist der Ansicht, durch die Entnahme von Gas sei ein Versorgungsvertrag mit dem Eigentümer zustande gekommen.

Landgericht: Kein bestehendes Vertragsverhältnis

Dem widersprach das LG. Denn zwischen den Parteien besteht kein Energieversorgungsvertrag. Zwar könne der Versorgungsvertrag durch Annahme der sog. „Realofferte“ zustande kommen. Der Eigentümer sei aber schon nicht Adressat der Realofferte gewesen. Das sei nämlich derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt, was auch ein Mieter oder Pächter sein könne. Dabei sei es unerheblich, ob dem Energieversorger die Identität des Inhabers der tatsächlichen Verfügungsgewalt bekannt ist. Bei der Bestimmung des Angebotsadressaten komme es maßgebend darauf an, wer die Energie verbraucht. Der Vertrag soll nämlich regelmäßig gerade mit der Person begründet werden, die aufgrund ihrer tatsächlichen Verfügungsgewalt die offerierte Energie auch entnehmen kann. Ist eine Wohnung vermietet, hat diese Möglichkeit typischerweise der Mieter.

Unerheblich, dass es nur einen Zähler gibt

Nach diesen Maßstäben habe sich die „Realofferte“ an die beiden Mieter der Wohnungen gerichtet. Daran ändere nichts, dass im Gebäude nur ein Zähler existiert, sodass sich der konkrete Gasverbrauch nur schwer einer Wohnung zuordnen lasse. Denn selbst, wenn der Eigentümer die Verteilung von Gas aus einem Anschluss auf zwei Wohnungen in der Art einer Weichenstellung ermöglicht oder herbeigeführt haben sollte, würde dies keine konkludente Annahme durch ihn darstellen, weil er allein durch die Leitungsführung noch kein Gas entnommen hat und Gas auf diese Weise auch generell nicht entnommen wird.

Quelle | LG Amberg, Urteil vom 6.9.2021, 22 O 828/20

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Mietnebenkosten: Kosten für Rauchmelder-Miete nicht umlegbar

| Die jährliche Betriebskostenabrechnung führt häufig zu Meinungsdifferenzen zwischen Mietern und Vermietern. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich jetzt mit dem Thema Rauchwarnmelder beschäftigt und stellt fest: Bei den Kosten für die Miete von Rauchwarnmeldern handelt es sich nicht um sonstige Betriebskosten im Sinne der Betriebskostenverordnung (hier: § 2 Nr. 17 BetrKV), sondern um betriebskostenrechtlich nicht umlagefähige Aufwendungen. Grund: Sie sind den Kosten für den Erwerb von Rauchwarnmeldern gleichzusetzen. |

Eine Vermieterin verklagte die Mieterin, 221 Euro für Miete und Wartung eines Rauchmelders zu zahlen. Zwar waren solche Kosten im Mietvertrag nicht genannt. Der Vermieterin war aber vertraglich erlaubt, für künftige Abrechnungszeiträume zusätzlich zu den Betriebskosten „auch solche [...] nach Anlage 3 zu § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung [...] auf den Mieter umzulegen und mit diesem abzurechnen, die derzeit nicht anfallen, aber später entstehen oder zukünftig vom Gesetzgeber neu eingeführt werden.“

Vor etwa sieben Jahren kündigte sie an, alle Wohnungen mit Rauchwarnmeldern auszustatten, und teilte die künftig voraussichtlich anfallenden Kosten für deren Miete und Wartung mit. In der Folge rechnete sie diese Beträge auch gegenüber den Mietern ab. Die Mieterin weigerte sich jedoch, zu zahlen.

Zwar hat der BGH die Sache wieder an das LG zurückgegeben. Er wies aber vorsorglich auf Folgendes hin: Bei den Kosten für die Miete von Rauchwarnmeldern wäre es nicht mit dem Willen des Verordnungsgebers (der Betriebskostenverordnung) zu vereinbaren, würde man die vom Vermieter statt eines Kaufs gewählte Miete von Rauchwarnmeldern im Gegensatz zu den Anschaffungskosten als umlagefähige (sonstige) Betriebskosten einordnen. Vom Grundsatz her müsse der Vermieter diese Kosten tragen. Dies soll er nicht umgehen können, wenn er die Geräte kaufe, statt sie zu mieten.

Quelle | BGH, Urteil vom 11.5.2022, VIII ZR 379/2

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Prüffähigkeit: Position „Hausstrom“ ist bei der Betriebskostenabrechnung formell unwirksam

| Enthält eine Betriebskostenabrechnung die bloße Position „Hausstrom“, ist die Abrechnung dieser Position formell unwirksam. Das stellte nun das Amtsgericht (AG) Hamburg klar. |

Maßgeblich für die formelle Wirksamkeit einer Betriebskostenabrechnung ist deren Nachvollziehbarkeit und Prüffähigkeit für den Mieter. Notwendig, aber auch ausreichend ist es, dass der Mieter die ihm angelasteten Kosten bereits aus der Abrechnung klar ersehen und überprüfen kann, sodass die Einsichtnahme in dafür vorhandene Belege nur noch zur Kontrolle und zur Beseitigung von Zweifeln erforderlich ist.

Rechnet der Vermieter nur die Position „Hausstrom“ ab, ist dies formell unwirksam. Denn die Betriebskostenverordnung sagt, dass nur die (Strom-)Kosten für die Beleuchtung umlagefähig sind. Die Abrechnungsposition „Hausstrom“ kann aber auch andere Kostenarten enthalten, wie etwa den Stromverbrauch einer Gemeinschaftsanlage oder sonstiger Verbrauchsstellen. Sie stellt damit potenziell eine intransparente und damit unzulässige Mischposition dar. Die Abrechnungsposition ist für den Mieter nicht prüffähig, weil sie nicht erkennen lässt, auf welche Verbrauchsstelle(n) die umgelegten Stromkosten entfallen.

Quelle | AG Hamburg, Urteil vom 3.3.2022, 48 C 320/20

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Verbraucherrecht

Parken: Haftung für ein im starken Sturm umgestürztes Baustellenschild

| In jüngster Zeit häufen sich stürmische Wetterlagen, bei denen auch Schäden an geparkten Autos entstehen. Mit einem solchen Fall beschäftigte sich das Landgericht (LG) Köln. Ein Anwohner in Köln hatte von der Stadt Schadenersatz für Schäden an seinem Auto verlangt, auf das ein Verkehrsschild durch einen Sturm gerissen worden war. Das LG wies seinen Anspruch ab. |

Das war geschehen

Der Kläger hatte seinen Wagen am Vorabend eines Sturms vor seinem Haus in Köln geparkt. Etwa an dieser Stelle hatte eine von der Stadt beauftragte Firma einige Wochen zuvor Arbeiten auf der Fahrbahn durchführen lassen. In diesem Zusammenhang veranlasste das Unternehmen selbst das Aufstellen und Entfernen der Baustellenschilder. In dieser Nacht herrschte in Köln ein Sturm mit der Windstärke 11.

Anwohner: Baustellenschild war nicht ordnungsgemäß gesichert

Der Kläger behauptet, sein Fahrzeug sei durch ein umgefallenes Baustellenschild beschädigt worden. Das Schild sei mit Beginn der Bauarbeiten vor dem Haus des Klägers aufgestellt worden. Offensichtlich sei es vergessen worden. Dies stelle einen eklatanten Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflichten der beklagten Stadt dar. Das Schild sei zudem nicht ordnungsgemäß gesichert gewesen. Durch die Beschädigungen durch das umgefallene Schild seien ein Schaden an seinem Fahrzeug von rund 2.000 Euro sowie Gutachterkosten von rund 640 Euro entstanden.

Stadtverwaltung: Kläger wusste von Wetterlage

Die beklagte Stadt lehnte es ab, Schadenersatz zu zahlen. Die Baufirma habe alle Schilder nach Abschluss der Arbeiten beseitigt. Auch sei das Straßenschild ausreichend befestigt gewesen. Den Kläger treffe ein Mitverschulden, weil er zu nahe an dem Verkehrsschild geparkt habe und die Wetterlage vor dem Schadensereignis bekannt gewesen sei.

Beweisaufnahme durch Gutachen

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war das LG nicht davon überzeugt, dass die beklagte Stadt eine ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Insbesondere habe die Baufirma das Verkehrsschild ordnungsgemäß aufgestellt und gesichert. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten festgestellt, dass das Schild mit einer Aufstellhöhe von mehr als 1,50 Metern regelgerecht durch zwei Fußplatten gesichert worden sei. Auch sei die Ausrichtung des Schildes korrekt gewesen, weil die Längsseiten der Fußplatten im 90-Grad-Winkel zum angebrachten Verkehrszeichen gestanden hätten.

Landgericht: Sicherung bis Windstärke 8 gegeben

Die maßgeblichen Sicherheitsvorschriften seien eingehalten worden. Bis zu einer Windstärke 8 wäre das Schild mit dieser Sicherung nicht umgefallen. Wenn der Wind aber mit einer mittleren Windgeschwindigkeit der Windstärke 12 auf das Schild wirke, kippe es trotz ordnungsgemäßer Sicherung um. Es komme daher nicht auf die tatsächliche Windstärke am Schadenstag an. Das LG hat die Klage daher abgewiesen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Quelle | LG Köln, Urteil vom 11.2.2022, 5 O 313/19, PM 2/2022

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Erwerbsunfähigkeitsrente: Wenn der Versicherte den eigenen Pkw abschafft

| Schaffen wegeunfähige Versicherte ihren Pkw ab, haben sie Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, weil allein auf die tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel und Beförderungsmöglichkeiten abgestellt werden darf. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschieden. |

Ein Versicherter hat u.a. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn er nicht mehr wegefähig ist. Dies setzt voraus, dass er nicht viermal am Tag Wegstrecken von über 500 Metern innerhalb von 20 Minuten zu Fuß bewältigen und ferner zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Die wegeunfähige Klägerin begehrte vergeblich vom beklagten Rentenversicherungsträger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie verfügte über eine Fahrerlaubnis und einen Pkw, den sie während des späteren Klageverfahrens abschaffte. Das Sozialgericht (SG) Köln gab ihrer Klage statt.

Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität sei Teil des versicherten Risikos. Es habe sich infolge der gesundheitlichen (Geh-)Einschränkungen in dem Zeitpunkt verwirklicht, in dem die Klägerin diese nicht mehr durch den jederzeitigen, tatsächlichen Zugriff auf einen ihr zur Verfügung stehenden Pkw zumutbar habe beseitigen können. Es komme nicht darauf an, ob die Abschaffung auf einer (subjektiv empfundenen) Fahrunsicherheit, technischen Umständen (beispielsweise Ablauf des TÜV) oder wirtschaftlichen Erwägungen beruhe.

Ein Ausschluss des Anspruchs lasse sich nicht begründen. Zwar stehe ein solcher Personen nicht zu, wenn sie die für die Rentenleistung erforderliche gesundheitliche Beeinträchtigung absichtlich herbeigeführt hätten. Die Klägerin habe ihre Gesundheitsbeeinträchtigungen aber nicht vorsätzlich herbeigeführt. Ihre weitgehend eingeschränkte Gehfähigkeit habe unverschuldet und unabhängig von der Abschaffung des Pkw bestanden. Diese sei keine rentenschädliche Herbeiführung des Versicherungsfalls, weil Versicherte auf diese Weise nicht die dafür relevante gesundheitliche Einschränkung absichtlich herbeiführten. Es bestehe für sie mangels Rechtsgrundlage auch keine Obliegenheit, den Pkw zu behalten, um das versicherte Risiko nicht eintreten zu lassen.

Das Urteil ist rechtskräftig. Die Beklagte hat ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgenommen.

Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8.10.2021, L 4 R 1015/20, PM des LSG

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Immobilienkaufvertrag: Schuldrechtliches Wegerecht ist nicht kündbar

| Bei einem zugunsten von Bewohnern eines Nachbargrundstücks schuldrechtlich begründeten Wegerecht ist davon auszugehen, dass dieses nicht gekündigt und ohne Zustimmung der Nachbarn nicht aufgehoben werden darf. So sieht es das Landgericht (LG) Aachen. |

Immobilienkäufer vereinbarten im Vertrag mit den Verkäufern ein Wegerecht zugunsten der Nachbarn. Sie verpflichteten sich, einen neben dem Haus und über den Hof verlaufenden Weg weiterhin zu dulden, offenzuhalten, zu unterhalten und die Benutzung durch die jeweiligen Bewohner der benachbarten Mittelwohnung zu gestatten und diese Verpflichtung an etwaige Rechtsnachfolger zu übergeben. Eine einseitige Beendigung durch die Käufer war ausgeschlossen. Die Käufer kündigten später das Wegerecht und verlangten Herausgabe des Gartentorschlüssels sowie festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sind, den Zugang zu ihrem Grundstück für die Nachbarn zu erhalten. Sie blieben in zwei Instanzen erfolglos.

Zunächst stellte das LG fest: Das Wegerecht ist durch den Kaufvertrag als echter Vertrag zugunsten der Nachbarn wirksam eingeräumt worden. Dass ein eigenes Leistungsrecht und somit ein echter Vertrag zugunsten Dritter vorliegt, war dem Vertragszweck zu entnehmen. Der bestehende Zustand, dass die beklagten Nachbarn ihren Garten auch über das Grundstück der Käufer verlassen konnten, sollte aufrechterhalten und auch an Rechtsnachfolger weitergegeben werden. Damit sollten die Nachbarn begünstigt und berechtigt werden, das schuldrechtlich begründete Wegerecht durchzusetzen.

Das LG: Der Kündigungsausschluss ist auch wirksam. Die Vereinbarung des Wegerechts erfolgte unentgeltlich und ist als Leihvertrag zu werten. Ein Leihvertrag kennt grundsätzlich keine Bindungsgrenze. Die Vereinbarung der Käufer mit den Voreigentümern ist auch nicht als Übernahme einer bestehenden Verpflichtung auszulegen, sondern als Neubegründung einer eigenen Verpflichtung zugunsten Dritter.

Quelle | LG Aachen, Urteil vom 5.8.2021, 3 S 2/21

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Ordnungsbehörde: Nutzungsentschädigung, wenn die Wohnung für Flüchtlinge beschlagnahmt wird

| Beschlagnahmt die Ordnungsbehörde Wohnungen für die Erstunterkunft von Flüchtlingen, muss sie für die Zeit der Beschlagnahme sowie einer anschließenden Zeit für die Instandsetzung eine Nutzungsentschädigung leisten. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. |

Grundlage der Entscheidung war das Ordnungsbehördengesetz NRW. Das OLG: Das Nutzungsentgelt bemesse sich zunächst in Höhe des gewöhnlichen Nutzungsentgelts, also der sonst am Markt zu erzielenden Miete, die das Gericht schätzen könne. Streitig war, ob der Eigentümer zusätzlich für die Instandsetzung nach dem Ende der Beschlagnahme zu entschädigen ist. Einerseits standen die Instandsetzungskosten selbst im Raum, dann aber auch der Mietausfall für die Zeit der Instandsetzung. Das OLG hält beide Positionen für erstattungsfähig, da sie bei der Unterbringung von Flüchtlingen in der hoheitlichen Maßnahme angelegt seien.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 2.3.2022, 11 U 84/21

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Prämiensparverträge: Unkalkulierbare Zinsanpassungsklauseln sind unwirksam

| Bei S-Prämiensparverträgen ist eine von der Sparkasse gestellte Vertragsklausel, die die Ausgestaltung der als solche wirksam vereinbarten variablen Verzinsung der Sparkasse durch Aushang überlässt, unwirksam, da sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden. |

Das OLG gesteht jedoch zu: Durch die Unwirksamkeit der Klausel entstehe eine Vertragslücke. Diese könne aber durch die Verzinsung nach Maßgabe der typischen Vorstellungen der an Geschäften gleicher Art beteiligten Verkehrskreise geschlossen werden. Mit seiner Entscheidung sieht sich das OLG im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 13.4.2022, 5 U 1973/20, Abruf-Nr. 229610 unter www.iww.de

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Schmerzensgeld: Sturz, weil der Buggy den Briefkasten blockierte

| Kann jemand Schmerzensgeld verlangen, der stürzt, weil er einen Kinderwagen beiseiteschiebt, um an seinen Briefkasten zu gelangen? Nein, sagt das Landgericht (LG) Koblenz. |

Das war geschehen

Im Streitfall ging es um eine Mieterin in einem Mehrfamilienhaus, die eine andere Mieterin und ihre Vermieterin auf Schmerzensgeld verklagte. Zur Hauseingangstür gelangt man über einen etwa vier Quadratmeter großen Treppenabsatz, über dem die Briefkästen der Hausbewohner angebracht sind. Die beklagte Mieterin stellte auf diesem Treppenabsatz regelmäßig einen Kinderwagen ab. Die Klägerin behauptete, sie habe am 6.2.2020 den Buggy zur Seite schieben müssen, um an ihren Briefkasten zu gelangen. Dabei sei sie mit dem Ärmel am Griff des Kinderwagens hängengeblieben und gegen die Hauswand gestürzt, wobei sie sich eine Verletzung an der Schulter zugezogen habe. Die Klägerin vertrat im Prozess die Auffassung, die beklagte Mieterin habe den Kinderwagen dort nicht abstellen dürfen und dadurch die Verletzung fahrlässig verursacht. Zudem meinte sie, ihre Vermieterin habe das verhindern müssen. Zusammen seien sie wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht verantwortlich und schuldeten ihr daher ein Schmerzensgeld von mindestens 10.000 Euro. Die beklagte Mieterin und die Vermieterin lehnten dies ab. Sie meinten, der Treppenabsatz sei groß genug, um dort einen Kinderwagen abzustellen. Außerdem bestritten sie den von der Klägerin behaupteten Hergang.

Kein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht

Das LG Koblenz hat die Klage abgewiesen. Es stelle keinen Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht dar, wenn der Kinderwagen auf dem Treppenabsatz vor den Briefkästen abgestellt worden sei. Ein allgemeines Verbot, andere zu gefährden, gebe es nicht. Es könne nicht jeder erdenklichen Gefahr vorbeugend begegnet werden. Sicherheitsmaßnahmen, die jede Schädigung ausschließen, seien im praktischen Leben nicht erreichbar. Rechtlich geboten, so das Gericht weiter, seien vielmehr nur „die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren“.

Abstellen des Kinderwagens begründet keine Schadensmöglichkeit

Dagegen sei hier nicht verstoßen worden. Das Abstellen eines Kinderwagens vor einer Briefkastenanlage begründe nicht die naheliegende Möglichkeit, dass jemand dadurch zu Schaden komme. Es müsse vernünftigerweise nicht damit gerechnet werden, dass sich jemand beim Umstellen eines kleinen Kinderwagens verletze. Auf dem Treppenabsatz sei ausreichend Platz, um den Buggy gefahrlos beiseiteschieben zu können.

Weder Zeugen noch Beweise

Weiter erklärte das Gericht, die Klägerin habe den von ihr behaupteten Hergang außerdem nicht beweisen können. Da sie den Anspruch stelle, müsse sie auch Beweise vorlegen. Es gebe aber keine Zeugen für den Vorfall. Eine Vernehmung der Klägerin selbst hielt das Gericht im konkreten Fall für kein zulässiges Beweismittel.

Quelle | LG Koblenz, Urteil vom 16.3.2022, 4 O 213/21

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Verkehrsrecht

Reparaturkosten: Auch bei Abtretung kein Anspruch auf Lackiererrechnung

| Durch die Abtretung wird ein Anspruch inhaltlich nicht verändert. Deshalb muss die Rechnung des Lackierers an die Werkstatt auch dann nicht offengelegt werden, wenn die Werkstatt die restlichen Reparaturkosten aus abgetretenem Recht des Geschädigten einklagt. So entschied es das Landgericht (LG) Bremen. |

Das war geschehen

Am 22.1.2020 wurde der PKW der Geschädigten bei einem Verkehrsunfall durch den haftpflichtversicherten PKW eines Versicherungsnehmers der Beklagten beschädigt. Die Beklagte teilte der Geschädigten wenig später mit, dass sie für den Schaden an ihrem Fahrzeug dem Grunde nach aufkommen wird. Die Geschädigte ließ ihren PKW bei der Klägerin reparieren. Die Klägerin stellte anschließend Leistungen in Höhe von rund 3.000 Euro in Rechnung, hiervon rund 1.160 Euro netto als Fremdleistungen für Lackierarbeiten. Auf Nachfrage der Beklagten übermittelte die Klägerin der Beklagten lediglich eine geschwärzte Rechnung des ausführenden Lackierunternehmens an die Klägerin. Nach den Zahlungen der Beklagten verblieb ein offener Restbetrag in Höhe von rund 1.900 Euro. Die Geschädigte trat ihre Ansprüche aus dem Haftpflichtschaden an die Klägerin ab. Mit anwaltlichem Schreiben forderte die Klägerin die Beklagte auf, den Restbetrag zu zahlen.

Die Beklagte zahlte aber nicht. Als Grund nannte sie unter anderem: Sie könne die geschwärzte Rechnung nicht berücksichtigen. Ihr stehe daher ein Leistungsverweigerungsrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht zu.

Unterschiedliche Sichtweise der gerichtlichen Instanzen

Während das Amtsgericht (AG) der Beklagten noch überwiegend Recht gegeben hatte, sah das LG dies anders. Das LG: Es kommt nicht darauf an, dass die Werkstatt anders als der Geschädigte selbst die Rechnung hat und offenlegen könnte. Es kommt nur darauf an, dass die von der Werkstatt an den Geschädigten berechneten Lackierungskosten dem Vereinbarten oder dem Üblichen entsprechen. Der Versicherer hätte allenfalls dann gegenüber der klagenden Werkstatt einen Anspruch auf Offenlegung der Fremdleistungskosten, wenn der Geschädigte einen entsprechenden Anspruch gegen die Werkstatt aus dem mit ihr geschlossenen Werkvertrag hätte. Mangels eigener Rechtsbeziehungen zwischen der Werkstatt und dem Versicherer können die Ansprüche infolge der Abtretung nicht weiter gehen als in Fällen, in denen keine Abtretung erfolgt ist.

Gängige Praxis: Einzelleistungen durch Subunternehmen

Hintergrund: Der Geschädigte schließt mit seiner Werkstatt einen Reparaturvertrag, dem die Berechtigung innewohnt, dass die beauftragte Fachwerkstatt Subunternehmer für einzelne Leistungen heranziehen kann, die sie selbst nicht erbringen kann; dies ist zumeist die gängige Praxis. Mangels Rechtsbeziehung zwischen dem Geschädigten und dem Subunternehmer hat der Geschädigte gegen den Subunternehmer keinen Anspruch auf Offenlegung der Rechnung.

Auch aus dem Werkvertrag mit der beauftragten Fachwerkstatt kann der Geschädigte die Offenlegung der Fremdleistungsvereinbarung mit dem Subunternehmer nicht verlangen. Der Geschädigte hat „nur“ die Pflicht, die angefallenen Reparaturkosten dem Schädiger gegenüber geltend zu machen. Dieser Pflicht wird er durch Vorlage der Reparaturkostenrechnung gerecht.

Quelle | LG Bremen, Urteil vom 22.12.2021, 4 S 187/21, Abruf-Nr. 228210 unter www.iww.de

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Werkstattreparatur: Probefahrtkosten als Unfallschaden erstattungsfähig

| Probefahrtkosten werden von den Versicherern bekämpft. Eine neue Variante der dortigen Argumentation hatte nun das Amtsgericht (AG) Deggendorf auf dem Tisch. Die Lohnkosten des Meisters, der die Probefahrt mache, seien in den Gemeinkosten enthalten und damit über den Stundenverrechnungssatz bereits bezahlt. Dazu sagt das AG: „Abwegig“. |

Der Arbeitnehmer, der z. B. einen neuen Kotflügel an ein Fahrzeug schraubt, erhält hierfür einen Arbeitslohn, der in den Gemeinkosten des Unternehmens enthalten ist. Gleichwohl müssen die Arbeitswerte, die er an dem Fahrzeug erbringt, vergütet werden. Das Gleiche gilt auch für einen Arbeitnehmer, der anschließend eine Probefahrt durchführt, so das AG.

Quelle | AG Deggendorf, Urteil vom 7.3.2022, 3 C 664/21, Abruf-Nr. 228062 unter www.iww.de

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Verkehrsunfall: Gestaltung der Reparaturpreise ist Werkstattsache

| Bei einer Unfallschaden-Reparatur kontrollieren regulierende Versicherungen die Rechnungspositionen sehr genau. In einem Fall des Amtsgerichts (AG) Bergisch-Gladbach führte dies allerdings zu weit. |

Vor der Lackierung eines Unfallschadens musste das Kfz besonders gründlich gereinigt werden und am Ende der Schleifarbeiten musste der Schleifstaub entfernt werden. Das war unstreitig. Der Versicherer meinte jedoch, das dürfe nicht gesondert berechnet werden, sondern dies sei bereits in den Lackierkosten eingepreist. Das hat das AG Bergisch-Gladbach anders gesehen.

Das AG stellte klar: Die Werkstatt ist nicht gezwungen, ihre Leistung in der vom Versicherer für richtig gehaltenen Weise zu kalkulieren. Doch selbst, wenn das anders wäre, unterfiele das dem Werkstattrisiko, das dem Schädiger zuzurechnen ist. Dem Geschädigten könne nämlich nicht zugemutet werden, die fünf Seiten lange Rechnung so zu „durchleuchten“, dass ihm eine Position als überflüssig auffiele, die gerade rd. 2,5 Prozent des Gesamtbetrags ausmache. Hier kam hinzu, dass die Rechnung mit 7.380 Euro fast 4.000 Euro unter dem Betrag von 11.300 Euro lag, den das Sachverständigengutachten auswies. Allein schon deshalb war es seitens der Versicherung von vornherein nicht notwendig, die Rechnung derart kritisch „unter die Lupe“ zu nehmen, so das AG.

Quelle | AG Bergisch-Gladbach, Urteil vom 10.3.2022, 66 C 11/22, Abruf-Nr. 228133 unter www.iww.de

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Unfallschaden: Welche Bagatellgrenze gilt für Sachverständigengutachten?

| Das Amtsgericht (AG) Greifswald sieht die Bagatellgrenze für ein Gutachten nicht als festen Betrag. Vielmehr sei sie je nach Schadensbild, das sich dem Geschädigten als Laien zeigt, im Bereich von 700 bis etwa 1.000 Euro anzusiedeln. |

Eine Schadenshöhe von 1.002,73 Euro netto liegt darüber, so das AG. Somit ist ein Gutachten gerechtfertigt.

Quelle | AG Greifswald, Urteil vom 23.3.2022, 44 C 267/21, Abruf-Nr. 228382 unter www.iww.de

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Kfz-Kaskoversicherung: „Nachtrunk“ befreit Versicherung von Leistungspflicht

| Kommt es zu einem Unfall, ist eine KFZ-Versicherung darauf angewiesen, von ihrem Versicherungsnehmer umfassend über den Hergang informiert zu werden. Verstößt der Versicherungsnehmer gegen diese Obliegenheit, kann dies im Einzelfall dazu führen, dass die Versicherung von ihrer Leistungspflicht befreit ist. Über einen solchen Fall hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig entschieden. |

Was war geschehen?

Der klagende Versicherungsnehmer fuhr mit seinem Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 km/h gegen eine Laterne. Er wartete nicht an der Unfallstelle, sondern begab sich zu dem nahegelegenen Haus seiner Eltern. Seine Eltern nahmen die Polizeibeamten am Unfallort in Empfang. Die von der Polizei ca. 1,5 Stunden nach dem Unfall entnommene Blutprobe des Klägers wies 2,79 Promille auf. Der Kläger behauptete, nach dem Unfall eine Flasche Wodka (0,7 Liter) getrunken und sich schlafen gelegt zu haben. Mit seiner Klage begehrte er den Ersatz der an seinem Fahrzeug entstandenen Schäden sowie die Zahlung der Reparaturkosten für die Laterne. Die beklagte Versicherung lehnte dies aufgrund der erheblichen Alkoholisierung des Klägers ab. Den behaupteten „Nachtrunk“ erachtete sie nicht als plausibel.

Landgericht hat Klage abgewiesen

Das Landgericht (LG) Braunschweig hatte die Klage zunächst abgewiesen. Es sei aufgrund des gesamten Akteninhalts und der erhobenen Beweise von einer alkoholbedingten absoluten Fahruntüchtigkeit des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls auszugehen. Nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen bestehe danach kein Versicherungsschutz. Der Kläger legte gegen diese Entscheidung Berufung mit der Begründung ein, der seitens des Gerichts bestellte Gutachter habe letztendlich nicht ausschließen können, dass der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls nüchtern gewesen sei.

Oberlandesgericht bestätigt Vorinstanz

Das OLG sah hingegen keine Veranlassung, weiter aufzuklären, ob der Kläger das Fahrzeug alkoholisiert geführt habe, oder ob der hohe Blutalkoholwert auf einen „Nachtrunk“ zurückzuführen sei. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass der Kläger aufgrund des geltenden Versicherungsvertrags nebst den allgemeinen Versicherungsbedingungen nach Eintritt eines Versicherungsfalls verpflichtet ist, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadens dient. Die Auskunftspflicht erschöpft sich dabei nicht nur in der bloßen Weitergabe von Informationen. Sie erfasst auch das Verhalten des Versicherten am Unfallort.

Autofahrer hat Aufklärung vereitelt

Danach obliegt es dem Versicherten, den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen, z. B. zum Drogen- und Alkoholkonsum des Fahrers, zu ermöglichen. Der Versicherer muss die Möglichkeit haben, sämtliche mit dem Schadensereignis zusammenhängenden Tatsachen, aus denen sich gerade auch eine Leistungsfreiheit ergeben könnte, zu überprüfen. Dies hat der Kläger mit seinem behaupteten Nachtrunk vereitelt. Eine verlässliche Bestimmung der Blutalkoholkonzentration zum Unfallzeitpunkt, die in diesem Fall am Unfallort routinemäßig zu erwarten gewesen wäre, war nicht mehr durchführbar.

Berufung zurückgenommen

Nachdem der Senat den Kläger auf seine tatsächliche und rechtliche Bewertung hingewiesen hatte, hat der Kläger seine Berufung gegen das landgerichtliche Urteil zurückgenommen.

Quelle | OLG Braunschweig, PM vom 26.4.2022

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Abschließende Hinweise

Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2022 bis zum 31. Dezember 2022 beträgt -0,88 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 4,12 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,12 Prozent

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.01.2022 bis 30.06.2022

-0,88 Prozent

01.07.2021 bis 31.12.2021

-0,88 Prozent

01.01.2021 bis 30.06.2021

-0,88 Prozent

01.07.2020 bis 31.12.2020

-0,88 Prozent

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

01.01.2012 bis 30.06.2012

0,12 Prozent

01.07.2011 bis 31.12.2011

0,37 Prozent

01.01.2011 bis 30.06.2011

0,12 Prozent

01.07 2010 bis 31.12.2010

0,12 Prozent

01.01.2010 bis 30.06.2010

0,12 Prozent

01.07 2009 bis 31.12.2009

0,12 Prozent

01.01.2009 bis 30.06.2009

1,62 Prozent

01.07.2008 bis 31.12.2008

3,19 Prozent

01.01.2008 bis 30.06.2008

3,32 Prozent

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Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 08/2022

| Im Monat August 2022 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer (Monatszahler): 10.08.2022
  • Lohnsteuer (Monatszahler): 10.08.2022
  • Gewerbesteuer: 15.08.2022 (16.08.2022 in Bundesländern mit Feiertag Mariä Himmelfahrt)
  • Grundsteuer: 15.08.2022 (16.08.2022 in Bundesländern mit Feiertag Mariä Himmelfahrt)

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 15.08.2022 (16.08.2022 in Bundesländern mit Feiertag Mariä Himmelfahrt). Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden

Monats fällig, für den Beitragsmonat August 2022 am 29.08.2022.

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Würtemberger und Leßmann . Rechtsanwaltskanzlei . Pirnaer Straße 20 . 68309 Mannheim