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News 09/2020Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 09-2020:Arbeitsrecht
Baurecht
Familien- und Erbrecht
Mietrecht und WEG
Verbraucherrecht
Verkehrsrecht
Abschließende HinweiseArbeitsrechtCorona-Pandemie: „Sabbatjahr“ kann nicht wegen der Corona-Pandemie vorzeitig beendet werden| Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat entschieden: Die Beeinträchtigungen durch die Corona-Pandemie genügen regelmäßig nicht als Grund dafür, ein sog. „Sabbatjahr“ vorzeitig zu beenden. | Die beiden Antragsteller sind verbeamtete Lehrer. Beide traten zum Schuljahr 2019/2020 in die Freistellungsphase der ihnen bewilligten Teilzeitbeschäftigungen im Blockmodell, das sog. „Sabbatjahr“, ein. Sie gingen gemeinsam auf Weltreise. Anfang April 2020 beantragten sie per E-Mail noch von Australien aus, das Freistellungjahr vorzeitig zu beenden. Sie wiesen darauf hin, die Freistellungszeit sei infolge der Belastungen durch die Pandemiebeschränkungen für sie entwertet worden. Erstinstanzlich blieben beide Eilanträge vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf und dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ohne Erfolg. Die Verwaltungsgerichte waren übereinstimmend der Auffassung, der besondere Härtefall, in dem Beamten die Fortsetzung der Teilzeitbeschäftigung nicht mehr zuzumuten ist, liege jeweils nicht vor. Insbesondere reiche es nicht aus, dass die Antragsteller ihre Weltreise nicht, wie geplant, hätten fortsetzen können. Lehrkräften in Freistellungsphasen sei es wie anderen Bürgern auch zumutbar, ihre privaten Lebensverhältnisse an den pandemiebedingten Einschränkungen auszurichten, die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in großen Teilen zudem nicht mehr bestünden. Das OVG hat diese Entscheidungen jetzt bestätigt. Die Beschlüsse sind unanfechtbar. Quelle | OVG Münster, Beschlüsse vom 24.7.2020, 6 B 925/20 und 6 B 957/20, Abruf-Nr. 217469 unter www.iww.de. Zeugnisklage: Klage voreilig? Prozesskostenhilfe kann trotzdem möglich sein!| Wird eine Zeugnisklage voreilig eingereicht, ohne den Anspruch zuvor außergerichtlich geltend zu machen, besteht normalerweise kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe. Je nach Reaktion des Gegners kann sich das aber ausnahmsweise ändern. So hat es jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden. | Im Fall des LAG Köln hatte der Gegner überhaupt nicht reagiert und das Zeugnis trotz der Klage nicht zeitnah erteilt. Das LAG entschied: In diesem Fall kann die Prozesskostenhilfe für die anschließende weitere Rechtsverfolgung zu bewilligen sein. Quelle | LAG Köln, Beschluss vom 4.5.2020, 1 Ta 59/20, Abruf-Nr. 216969 unter www.iww.de. Arbeitslosengeld: Nordic Walking: gesund aber auch gefährlich| Ein Mann, der Beklagte, und eine Frau betrieben gemeinsam Sport (Nordic Walking). Dabei geriet einer der Walkingstöcke des Beklagten zwischen die Beine der Frau. Sie stürzte und verletzte sich. Zwei Jahre lang konnte sie nicht arbeiten und wurde daraufhin entlassen. Die Bundesagentur für Arbeit verlangte als Klägerin das der Frau gezahlte Arbeitslosengeld vom Beklagten zurück. Dieser habe den Unfall fahrlässig verursacht und sollte daher dessen Folgen tragen. | Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein gab der Behörde im Grundsatz Recht. Beim Nordic Walking sollten Sportler die Stöcke nach hinten halten. Geschieht dies nicht, können sie für den Unfall eines Mitsportlers haften. Der Beklagte sei daher grundsätzlich schadenersatzpflichtig. Aber das OLG machte hier eine Ausnahme: Denn die Frau hatte ihre Kündigung widerspruchslos hingenommen. Daher trage sie ein überwiegendes Mitverschulden, zumal ihr Arbeitgeber ihr einen „leidensgerechten“ Arbeitsplatz hätte zuweisen und sie dort hätte weiter beschäftigen können. Der Beklagte musste daher entgegen dem o. g. Grundsatz das Arbeitslosengeld nicht erstatten. Beachten Sie | Beim Nordic Walking müssen Sportler die Stöcke nah am Körper und hinter den Beinen halten. Der Unfall wäre nicht passiert, hätte sich der Beklagte daran gehalten. Interessante Unterhaltungen oder das Genießen einer schönen Landschaft entschuldigen einen Verstoß gegen diese Regel nicht. Gegebenenfalls müssen die Sportler den Abstand zwischen sich vergrößern, so das OLG. Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.7.2020, 6 U 46/18, Abruf-Nr. 217470 unter www.iww.de. Arbeitszeugnis: Welches Datum ist im Arbeitszeugnis richtig?| Das Zeugnisdatum, mit dem ein qualifiziertes Arbeitsendzeugnis versehen wird, muss den Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezeichnen. Nicht bezeichnen muss es dagegen den Tag, an dem das Zeugnis physisch ausgestellt worden ist. So entschied jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. | Im Arbeitsleben ist es üblich, in ein Arbeitszeugnis als Zeugnisdatum das Datum der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufzunehmen. Das hat das Bundesarbeitsgericht auch höchstrichterlich gebilligt. Dies schafft zum einen Rechtssicherheit. Zum anderen beugt es der Gefahr von Spekulationen vor, ob zwischen den Arbeitsvertragsparteien ein Streit über Erteilung und Inhalt des Zeugnisses ausgetragen worden ist. Ein solcher Streit könnte entstehen, wenn zwischen dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Erstellung eines Zeugnisses ein längerer Zeitraum verstrichen ist. Quelle | LAG Köln, Beschluss vom 27.3.2020, 7 Ta 200/19, Abruf-Nr. 215705 unter www.iww.de. Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Mindestlohn soll bis 2022 in vier Stufen steigen| Der gesetzliche Mindestlohn (derzeit 9,35 EUR brutto je Zeitstunde) soll nach der Empfehlung der Mindestlohnkommission ab 2021 stufenweise erhöht werden, um den Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verbessern. | In die Mindestlohnfindung fließen Daten von tariflichen Stundenverdiensten ohne Sonderzahlungen aus dem Tarifindex des Statistischen Bundesamts ein. Die Kommission hat darauf Wert gelegt, Lohnkostensteigerungen für die betroffenen Betriebe vor dem Hintergrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen Krise tragfähig zu gestalten. Der gesetzliche Mindestlohn soll demnach wie folgt steigen:
Beachten Sie | Die Bundesregierung muss die Erhöhung noch per Rechtsverordnung umsetzen. Quelle | Mindestlohnkommission, Dritter Beschluss vom 30.6.2020, abrufbar unter www.iww.de/s3976. Kündigungsfristen: Ein Privathaushalt ist weder Betrieb noch Unternehmen| Für Arbeitsverhältnisse, die ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen sind, gelten keine verlängerten Kündigungsfristen. So entschied es aktuell das Bundesarbeitsgericht (BAG) | Der Wortlaut des einschlägigen Gesetzes (§ 622 Abs. 2 BGB) besagt, dass verlängerte Kündigungsfristen gelten, wenn das Arbeitsverhältnis „in dem Betrieb oder Unternehmen“ für eine bestimmte Zeit bestanden hat. Damit sind Arbeitsverhältnisse ausgenommen, die wie im Streitfall vorliegend eine Haushaltshilfe ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen sind. Quelle | BAG, Urteil vom 11.6.20, 2 AZR 660/19, Abruf-Nr. 217308 unter www.iww.de. BaurechtPlanungsleistungen: Nachträgliche Honorarforderung: Planer in der Beweispflicht| Architekten oder Ingenieure müssen im Streitfall beweisen, dass sie mit den Leistungen beauftragt worden sind, die sie abrechnen wollen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat daher einem Planungsbüro für seine Leistungen bei der Planung einer Biogasanlage das „Nachkarten“ verwehrt. |
Der Planer hatte die vollen Prozentsätze der vertragsgegenständlichen Leistungsphasen geltend gemacht. Der Auftraggeber hatte das moniert. Er habe dem Planer nur Teilleistungen aus den betreffenden Leistungsphasen übertragen. Der Planer konnte das letztlich nicht widerlegen. Denn auch der bauausführende Generalunternehmer hatte wesentliche Planungsleistungen erbracht. Seine Honorarklage scheiterte daher. Einer solchen nachteiligen Situation können Planer entgehen, wenn sie schriftlich (möglichst schon im Planungsvertrag) festhalten, welche Leistungen sie konkret erbringen müssen. Manchmal ist das nicht vollständig möglich. Dann müssen Planer die Dokumentation unverzüglich im Rahmen des Schriftverkehrs nachholen (kaufmännische Bestätigungsschreiben). Quelle | BGH, Urteil vom 14.5.2020, VII ZR 205/19, Abruf-Nr. 216470 unter www.iww.de. Bemusterung: Das Vertragssoll wird im Vertrag bestimmt| Bemusterungen werden durchgeführt, um Materialien, Farben oder Bauteile nebst Eigenschaften festzulegen. So soll deren Ausführungsart endgültig geklärt werden. Doch was, wenn die Ergebnisse solcher nachträglicher Bemusterungen zum Vertragssoll erhoben werden sollen? Dann müssen die Parteien dies eindeutig vereinbaren. So hat es jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt. | Die Parteien hatten einen Vertrag über das Herstellen und Liefern von Glaselementen aus Weißglas geschlossen. Anlässlich eines anschließenden Bemusterungstermins zur Bestimmung der Oberflächenbeschichtung stellte sich heraus, dass Glaselemente aus Grünglas verwendet wurden. Das führt aber laut BGH nicht dazu, dass nun Grünglas geschuldet ist. Das Bausoll, so der BGH, wird in der Regel im Vertrag bestimmt, nicht bei der Bemusterung. Quelle | BGH, Beschluss vom 26.2.2020, VII ZR 89/19, Abruf-Nr. 214964 unter www.iww.de. Gesamtschuldnerische Haftung: Ausgleichszeit im Innenverhältnis auf zehn Jahre verlängert| Haben Planer und Bauunternehmer anteilig einen Schaden verursacht, haften sie dem Bauherrn als Gesamtschuldner. Derjenige, der vom Bauherrn in Anspruch genommen wird, hat einen Ausgleichsanspruch gegenüber seinem Mitverursacher. Bisher galt, dass solche Ansprüche unter Gesamtschuldnern schon nach drei Jahren verjähren. Das Oberlandesgericht (OLG )München hat diese Frist jetzt auf zehn Jahre verlängert. So lange warten sollten sie aber besser nicht, um Ausgleichsansprüche geltend zu machen. | Bauherr nimmt von Gesamtschuldnern nur den Architekten in Anspruch Im vorliegenden Fall hatte ein Bauherr gegenüber dem Architekten und zwei ausführenden Unternehmen Mängel an einem neuen Bauwerk gerügt. Er nahm wie so oft aber nur den Architekten in Anspruch und verklagte ihn auf Schadenersatz. Der Architekt machte seinerseits im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs gegenüber den beiden ausführenden Unternehmen jeweils einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 219.453,01 Euro geltend. Die Abnahme der Bauleistungen war mit dem letzten (mangelhaften) Gewerk am 27.2.2007 erfolgt. Die Klage gegen die beiden Bauunternehmen reichte der Architekt aber erst am 2.1.2018 ein. Folglich beriefen diese sich darauf, dass der Anspruch zwischenzeitlich verjährt sei. OLG München verlängert Frist für Ausgleichsanspruch auf zehn Jahre Das OLG München hat eine für die Planer erfreuliche Entscheidung getroffen. Es hat (im Einvernehmen mit dem BGH) zwei Dinge festgestellt:
Dem Architekten half diese Entscheidung im konkreten Fall nicht weiter, weil selbst die Zehn-Jahres-Frist überschritten war. Er hatte sich zu viel Zeit gelassen. Beachten Sie | Das Urteil ist für die planenden Berufe erfreulich. Betroffene sollten die Frist aber besser nicht ausreizen, wenn sich der Auftraggeber bei einem „gesamtschuldnerischen Haftungsfall“ nur an ihnen schadlos halten will. Sie sollten zeitnah rechtlich prüfen lassen, ob sie einen Ausgleichsanspruch gegen einen anderen Gesamtschuldner haben und diesen zügig geltend machen. Fristversäumnisse könnten hier teure Folgen haben. Quelle | OLG München, Beschluss vom 18.9.2019, 27 U 211/19 Bau, Abruf-Nr. 217396 unter www.iww.de; rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 17.6.2020, VII ZR 238/19. Familien- und ErbrechtCorona-Pandemie: Getrenntlebende Eltern: Flugreisen nach Mallorca in Corona-Zeiten keine alltägliche Entscheidung| Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hat jetzt entschieden: Die Flugreise eines getrenntlebenden Elternteils mit den gemeinsamen Kindern in Zeiten der Corona-Pandemie ist keine Angelegenheit des täglichen Lebens mehr. Folge: Sie bedarf der Zustimmung des anderen mitsorgeberechtigten Elternteils. | Die Mutter hatte in den Sommerferien eine Flugreise nach Mallorca mit den beiden gemeinsamen Kindern gebucht. Der Vater war damit nicht einverstanden. Zwar kann über Auslandsreisen, auch mit dem Flugzeug, grundsätzlich der jeweils betreuende Elternteil allein entscheiden, wenn die Reise nicht mit Nachteilen bzw. Gefahren für das Kind verbunden ist. Daher boten bislang Flugreisen in das europäische Ausland wenig Anlass für Streitigkeiten. Anders ist dies aber, so nun das OLG, in den Zeiten der Corona-Pandemie: Auch wenn keine Reisewarnung für das Urlaubsziel bestehe, führe die Ausbreitung von COVID-19 weiterhin zu Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr und Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens. Hinzu komme, dass nach wie vor die Lockerungen der Beschränkungen nur auf Probe erfolgt seien und keine Planungsverlässlichkeit bezüglich eines gebuchten Rückflugs gewährleistet sei. Wenn es erneut zu staatlich notwendigen Reaktionen auf Ausbrüche des Virus komme, bestehe die Gefahr längerer Quarantänen oder eines Festsitzens im Ausland. Das könne zu einer erheblichen Belastung für das seelische Wohlbefinden eines Kindes führen. Überdies gebe es weiterhin Unsicherheiten über die Infektionswege des Coronavirus, weshalb auch nicht geklärt sei, welche konkrete, gegebenenfalls erhöhte Ansteckungsgefahr im Zusammenhang mit Flugreisen beständen. Eine Flugreise ins Ausland müsse daher durch beide sorgeberechtigten Elternteile gemeinsam entschieden werden. Können sich die Eltern nicht einigen, kann das Familiengericht auf Antrag einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis darüber übertragen. Dabei muss sich das Familiengericht an dem Kindeswohl im konkreten Einzelfall orientieren und die Entscheidungsbefugnis auf den Elternteil übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird. Quelle | OLG Braunschweig, Pressemitteilung vom 3.8.2020, Urteil vom 30.7.2020, 2 UF 88/20, Abruf-Nr. 217471 unter www.iww.de. Auslandsehen: Wann ist eine Auslandsehe aufhebbar?| Ist ein Ehegatte zwar 16, aber noch nicht 18 Jahre alt, hat ein Gericht ein eingeschränktes Ermessen, wenn es darum geht, ob eine Auslandsehe aufzuheben ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt klargestellt: Steht fest, dass die Aufhebung in keiner Hinsicht unter Gesichtspunkten des Minderjährigenschutzes geboten ist, sondern sprechen gewichtige Umstände dagegen, kann das Gericht hiervon absehen. Denn die einschlägige Vorschrift des BGB besagt, dass die Ehe aufgehoben werden „kann“, nicht „muss“ |. Sachverhalt Die Ehe wurde 2001 im Libanon geschlossen. Damals war die Ehefrau 16, der Ehemann 21 Jahre alt. Sie lebten seit 2003 in Deutschland. Sie trennten sich 2016 und bekamen bis dahin vier Kinder. Die zuständige Behörde beantragte 2018, die Ehe aufzuheben. Dies war vor dem AG Tempelhof-Kreuzberg und dem Kammergericht erfolglos. Aufhebungsrecht verwirkt Der BGH sah es zwar als möglich an, dass die Ehe aufgehoben werden könne. Denn allein das Fortsetzen der Ehe nach Eintritt der Volljährigkeit bestätige diese nicht. Jedoch müsse der Ehegatte die den Ehemangel begründenden Tatsachen kennen und es müsse ihm wenigstens allgemein bewusst sein, dass er die Ehe wegen eines Eingehungsmangels auflösen lassen könne. Dies, so der BGH, sei der Ehefrau hier nicht bewusst gewesen. Sie habe nicht gewusst, dass sie durch ihr Verhalten ein möglicherweise vorhandenes Aufhebungsrecht aufgibt. Entscheidung des BGH Der BGH: Von der Aufhebung ist abzusehen. Denn dies steht in krassem Gegensatz zur 15 Jahre lang bewusst im Erwachsenenalter gelebten Familienwirklichkeit. Nach fast 14 Jahren des ehelichen Zusammenlebens in Deutschland und vier Kindern ist eine Aufhebung nicht geboten. Die Ehefrau kann sich zudem scheiden lassen. Quelle | BGH Beschluss vom 22.7.2020, XII ZB 131/20, Abruf-Nr. 217370 unter www.iww.de. Elterngeldbemessung: Provisionen können das Elterngeld erhöhen| Als sonstige Bezüge im Lohnsteuerabzugsverfahren angemeldete Provisionen können gleichwohl als laufender Arbeitslohn das Elterngeld erhöhen, wenn die Bindungswirkung der Anmeldung für die Beteiligten des Elterngeldverfahrens weggefallen ist. Dies hat jetzt das Bundessozialgericht (BSG) entschieden. | Die Klägerin ist Steuerfachwirtin. Sie erzielte vor der Geburt ihrer Tochter neben ihrem monatlichen Gehalt jeden Monat eine Provision in Höhe von 500 bis 600 EUR, die lohnsteuerrechtlich von ihrer Arbeitgeberin als sonstiger Bezug eingestuft wurde. Der beklagte Freistaat bewilligte ihr deshalb Elterngeld, ohne die Provisionen bei der Elterngeldbemessung zu berücksichtigen. Das Landessozialgericht (LSG) hat anders als das Sozialgericht der Klage auf höheres Elterngeld stattgegeben. Das BSG hat das LSG bestätigt. Die der Klägerin in den arbeitsvertraglich vereinbarten Lohnzahlungszeiträumen regelmäßig und lückenlos gezahlten Provisionen sind materiell steuerrechtlich als laufender Arbeitslohn einzustufen. Die anderslautende Lohnsteueranmeldung ihrer Arbeitgeberin steht dem nicht entgegen. Die Lohnsteueranmeldung bindet zwar grundsätzlich die Beteiligten im Elterngeldverfahren. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Regelungswirkung der Lohnsteueranmeldung weggefallen ist, weil sie wie hier aufgrund eines nachfolgenden Einkommensteuerbescheids überholt ist. Quelle: | BSG, Pressemitteilung Nr. 13/20 vom 25.6.20, B 10 EG 3/19 R, Abruf-Nr. 216517 unter www.iww.de. Mietrecht und WEGBauliche Veränderungen: Form des Beschlusses sowie Pflichten und Haftung des Verwalters| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt entschieden: Ein Beschluss über eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums muss mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Dabei sind auch die nicht beeinträchtigten Eigentümer stimmberechtigt. Daneben muss ggf. die Zustimmung der Eigentümer vorliegen, die über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. | Interessant sind auch die Ausführungen des BGH zu den Verwalterpflichten und zur Verwalterhaftung. Danach gilt: Der Versammlungsleiter handelt nicht pflichtwidrig, wenn er einen mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss über die bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums als zustande gekommen verkündet, obwohl nicht alle Eigentümer zugestimmt haben, die über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Der Verwalter muss in Vorbereitung einer Beschlussfassung über die bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums prüfen, ob einzelne Wohnungseigentümer (und ggf. welche) ihre Zustimmung erteilen müssen, und er muss die Eigentümerversammlung vor der Beschlussfassung über das Ergebnis seiner Prüfung informieren und ggf. auf ein bestehendes Anfechtungsrisiko hinweisen. Klärt der Verwalter die Eigentümerversammlung vor einer solchen Beschlussfassung nicht in gebotener Weise über ein bestehendes Zustimmungserfordernis auf, handelt er pflichtwidrig. Einen Rechtsirrtum muss er aber nur dann vertreten, wenn seine Einschätzung offenkundig falsch ist. Ist der Verwalter der Auffassung, dass die erforderliche Zustimmung einzelner Eigentümer fehlt, und hat er deshalb Bedenken gegen die Verkündung eines auf eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums gerichteten Beschlusses, für den sich eine einfache Mehrheit ausgesprochen hat, kann er, statt das Zustandekommen des Beschlusses zu verkünden, eine Weisung der Wohnungseigentümer im Wege eines Geschäftsordnungsbeschlusses einholen. Quelle | BGH, Urteil vom 29.5.2020, V ZR 141/19, Abruf-Nr. 216820 unter www.iww.de. Rückgabe der Mietsache: Dübellöcher und Latexfarbanstrich – immer ein Problem| Nach Ansicht des Landgerichts (LG) Wuppertal hätte ein Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses Dübel entfernen und Löcher fachgerecht verschließen müssen. Zudem sei er verpflichtet gewesen, einen Latexfarbanstrich zu beseitigen oder entsprechend vorzubehandeln. | Bei Dübellöchern handele es sich um Substanzeingriffe, die zu beseitigen seien, so das LG. Dies gelte unabhängig davon, ob sie auf einer atypischen Nutzung (hier: 126 Dübellöchern) beruhen. Kräftige Latexfarben, die von breiten Mieterkreisen nicht akzeptiert würden, müsse der Mieter beseitigen und die Wohnung so herrichten, dass normale Schönheitsreparaturen ausreichen. Quelle | LG Wuppertal, Urteil vom 16.7.2020, 9 S 18/20, Abruf-Nr. 217392 unter www.iww.de. Mietrecht: Viel Streit um wenig Hund| In einem aktuellen Fall des Landgerichts (LG) Leipzig hätte der Mieter der Genehmigung für das Halten seines Hundes bedurft. Auf diese hätte er auch einen Anspruch gehabt. Doch rührte er sich nicht. Dennoch durfte ihm der Vermieter deswegen nicht kündigen. | Denn, so das LG, der Vermieter hatte die Hundehaltung über einen längeren Zeitraum geduldet. Und es war zu keinerlei Störungen durch den Hund gekommen. Schließlich sprach auch die Wohnungsgröße von 53 qm nicht gegen eine Hundehaltung. Der Mieter hatte zudem angeboten, Hunde Dritter entgeltlich auszuführen oder auch länger zu betreuen. Dies allein verstieß laut LG ebenfalls nicht gegen den Mietvertrag. Denn der Vermieter konnte nicht nachweisen, dass es tatsächlich zu längeren Beherbergungen gekommen war. Und das Nutzen der Wohnung zur Vertragsanbahnung über solche Beherbergungsverträge sei so minimal „gewerblich“, dass weder die Wohnung noch Mitmieter oder der Vermieter beeinträchtigt würden. Quelle | LG Leipzig, Urteil vom 12.5.2020, 02 S 401/19, Abruf-Nr. 217472 unter www.iww.de. Gewerberaum: Trotz Krankheit darf Mieter nicht einfach fristlos kündigen| Auch wenn der Mieter schwer erkrankt ist, rechtfertigt dies keine fristlose Kündigung des Gewerbemietraumvertrags. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Rostock klargestellt. | Die Mietvertragsparteien können außerordentlich fristlos kündigen, wenn ein „wichtiger“ Grund vorliegt. Dieser ist nach dem Gesetz gegeben, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die Störung des Vertragsverhältnisses, die den wichtigen Grund darstellen soll, muss regelmäßig aus dem Bereich des Kündigungsempfängers (hier also des Vermieters) herrühren. Daher wird der Mieter nicht dadurch von seiner Pflicht zur Mietzahlung frei, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund wozu sein Gesundheitszustand zählt an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Quelle | OLG Rostock, Urteil vom 9.7.2020, 3 U 79/19, Abruf-Nr. 217390 unter www.iww.de. VerbraucherrechtVerkehrssicherungspflicht: Kein Schmerzensgeld bei Sturz über Schlauch im Gartencenter| Die Kundin eines Baumarkts, die im Gartenbereich des Markts über einen am Boden liegenden Gartenschlauch stürzt, kann kein Schmerzensgeld vom Baumarktbetreiber verlangen. | So hat es jetzt das Amtsgericht (AG) München gesehen. Und so argumentiert das AG: Verfängt sich ein Kunde im Gartenschlauch, weil eine Angestellte daran zieht, während der Kunde diesen übersteigen will, fällt dies unter das allgemeine Lebensrisiko. Es kann vom Gartencenter im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht nicht erwartet werden, dass es den Schlauch während der Bewässerung von Blumen sichert. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Quelle | AG München, Urteil vom 9.10.2019, 122 C 9106/19, Abruf-Nr. 214797 unter www.iww.de. Kreditinstitut: Unwirksame Entgeltklausel für Basiskonto| Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kreditinstituts enthaltene Entgeltklausel für ein Zahlungskonto mit grundlegenden Funktionen (Basiskonto) unterliegt der richterlichen Inhaltskontrolle. Es darf also von Gerichten daraufhin überprüft werden, ob sie mit geltendem Recht übereinstimmt. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Im konkreten Fall entschied er, dass die Entgeltklausel eines solchen Basiskontos unwirksam war. | Der BGH: Die Entgeltklausel für ein Basiskonto ist im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam, wenn bei der Bemessung des Entgelts das kontoführende Institut den mit der Führung von Basiskonten verbundenen Mehraufwand allein auf die Inhaber von Basiskonten umgelegt hat. Das ergab sich hier aus der von der Bank vorgelegten Kostenkalkulation. Quelle | BGH, 30.6.2020, XI ZR 119/19, Abruf-Nr. 216518 unter www.iww.de. Corona-Pandemie: Auch ohne Reisewarnung: Erstattung des vollen Reisepreises| Das Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main hat entschieden: Storniert ein Kunde vor Reiseantritt eine Reise zu einem Zeitpunkt, zu dem zwar noch keine Reisewarnung des Auswärtigen Amts, aber bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung des Corona-Virus vorliegt, ist der Reiseveranstalter zur Rückzahlung des vollen Reisepreises verpflichtet. | Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine im Mai 2019 gebuchte Reise auf die italienische Insel Ischia im Golf von Neapel, die im April 2020 stattfinden sollte, wurde vom Kläger Anfang März 2020 storniert zu einem Zeitpunkt, zu dem (noch) keine offizielle Reisewarnung durch das Auswärtige Amt ausgesprochen war. Der Reiseveranstalter verlangte anteilige Stornierungskosten nach seinen Geschäftsbedingungen. Der Kläger argumentierte hiergegen, dass die Corona-Pandemie einen unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand darstelle, der zu einer vollständigen Reisepreiserstattung führt. Für das Gericht kam es auf das Vorliegen der offiziellen Reisewarnung zum Zeitpunkt der Stornierung jedoch nicht an. An den Nachweis der außergewöhnlichen Umstände zum Rücktrittszeitpunkt sind keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, um den Reisenden nicht zu überfordern. Es genügt bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das gesundheitsgefährdende Ereignis, hier der Ausbreitung des Corona-Virus. Diese Wahrscheinlichkeit habe zum Stornierungszeitpunkt der Reise für das Reiseziel vorgelegen. Das Gericht macht jedoch ausdrücklich darauf aufmerksam, dass es entgegen einer schematischen Betrachtung auf jeden konkreten Einzelfall ankommt. Quelle | AG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.7.2020, 32 C 2136/20 (18), Abruf-Nr. 217473 unter www.iww.de. Immobilienkaufvertrag: Wertstoffsammelstelle in der Nähe einer Eigentumswohnung kein Sachmangel| Die Kläger hatten eine Eigentumswohnung von den Beklagten erworben. Die Stadt errichtete auf einer gegenübergelegenen Freifläche, von den Verkäufern in Verkaufsprospekt und -verhandlungen „Piazza“ genannt, in etwa 20 Metern Abstand eine Containeranlage zur Wertstoffentsorgung (Altglas, Altpapier). Die Verkäufer hatten die Anlage zwar weder im Verkaufsprospekt, den Verkaufsverhandlungen noch auf der Website der Beklagten jemals erwähnt. Die Käufer meinten, die Anlage stelle einen Mangel des Kaufvertrags dar. Wohnwert und Brauchbarkeit seien erheblich beeinträchtigt. Sie verfolgten ihre Ansprüche bis zum Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf erfolglos. | Die Wertstoffsammelstelle begründe, so das OLG, keinen Sachmangel der Kaufsache. Die damit einhergehenden Beeinträchtigungen (Geräusche durch das Herabfallen der Flaschen und Metallklappen) seien als sozialadäquat hinzunehmen, selbst in Wohngebieten mit gehobenen Preisen. Denn auch hier müsse die Abfallentsorgung sichergestellt sein. Zudem hatte die Stadt die Containeranlage im Einklang mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet. Deren Abstand zu Wohngebäuden war sogar größer als verwaltungsrechtlich empfohlen. Quelle | OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.1.2020, I-21 U 46/19, Abruf-Nr. 215153 unter www.iww.de. Fluggastrechte: Randalieren kann „außergewöhnlicher Umstand“ sein| Randaliert ein Fluggast während des Flugs und es kommt zu einer Verspätung, die dem Grunde nach entschädigungspflichtig wäre, ist dies nicht Teil des regulären Flugbetriebs. Die Fluggesellschaft kann sich in diesem Fall auf anspruchsausschließende „außergewöhnliche Umstände“, vorliegend: Sicherheitsrisiken, berufen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.| Allerdings knüpft der EuGH dies an enge Voraussetzungen für die Fluggesellschaft: Das Verhalten des Randalierers darf nicht durch die Fluggesellschaft provoziert worden sein. Die Fluggesellschaft konnte den Vorfall nicht vorhersehen. Eine „zumutbare, zufriedenstellende und frühestmögliche anderweitige Beförderung“ war der Fluggesellschaft nicht möglich. Beachten Sie | Auch wenn die Fluggesellschaft nicht haftet, besteht gegebenenfalls ein Anspruch gegen den randalierenden Passagier selbst in Form einer Schadenersatzpflicht. Quelle | EuGH, Urteil vom 11.6.20, C 74/19, Abruf-Nr. 217429 unter www.iww.de. Corona-Pandemie: Gesetzliche Erleichterungen für pflegende Angehörige| Der Alltag von pflegenden Angehörigen ist durch die Corona-Pandemie stark beeinträchtigt und schwer organisierbar geworden. Das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite sieht zu deren Unterstützung unter anderem folgende Erleichterungen vor: | Kurzzeitige Arbeitsverhinderung Bis zum 30.9.2020 wird der Anspruch auf Freistellung von bislang 10 auf bis zu 20 Arbeitstage verlängert (bereits genutzte Tage sind abzuziehen).Die Pflegekassen zahlen für die kurzzeitige Arbeitsverhinderung ein Pflegeunterstützungsgeld, sofern durch den Arbeitgeber keine Lohnfortzahlung erfolgt. Familienpflegezeit Familienpflegezeit kann bis zum 30. September flexibler in Anspruch genommen werden: Angehörige können bisher nicht genommene Restzeiten dieser Freistellungen in Abstimmung mit dem Arbeitgeber kurzfristig in Anspruch nehmen. Sie dürfen die Mindestarbeitszeit von 15 Stunden in der Woche der Familienpflegezeit für einen Monat unterschreiten. Die Ansprüche an die erforderliche Textform der Ankündigung beim Arbeitgeber sind, sofern die Familienpflegezeit bis spätestens 1.9.2020 beginnt, reduziert: Statt einem unterschriebenen Brief werden z. B. Nachrichten in elektronischer Form oder WhatsApp-Nachrichten anerkannt. Insgesamt muss jedoch die Familienpflegezeit im Gesamtrahmen von 24 Monaten maximaler Dauer bleiben. Kurzzeitpflege Für Kurzzeitpflegeplätze, die aufgrund nicht verfügbarer Plätze in Pflegeeinrichtungen derzeit in Einrichtungen der Rehabilitation und in Krankenhäusern beansprucht werden, zahlt die Pflegekasse höhere Zuschüsse als bisher. Entlastungsbeträge Für Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 können erweiterte Entlastungsbeträge, z. B. für Hilfen durch professionelle Angebote oder nachbarschaftliche Hilfe, beansprucht werden, deren Nachweis im Sinne einer zügigen Regulierung gegenüber der Krankenkasse vereinfacht gehandhabt wird. Erleichterungen gibt es auch hinsichtlich der Möglichkeit, nicht verbrauchte Beträge „aufzusparen“ und später zu beanspruchen. Pflegehilfsmittel Für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel wurde der monatliche Erstattungsbetrag (mit Kauf- oder Lieferdatum bis 30. September 2020) von monatlich 40 auf 60 Euro angehoben. Weitere Informationen finden Sie auf der Website der Verbraucherzentrale NRW unter www.iww.de/s3977 (Stand 21.7.2020). Quelle | Zweites Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.5.2020 VerkehrsrechtTrunkenheit I: 1,1-Promille-Grenze gilt nicht für „Pedelecs“| Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe sieht derzeit keine gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse dafür, dass Fahrer von „Pedelecs“ mit einer Begrenzung der motorunterstützten Geschwindigkeit auf 25 km/h bereits unterhalb der für Fahrradfahrer geltenden Grenze von 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration absolut fahruntüchtig sind. Die vom Bundesgerichtshof festgelegte Grenze, wonach der Führer eines Kfz bereits von einem Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille an unwiderleglich fahruntüchtig und wegen Trunkenheit im Verkehr zu bestrafen ist, ist daher auf solche „Pedelecs“ nicht anzuwenden. | Im Fall des OLG war der Fahrer eines „Pedelecs“ mit einer auf seinen Fahrweg einbiegenden Fahrradfahrerin kollidiert, die seine Vorfahrt missachtet hatte. Dabei hatte er 1,59 Promille im Blut. Die Beweise reichten nicht für die einzelfallbezogene Feststellung aus, dass der Angeklagte deshalb alkoholbedingt nicht mehr zum Führen des Fahrzeugs in der Lage war. Eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr unter dem Gesichtspunkt der relativen Fahruntüchtigkeit (Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,3 Promille bei Hinzutreten alkoholtypischer Ausfallerscheinungen) kommt deshalb nicht in Betracht. Eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG (Führen eines Kraftfahrzeugs mit mindestens 0,25 Milligramm je Liter Alkohol in der Atemluft oder mindestens 0,5 Promille Alkohol im Blut) liegt ebenfalls nicht vor, weil handelsübliche „Pedelecs“ mit einer Begrenzung der motorunterstützten Geschwindigkeit auf 25 km/h keine Kraftfahrzeuge im Sinne des Straßenverkehrsrechts sind (§ 1 Abs. 3 StVG). Beachten Sie | Das Amtsgericht Staufen und das LG Freiburg haben den Angeklagten freigesprochen. Gegen das freisprechende Urteil des LG hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, die jetzt dem OLG Karlsruhe zur Entscheidung vorliegt. Dieses hat aber noch nicht endgültig entschieden, da die Beteiligten noch Gelegenheit zur Stellungnahme haben. Das OLG hat den die Sach- und Rechtslage daher nur vorläufig beurteilt. Quelle | OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.7.2020, 2 Rv 35 Ss 175/20, Abruf-Nr. 217111 unter www.iww.de. Trunkenheit II: Deutlich überhöhte Geschwindigkeit als Anzeichen einer relativen Fahruntüchtigkeit| Das Landgericht (LG) Hechingen hat bestätigt: Fährt der Beschuldigte mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,01 Promille und deutlich überhöhter Geschwindigkeit, kann ihm die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen sein. | Dem LG hat aber die deutlich überhöhte Geschwindigkeit nicht gereicht, um eine relative Fahruntüchtigkeit anzunehmen. Denn die Angabe beruhte lediglich auf Schätzungen der Polizeibeamten. Es hat auch berücksichtigt, dass der Beschuldigte spät nachts eine zu dieser Zeit wenig befahrene Strecke befuhr und sich auf dem Heimweg befand. Dies verleitet zwar regelmäßig auch nüchterne Straßenverkehrsteilnehmer zu der fälschlichen Annahme, sich über die geltenden Geschwindigkeitsbegrenzungen hinwegsetzen zu dürfen. Es lagen aber weitere Auffälligkeiten vor, die nach Auffassung des LG die (vorläufige) Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen:
Quelle | LG Hechingen, Beschluss vom 22.6.2020, 3 Qs 45/20, Abruf-Nr. 217107 unter www.iww.de. Abschleppkosten: Wie scharf muss eine scharfe Kurve sein?| Das Halten im Bereich von scharfen Kurven ist verboten. Das musste jetzt ein Autofahrer teuer lernen. | Der Kläger eines beim Verwaltungsgericht (VG) München anhängigen Verfahrens hatte sich gegen die Kosten des Abschleppens seines geparkten Pkw gewendet. Er war der Meinung, er habe verkehrsgerecht geparkt. Bei dem Bereich, in dem er seinen Pkw abgestellt hat, habe es sich nicht um eine scharfe Kurve gehandelt, sondern um einen weitgezogenen Bogen. Eine scharfe Kurve wäre nur gegeben, wenn dort ein parkendes Fahrzeug ein unvermutetes Hindernis für den Straßenverkehr darstellen würde. Das VG hat das anders gesehen: Denn die Straße verlief an der Stelle, an der das klägerische Fahrzeug geparkt war, im 90°-Winkel. Aufgrund des Radius des Straßenverlaufs ist dies eine scharfe Kurve. Zudem sei für den einzelnen Verkehrsteilnehmer aufgrund der gesamten Gestaltung des Kurvenbereichs auch erkennbar gewesen, dass der Kurvenbereich von haltenden Fahrzeugen freizuhalten ist, um eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch haltende Fahrzeuge und die durch diese bedingten Brems- und Ausweichmanöver auszuschließen. Quelle | VG München, 28.4.2020, M 7 K 18.5617, Abruf-Nr. 216410 unter www.iww.de. Fahreignungsmangel: Entzug der Fahrerlaubnis wegen Konsums harter Drogen| Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts (VG) Aachen reicht allein der einmalige Konsum einer harten Droge (z. B. Kokain) aus, um die Fahreignung zu verneinen und die Fahrerlaubnis zu entziehen. Eine Teilnahme am Straßenverkehr ist nicht erforderlich. | Doch was, wenn der Fahrerlaubnisinhaber behauptet, er habe die Drogen unbewusst eingenommen? Hierzu jetzt das VG Lüneburg: Der Fahrerlaubnisinhaber muss in diesen Fällen einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt darlegen, der einen solchen Geschehensablauf als nachvollziehbar und ernsthaft möglich erscheinen lässt. Das gelte vor allem, wenn behauptet werde, das bei ihm festgestellte Benzoylecgonin rühre von einem Konsum des Getränks „Red Bull Cola“ her. Dieser Argumentation folgte das VG Lüneburg hier nicht. Quelle | VG Aachen, Beschluss vom 19.5.2020, 3 L 309/20, Abruf-Nr. 216408 und VG Lüneburg, Beschluss vom 18.5.2020, 1 B 19/20, Abruf-Nr. 216409 unter www.iww.de. Unfallschaden: Abrechnung von Reparaturkosten nach Kostenvoranschlag?| Der Unfallgeschädigte wollte ohne teures Schadensgutachten allein auf der Basis eines Kostenvoranschlags den Unfallschaden abrechnen. Das hätte dem gegnerischen Haftpflicht-Versicherer Geld gespart. Doch der wollte nicht. Und bekam vom Amtsgericht (AG) Recklinghausen Recht. | Was war passiert? Das AG hat die Klage als „unschlüssig“ abgewiesen, weil der Unfallschaden nur anhand des Kostenvoranschlags nicht hinreichend dargelegt sei. Hierfür wäre ein Gutachten erforderlich gewesen. Im Kostenvoranschlag fanden sich z. B. keine Angaben zum Wiederbeschaffungs-, Rest- und Minderwert, was das AG ebenfalls bemängelt hatte. Die Entscheidung ist allerdings umstritten. Quelle | AG Recklinghausen, Urteil vom 29.4.2020, 53 C 113/19, Abruf-Nr. 217021 unter www.iww.de. Neuwertentschädigung: Rabatt für „Menschen mit Behinderung“ ist bei Entschädigung anzurechnen| Erhält der Geschädigte beim Kauf eines Fahrzeugs einen Rabatt in Höhe von 15 Prozent, den der Fahrzeug-Hersteller „Menschen mit Behinderung“ ohne Verhandlungen gewährt, ist dieser Rabatt auf die Neuwertentschädigung anzurechnen. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. | Führt ein Verkehrsunfall zu einem erheblichen Schaden an einem Fahrzeug mit weniger als 1.000 km Laufleistung und weniger als einem Monat Nutzungszeit, erhält der Geschädigte eine sog. Neuwertentschädigung. Das heißt: Die Versicherung des Unfallverursachers zahlt den Neupreis. Im Fall des BGH stellte sich wie häufig die Frage, ob der Rabatt, den der Geschädigte aufgrund seiner Behinderung beim Autokauf erhalten hatte, auf die Entschädigung anzurechnen ist. Der Geschädigte meinte, der Hersteller wolle ihm mit dem Rabatt etwas Gutes tun, und nicht dem Unfallverursacher. Dessen Versicherer verwies auf die ältere BGH-Rechtsprechung zum Werksangehörigenrabatt, der angerechnet werden muss. In der aktuellen Entscheidung argumentierte der BGH zudem, dass der Geschädigte nicht am Unfall verdienen soll. In seinem Vermögen befindet sich nicht nur wie vor dem Unfall ein Neufahrzeug, sondern zusätzlich ein Geldbetrag in Höhe des Rabatts, den er auch für das nach dem Unfall angeschaffte Ersatzfahrzeug erhalten hatte. Dem steht nicht entgegen, dass der bei dem Kauf des Wagens eingeräumte Rabatt auf diese Weise dem ersatzpflichtigen Schädiger zugutekommt. Quelle | BGH, Urteil vom 14.7.2020, Az. VI ZR 268/19, Abruf-Nr. 217178 unter www.iww.de. Abschließende HinweiseBerechnung der Verzugszinsen| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. | Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 beträgt -0,88 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:
Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).
Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 09/2020| Im Monat September 2020 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: | Steuertermine (Fälligkeit):
Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen. Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 14.9.2020. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt. Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit): Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat September 2020 am 28.9.2020. |