News 10/2021



Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 10-2021:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und WEG

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Abschließende Hinweise

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Arbeitsrecht

Stellenausschreibung: Kann ein Gendersternchen diskriminierend sein?

| Gendergerechte Sprache ist aktuell ein vieldiskutiertes Thema. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein befasste sich mit diesem Fall: Die Verwendung des Gendersternchens in einer Stellenausschreibung diskriminiert mehrgeschlechtlich geborene Menschen nicht. |

Anlass des Streits war die Stellenausschreibung einer Gebietskörperschaft, in der mehrere Diplom-Sozialpädagog*innen, Diplom-Sozialarbeiter*innen, Diplom-Heilpädagog*innen gesucht wurden, u. a. mit den Sätzen „Näheres entnehmen Sie bitte dem nachstehenden Anforderungsprofil einer Fachkraft (m/w/d).“ sowie: „Schwerbehinderte Bewerber*innen werden bei entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt.“ Die zweigeschlechtlich geborene schwerbehinderte klagende Partei bewarb sich und erhielt eine Absage. Das Arbeitsgericht (ArbG) Elmshorn sprach ihr aus anderen Gründen eine Entschädigung in Höhe von 2.000 EUR zu.

Daraufhin beantragte die klagende Partei für die Berufung Prozesskostenhilfe (PKH), da die Entschädigung höher sein müsse. Das LAG wies den PKH-Antrag wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht zurück.

Das Gendersternchen diene einer geschlechtersensiblen und diskriminierungsfreien Sprache. Ziel sei es, nicht nur Frauen und Männer in der Sprache gleich sichtbar zu machen, sondern auch alle anderen Geschlechter zu symbolisieren und der sprachlichen Gleichbehandlung aller Geschlechter zu dienen. Ob das Gendersternchen den offiziellen deutschen Rechtschreibregeln entspreche, könne dahingestellt bleiben. Dass geschlechtsneutral ausgeschrieben werden sollte, sei im Übrigen auch durch den Zusatz „m/w/d“ deutlich geworden. Damit habe die Verwendung des Begriffs „Bewerber*innen“ statt „Menschen“ keinen diskriminierenden Charakter.

Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22.6.2021, 3 Sa 37 öD/21, Abruf-Nr. 223389 unter www.iww.de

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Berechnung der Urlaubsabgeltung: Ende eines Arbeitsverhältnisses nach längerer Zeit unverschuldeter Arbeitsversäumnis

| Endet ein Arbeitsverhältnis nach längerer Zeit unverschuldeter Arbeitsversäumnis, stellt sich die Frage, wie die Höhe einer Urlaubsabgeltung zu berechnen ist. Diese Frage hat nun das Landesarbeitsgericht (LAG) Thüringen beantwortet. Danach bestimmt sich die Höhe nach dem Verdienst der letzten 13 Wochen des Arbeitsverhältnisses, für die ein Anspruch auf Vergütung bestand. |

Nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) gilt: Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht. Dazu weist das LAG darauf hin, dass eine Arbeitsversäumnis erst verschuldet ist, wenn ein grober Verstoß gegen Verhaltenspflichten vorliegt, deren Einhaltung von jedem verständigen Menschen im eigenen Interesse, sich selbst nicht zu schädigen, erwartet werden kann.

Quelle | LAG Thüringen, Urteil vom 28.4.2021, 6 Sa 304/18, Abruf-Nr. 223684 unter www.iww.de

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Verdachtskündigung: Auf Vermutungen gestützte Verdächtigungen genügen nicht

| Der dringende Verdacht einer erheblichen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Der Tatverdacht muss allerdings auch tatsächlich dringend sein. Hierauf wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern nun hin. |

Eine Verdachtskündigung kommt in Betracht, wenn gewichtige, auf objektive Tatsachen gestützte Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt hat. Es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Verdacht zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus.

Der kündigende Arbeitgeber muss darlegen und beweisen, dass ein solcher Kündigungsgrund gegeben ist. Ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für die Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen.

Quelle | LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18.5.2021, 2 Sa 269/20, Abruf-Nr. 223497 unter www.iww.de

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Corona-Pandemie: Entgeltfortzahlung trotz Quarantäne?

| Eine gegenüber einem arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer angeordnete Quarantäne schließt dessen Entgeltfortzahlungsanspruch nicht aus. Zu diesem Ergebnis kam das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen. |

Der Arbeitnehmer suchte wegen Kopf- und Magenschmerzen einen Arzt auf. Dieser stellte die Arbeitsunfähigkeit fest, führte einen Covid-19-Test durch und meldete dies dem Gesundheitsamt. Das Gesundheitsamt ordnete zwar wenige Tage später Quarantäne an, der Covid-19-Test fiel im Nachgang aber negativ aus. Nach Kenntnis der Quarantäneanordnung zog der Arbeitgeber die zunächst an den Arbeitnehmer geleistete Entgeltfortzahlung von der Folgeabrechnung wieder ab und zahlte stattdessen eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz aus.

Der Arbeitnehmer kann die sich aus der Rückrechnung ergebende Differenz verlangen. Das ArbG stellte fest: Die Quarantäne schließt den Entgeltfortzahlungsanspruch des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers nicht aus. Es sei zwar richtig, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch die Arbeitsunfähigkeit als einzige Ursache für den Wegfall des Arbeitsentgeltanspruchs voraussetze. Diese Voraussetzung liege hier aber vor, da der Arzt die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Kopf- und Magenschmerzen attestiert habe. Demgegenüber bestehe der Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz gerade nicht für arbeitsunfähig Kranke, sondern nur für Ausscheider, Ansteckungs- und Krankheitsverdächtige. Nur bei den Genannten müsse auf das Infektionsschutzgesetz zurückgegriffen werden.

Quelle | ArbG Aachen, Urteil vom 30.3.2021, 1 Ca 3196/20, Abruf-Nr. 223819 unter www.iww.de

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Corona-Pandemie: Müssen Urlaubstage bei Quarantäne nachgewährt werden?

| Es besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Nachgewährung von Urlaubstagen bei einer Quarantäneanordnung wegen einer Corona-Infektion. Zu diesem Ergebnis kam das Arbeitsgericht (ArbG) Bonn. |

Die Arbeitnehmerin im Fall des ArbG erhielt für zwei Wochen vom 30.11. bis 12.12.2020 Urlaub. Aufgrund einer Infektion mit dem Coronavirus musste sie auf behördliche Anordnung vom 27.11. bis zum 7.12.2020 in häusliche Quarantäne. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) lag für diesen Zeitraum nicht vor. Sie verlangte vom Arbeitgeber, ihr fünf Urlaubstage nachzugewähren.

Das ArbG wies die Klage ab. Die Voraussetzungen des Bundesurlaubsgesetzes für die Nachgewährung von Urlaubstagen bei einer Arbeitsunfähigkeit lägen nicht vor. Danach würden bei einer Erkrankung während des Urlaubs die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeitstage auf den Jahresurlaub nicht angerechnet werden. Die Arbeitnehmerin habe ihre Arbeitsunfähigkeit jedoch nicht durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen. Eine behördliche Quarantäneanordnung stehe einem ärztlichen Zeugnis über die Arbeitsunfähigkeit nicht gleich. Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit obliege allein dem Arzt. Eine Infektion mit dem Coronavirus führe nicht zwingend und unmittelbar zu einer AU.

Quelle | ArbG Bonn, Urteil vom 7.7.2021, 2 Ca 504/21, Abruf-Nr. 223859 unter www.iww.de

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Fristlose Kündigung: Grobe Beleidigung des Arbeitgebers ist keine freie Meinungsäußerung

| Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen Kündigungsgründe „an sich“ dar. Der Arbeitnehmer kann sich nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung nach dem Grundgesetz (Artikel 5 Abs. 1 GG) berufen. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern jetzt entschieden. |

Es hebt hervor: Im groben Maße unsachliche Angriffe, die u. a. zur Untergrabung der Position des Vorgesetzten oder Arbeitgebers führen, muss der Arbeitgeber nicht hinnehmen. Einer Abmahnung bedarf es etwa nicht, wenn es sich um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen ist.

Das LAG: Es kommt nicht darauf an, ob ein Straftatbestand erfüllt ist. Ausschlaggebend ist allein das Vorliegen einer Pflichtverletzung und die Frage, ob ein Arbeitgeber diese hinzunehmen hat.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz hatte der Arbeitnehmer während einer Weihnachtsfeier in Anwesenheit sämtlicher Mitarbeiter und des Hotelpersonals den Geschäftsführer als „Arschloch“, „Wixer“ und „Pisser“ bezeichnet und ihn mit den Worten „Fick Dich“ beschimpft. Ein tätlicher Angriff des Arbeitnehmers auf den Geschäftsführer sei allein durch das beherzte Eingreifen von Mitarbeitern verhindert worden.

Quelle | LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27.4.2021, 2 Sa 153/20, Abruf-Nr. 223958 unter www.iww.de

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Baurecht

Aufstockungsklagen: EuGH-Generalanwalt macht wenig Hoffnung

| Können sich Architektur- und Ingenieurbüros auch noch nach der Mindestsatz-Entscheidung des EuGH in den Mindestsatz der HOAI hineinklagen bzw. wie werden anhängige Aufstockungsklagen entschieden? Diese Fragen scheinen nach der Stellungnahme des Generalanwalts beim EuGH geklärt. Es sieht für Architektur- und Ingenieurbüros schlecht aus. Das letzte Wort hat aber der EuGH selbst. |

Ein nationales Gericht muss eine nationale Regelung (hier die HOAI), die Mindestsätze für Dienstleistungserbringer in einer Weise festlegt, die gegen die Dienstleistungsrichtlinie verstößt, unangewendet lassen, wenn es mit einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen über einen Anspruch befasst ist, der auf diese Regelung gestützt ist. Diese Ansicht hat der EuGH-Generalanwalt in seinem Schlussantrag vertreten, der am 15.07.2021 veröffentlicht worden ist. Er stützt sich dabei auf die Dienstleistungsrichtlinie und das EU-Grundrecht der Vertragsfreiheit.

Teilt der EuGH die Auffassung seines Generalanwalts, was sehr oft geschieht, hätte das zur Folge, dass sich klagende Büros nicht auf die in § 7 HOAI 2013 geregelten Mindestsätze berufen könnten. Aufstockungsklagen wären erfolglos. Letztlich wird man aber erst nach der EuGH-Entscheidung endgültig Bescheid wissen. Diese wird für Ende 2021 erwartet.

Den Wortlaut des Schlussantrags finden Sie hier: www.iww.de/s5374.

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Erweiterung eines Verkehrsflughafens: Verfassungsbeschwerde einer Umwelt- und Naturschutzvereinigung gegen Planfeststellungsbeschluss erfolglos

| Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Verfassungsbeschwerde einer anerkannten Umwelt- und Naturschutzvereinigung nicht zur Entscheidung angenommen. Diese hatte sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für die Erweiterung des Verkehrsflughafens München durch eine dritte Start- und Landebahn gewandt sowie gegen die dazu ergangenen gerichtlichen Entscheidungen. In vier weiteren Verfahren, die sich gegen Planfeststellungsbeschlüsse und dazu ergangene gerichtliche Entscheidungen betreffend die Flughäfen München und Frankfurt am Main richteten, hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerden weiterer Beschwerdeführer ebenfalls nicht zur Entscheidung angenommen. |

So argumentierte der Beschwerdeführer

Der Beschwerdeführer griff u. a. das dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegende Luftverkehrsprognosegutachten sowie dessen gerichtliche Kontrolle an. Er meinte, die Vorinstanz habe die gerichtliche Kontrolle der Luftverkehrsprognose nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechend durchgeführt.

Er bemängelte vor allem Folgendes: Die Vorinstanz habe den Prüfungsumfang bezüglich der Prognosemethodik eingeschränkt. Die Frage, ob eine Prognose einwandfrei zustande gekommen sei, unterliege aber nicht der vollständigen gerichtlichen Kontrolle. Hinzu käme: Die Methode der Luftverkehrsprognose sei intransparent und nicht nachvollziehbar genug. Die der Prognose zugrunde liegende, sogenannte Quelle-Ziel-Matrix sowie bestimmte Datengrundlagen, wie Fluggastbefragungen, seien nicht offengelegt worden. Weder die Behörde oder deren Qualitätssicherer noch der Beschwerdeführer oder die Gerichte hatten die Prognose überprüfen können. Falsch sei auch gewesen, dass die Vorinstanz im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses auf den Tag der Behördenentscheidung abgestellt habe, obwohl die Planrechtfertigung danach aber noch während des gerichtlichen Verfahrens entfallen sei, weil die Erwartungen der Luftverkehrsprognose nicht eingetreten seien.

Verfassungsbeschwerde erfolglos

Die Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos. Der Beschwerdeführer hat nicht hinreichend dargelegt, dass die Möglichkeit einer Verletzung der Rechtsschutz- und Eigentumsgarantie wegen einer unzureichenden Kontrolle der Grundlagen der Luftverkehrsprognose bestand. Zudem hat er es versäumt, alle Schriftstücke, deren Kenntnis für eine Beurteilung der Berechtigung der geltend gemachten Rüge erforderlich ist, mit der Verfassungsbeschwerde vorzulegen. Er hat auch nicht ihren wesentlichen Inhalt wiedergegeben.

So sah es das Bundesverfassungsgericht

Das BVerfG stellte fest: Die fehlenden Unterlagen wären für die Beurteilung erforderlich gewesen, ob die Kenntnis der nicht öffentlich zugänglichen Datengrundlagen unentbehrlich war, oder in Einklang mit dem Grundgesetz angenommen werden durfte, dass auf sie hätte verzichtet werden können.

Schließlich schrieb das BVerfG dem Beschwerdeführer ins Stammbuch, dass er eine Verletzung der Rechtsschutz- und Eigentumsgarantie ebenfalls nicht hinreichend dargelegt habe, soweit die Vorinstanz für die gerichtliche Nachprüfung und Beurteilung der Verkehrsprognose allein auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abgestellt und die nach diesem Zeitpunkt eingetretenen, vom Beschwerdeführer geltend gemachten und im Widerspruch zu der Prognose stehenden Entwicklungen nicht berücksichtigt hat. Wird bei der Entscheidung über die Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss auf den Zeitpunkt des Erlasses abgestellt, bleibt der Enteignungsbetroffene für den Fall geschützt, dass seine durch den Beschluss ermöglichte Enteignung aufgrund nachträglicher Änderungen der Sach- oder Rechtslage nicht mehr dem Gemeinwohl dienen würde. Nicht substanziiert dargelegt habe der Beschwerdeführer, dass hier etwa ein verwaltungsverfahrensrechtlicher Schutz von vornherein nicht zu erlangen wäre. Dies sei auch nicht ersichtlich.

Quelle | BVerfG, Beschluss vom 1.6.2021, 1 BvR 2374/15, PM 61/21 vom 20.7.2021

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Architektenhaftung: Wann haftet der Architekt bei unwirtschaftlicher Sanierung?

| Der Architekt muss in Kostenschätzung und -berechnung die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Auftraggebers beachten. Dieser Grundsatz besteht seit vielen Jahren. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat dazu eine ergänzende Beratungspflicht formuliert: Bestehen konkrete Anhaltspunkte, dass mit wesentlichen Kostensteigerungen zu rechnen ist, soll der Architekt den Auftraggeber rechtzeitig vor Investitionsentscheidung informieren. |

Das OLG: Diese Beratungspflicht geht jedoch nicht so weit, dass z. B. bei einer Modernisierungsmaßnahme alle Einzelheiten erwähnt werden müssen, die Kostensteigerungen (z. B. wegen Gebäudeschäden) auslösen können. Wirtschaftlich unbedeutende Kostengruppen sind von der Beratungspflicht nicht betroffen Kostengruppen, die hinsichtlich ihrer Auswirkungen relevant sind, dafür umso mehr.

Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.4.2020, 8 U 92/18, Abruf-Nr. 223600 unter www.iww.de; rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 10.2.2021, VII ZR 80/20

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Familien- und Erbrecht

Familienrecht: Umgangsrecht des leiblichen Vaters bei privater Samenspende

| Ein Umgangsrecht kann dem leiblichen Vater auch im Fall der sogenannten privaten Samenspende zustehen, wenn das Kind mit seiner Einwilligung von der eingetragenen Lebenspartnerin der Mutter adoptiert worden ist. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |

Sachverhalt

Die Mutter des mittels einer sogenannten privaten Samenspende des Antragstellers gezeugten und im August 2013 geborenen Kindes lebt in eingetragener Lebenspartnerschaft mit einer Lebenspartnerin. Die Lebenspartnerin adoptierte das Kind 2014 mit Einwilligung des Antragstellers im Wege der sog. Stiefkindadoption.

Der Antragsteller hatte zunächst bis 2018 Umgangskontakte mit dem Kind, die entweder im Haushalt der (rechtlichen) Eltern stattfanden oder die außerhalb von einer von ihnen begleitet wurden. Das Kind hat Kenntnis von der leiblichen Vaterschaft des Antragstellers. Im Sommer 2018 äußerte er gegenüber den Eltern den Wunsch, Umgang mit dem Kind in seiner häuslichen Umgebung und für einen längeren Zeitraum zu haben, was diese ablehnten. Nach zwei weiteren Treffen brach der persönliche Kontakt des Antragstellers zu dem Kind ab.

Leiblicher Vater möchte Umgangsrecht

Der Antragsteller hat eine Umgangsregelung dahin beantragt, dass er das Kind 14-tägig dienstags um 13:30 Uhr aus der Kindertageseinrichtung abholt und es um 18:00 Uhr seinen Eltern übergibt.

Prozessverlauf

Das Amtsgericht (AG) hat den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde des Antragstellers ist vom Beschwerdegericht zurückgewiesen worden, weil für ein Umgangsrecht keine Rechtsgrundlage bestehe.

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hat der BGH den Beschluss des Beschwerdegerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.

Sozial-familiäre Beziehung muss vorliegen

Zwar ist ein direktes Umgangsrecht nicht gegeben, weil dieses nur rechtlichen Eltern zusteht und damit für den Antragsteller als nur leiblichem Vater ausscheidet. Auch ein Anspruch aus dem sog. Umgangsrecht von engen Bezugspersonen besteht nicht. Hierfür ist erforderlich, dass eine von tatsächlicher Verantwortungsübernahme geprägte sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind begründet wurde, welche im vorliegenden Fall aber aufgrund der zeitlichen Begrenzung der stets von den Eltern begleiteten Kontakte nicht gegeben war.

Kindeswohl im Mittelpunkt

Dagegen ist ein Anspruch nach dem sog. Umgangsrecht des leiblichen Vaters grundsätzlich möglich. Danach hat der leibliche Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat, ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient. Dass das Kind mithilfe einer sogenannten privaten Samenspende gezeugt worden ist, hindert die Anspruchsberechtigung des Erzeugers und die Zulässigkeit des Antrags nicht, zumal dem privaten Samenspender im Unterschied zur „offiziellen Samenspende“ bei ärztlich unterstützter Befruchtung auch die Feststellung seiner Vaterschaft nicht kraft Gesetzes versperrt wäre.

Adoption schließt Umgangsrecht nicht aus

Auch die Adoption schließt das Umgangsrecht nicht aus. Insofern besteht kein sachlicher Unterschied zwischen einer Stiefkindadoption durch den Ehemann der Mutter und der vom Gesetz nicht ausdrücklich berücksichtigten durch Adoption begründeten Elternschaft der Lebenspartnerin oder Ehefrau der Mutter. Dass der Antragsteller in die Adoption eingewilligt hatte, steht dem Umgangsrecht ebenfalls nicht entgegen. Die Einwilligung des leiblichen Vaters in die Adoption schließt das Umgangsrecht vielmehr nur aus, wenn darin gleichzeitig ein Verzicht auf das Umgangsrecht zu erblicken ist. Daran fehlt es jedenfalls, wenn das Kind nach Absprache der Beteiligten den leiblichen Vater kennenlernen und Kontakt zu ihm haben sollte.

Kindeswohl entscheidend

Dies steht auch im Einklang mit adoptionsrechtlichen Wertungen. Denn das Adoptionsrecht sieht für die sog. offene oder halboffene Adoption zunehmend auch die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Kontakts zwischen Kind und Herkunftsfamilie vor. Ob und in welchem Umfang ein Umgang zu regeln ist, beurteilt sich daher vornehmlich danach, ob der leibliche Vater ein ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat und inwiefern der Umgang dem Kindeswohl dient. Dabei muss der leibliche Vater das Erziehungsrecht der rechtlichen Eltern respektieren, ohne dass dieses die Eltern zur Verweigerung des Umgangs berechtigt.

Kind darf sich äußern

Das Beschwerdegericht muss nach Zurückverweisung des Verfahrens jetzt prüfen, ob und inwiefern der Umgang im vorliegenden Fall dem Kindeswohl dient, und hierfür auch das inzwischen siebenjährige Kind persönlich anhören.

Quelle | BGH, Beschluss vom 16.6.2021, XII ZB 58/20, Abruf-Nr. 223671 unter www.iww.de

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Testamentsformulierung: „Im Falle eines gemeinsamen Ablebens“ enthält keine zeitliche Komponente im Sinne von „gleichzeitig“

| Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat sich mit der häufig genutzten Formulierung „im Falle eines gemeinsamen Ablebens“ in einem gemeinschaftlichen Testament befasst. Es hat dabei klargestellt, wie diese Formulierung rechtlich zu verstehen ist. |

Mit handschriftlichem Testament testierten der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau unter der Überschrift „Gemeinschaftliches Testament“ wie folgt: „Wir, die Eheleute ... , setzen uns gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden, zum alleinigen Erben ein. Düsseldorf, den 26.3.2007“. Es folgte die Unterschrift der Ehefrau sowie die Unterschrift des Erblassers mit dem Zusatz „Dies soll auch mein Testament sein“. Darunter bestimmten die Eheleute zusätzlich Folgendes: „Im Falle eines gemeinsamen Ablebens setzen wir als Erben ein: ... 60 Prozent des Gesamtwertes: B. ..., ..., 40 Prozent des Gesamtwertes: K. ..., ...“. Es folgten die Unterschriften beider Eheleute mit Datumszusatz 26.3.2007. Bei den im Testament genannten Personen „K.“ und „B.“ handelt es sich um Nichten der Ehefrau.

Mit Erbscheinsantrag vom 17.8.2017 beantragten die Nichten, einen Erbschein zu erteilen, der „B.“ als Erbin zu 6/10, die „K.“ als Erbin zu 4/10 ausweist. Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen und dies u. a. wie folgt begründet: Es lasse sich nicht mit Sicherheit ausschließen, dass der Erblasser und seine Ehefrau lediglich im Sinne einer sog. Katastrophenklausel hätten testieren wollen und der Erblasser es nach dem Tod seiner Ehefrau nicht für nötig gehalten habe, „K.“ und „B.“ zu Schlusserben einzusetzen. Der daraufhin erhobenen Beschwerde der Nichten hat das Nachlassgericht nicht abgeholfen.

Nach Vorlage an das OLG hatte die Beschwerde jedoch Erfolg. Im Hinblick auf die Frage, ob die Formulierung „im Falle eines gemeinsamen Ablebens“ auch den hier gegebenen Fall erfasst, dass die Eheleute in größerem zeitlichem Abstand versterben, erscheine das Testament auslegungsbedürftig. Formulierungen, die auf ein „gleichzeitiges“ Versterben abstellen, erfassten zunächst Fallkonstellationen, in denen Eheleute zeitgleich versterben, also etwa aufgrund eines Unfalls.

Demgegenüber würden Formulierungen, die auf das beiderseitige Versterben abstellen, im Allgemeinen als zeitlich neutral erscheinen. Sie könnten unter Würdigung des gesamten Testamentsinhalts sowie der Beweggründe und Begleitumstände so auszulegen sein, dass sie auch das Versterben beider Eheleute ohne Rücksicht auf den zeitlichen Abstand erfassen. Gleiches habe im Hinblick auf die hier gewählte Formulierung „im Falle eines gemeinsamen Ablebens“ zu gelten. Denn diese Formulierung stellt gerade nicht auf ein gleichzeitiges Versterben ab, sondern kann ebenso gut im Sinne von „wenn wir beide verstorben sind“ verstanden werden, so das OLG. Anders als das Adjektiv „gleichzeitig“ enthalte „gemeinsam“ keine zeitliche Komponente. Nach allgemeinem Sprachverständnis habe „gemeinsam“ vielmehr die Bedeutung von „zusammen“, „miteinander“ oder „gemeinschaftlich“. Gemeint sein kann daher auch der „gemeinsame“ Zustand nach dem Versterben beider Ehegatten.

Quelle | OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.4.2021, I-3 Wx 193/20, Abruf-Nr. 223280 unter www.iww.de

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Vergütungskürzung: Wenn der Nachlasspfleger die Erben nur langsam sucht

| Ob einem Nachlasspfleger sein Salär wegen mangelhafter Amtsführung im Fall einer verzögerten Ermittlung von Erben gekürzt werden kann, hatte kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf zu entscheiden. |

Das Nachlassgericht bestellte einen Nachlasspfleger. Der Vermieter des Erblassers hatte den Antrag gestellt, nachdem der Erblasser nach langer Liegezeit fortgeschritten verwest von der Kriminalpolizei in seiner Wohnung gefunden worden war und Angehörige nicht hatten ermittelt werden können. Im Februar 2019 teilte der Nachlasspfleger zur Erbenermittlung mit, der Erblasser habe eine Schwester gehabt, die nach den bisherigen Erkenntnissen als (gesetzliche) Alleinerbin in Betracht komme. Auf Antrag der Schwester wurde ihr ein Alleinerbschein erteilt; gleichzeitig wurde die Nachlasspflegschaft aufgehoben. Auf den Antrag des Nachlasspflegers hin setzte das Nachlassgericht dessen Vergütung auf über 4.000 Euro fest. Dagegen setzt sich die Schwester zur Wehr. Die Vergütung sei aufgrund mangelhafter Amtsführung zu kürzen. Sie trug vor, der Nachlasspfleger hätte sie bereits Ende August 2018 durch Hinweise von Vermieterseite als Schwester des Erblassers und dessen Erbin finden können.

In seinem aktuellen Beschluss stellt das OLG Düsseldorf hierzu fest, dass der Einwand mangelhafter Amtsführung bei der Festsetzung der Nachlasspflegervergütung nach einhelliger Auffassung grundsätzlich unerheblich sei. Gleichzeitig betont das Gericht aber, dass etwaige, aus der Amtsführung des Nachlasspflegers entstandene Gegenansprüche auf Schadenersatz durchaus bestehen können.

Diese Ansprüche sind jedoch nicht vom Nachlassgericht im Verfahren über die Pflegervergütung zu befinden, sondern vor den Zivilgerichten geltend zu machen. Eine Verwirkung des Vergütungsanspruchs kommt nur bei einer schweren Pflichtverletzung des Nachlasspflegers in Betracht, z. B. bei der Veruntreuung von Vermögen.

Quelle | OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.1.2021, 3 Wx 236/19, Abruf-Nr. 223066 unter www.iww.de

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Mietrecht und WEG

Mietverhältnis: Beschimpfung rechtfertigt nicht ohne Weiteres eine fristlose Kündigung

| Die einmalig gegenüber einem Hausverwalter geäußerten Worte „fuck you“ unter Berücksichtigung der angespannten Situation während eines Räumungsrechtsstreits begründen keine außerordentliche Kündigung. Es handelt sich um eine jugendsprachlich verbreitete Unmutsäußerung, die nicht derart schwerwiegend und ehrverletzend ist, dass sie die Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Mietverhältnisses begründet. So sieht es jedenfalls das Amtsgericht (AG) Berlin-Köpenick. |

Beleidigungen können eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dann ist aber grundsätzlich zunächst eine Abmahnung erforderlich. Ein erstmaliger Vorfall berechtigt also nur zur fristlosen Kündigung, wenn die Beleidigung als so schwerwiegend anzusehen ist, dass eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich ist. Wenn der „Beleidigte“ die Beleidigung gar nicht als solche versteht, sind die Kündigungsvoraussetzungen nicht erfüllt.

Hier hatte der Hausverwalter gesagt, dass es sich bei „fuck you“ um „keine guten Worte“ handle. Das reichte nicht aus, um eine Beleidigung ihm gegenüber anzunehmen.

Quelle | AG Berlin-Köpenick, Urteil vom 6.10.2020, 3 C 201/19, Abruf-Nr. 223836 unter www.iww.de

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Mietsache: Kein Anspruch des Mieters auf Verplombung oder Stilllegung von Heizkörpern

| Ein Anspruch des Mieters auf Verplombung oder Stilllegung einzelner Heizkörper besteht nicht. Umgekehrt hat der Mieter die Pflicht, die Mieträume im Rahmen seiner nebenvertraglichen Obhutspflicht entsprechend zu beheizen und zu lüften, sodass die Räume keinen Schaden nehmen. Das hat das Amtsgericht (AG) München entschieden. |

Der Mieter einer zentralbeheizten Wohnung wollte zeigen, dass die Verbrauchswerte in einzelnen Räumen stets mit 0 zu veranschlagen seien, weil dort die Heizkörper immer abgestellt waren. Entsprechend forderte er vom Vermieter, Heizkörper zu verplomben oder zu demontieren.

Das AG hat einen Anspruch des Mieters auf Veränderung der Mietsache verneint. Zwar ist der Mieter nicht zur Nutzung der Mieträume verpflichtet. Mit der Übergabe der Mietsache geht aber die Obhutspflicht auf ihn über. Er muss sein Nutzungsverhalten so einrichten, dass an der Mietsache keine Schäden entstehen. Das bedeutet gerade für Feuchträume eine Beheizungspflicht (neben der Lüftungspflicht), um z.B. das Aufkommen von Schimmelpilzen zu vermeiden.

Einen Anspruch auf Änderung des Vertragsinhalts hinsichtlich der zu nutzenden mitvermieteten Gegenstände sieht das Gesetz nur für die bestimmte Fälle vor: Barrierefreiheit, Elektromobilität und Einbruchschutz. Im Umkehrschluss ist daraus zu entnehmen, dass weitere (einseitige) Forderungsrechte des Mieters auf Veränderung der Mietsache nicht bestehen.

Darüber hinaus ist es dem Vermieter nicht zumutbar, bei jedem Mieterwechsel die Heizkörper entweder neu anzubringen oder zu deinstallieren. Schließlich würde auch das gesamte Heizsystem durch die Herausnahme einzelner Heizkörper gestört. Ebenso besteht im Falle einer Verplombung und Stilllegung der Heizkörper die Situation, dass benachbarte Mieter mit unverhältnismäßig hohen Heizkosten belangt werden. Wenn nämlich ein Mieter manche Räume gar nicht mehr heizt, ergibt sich für den benachbarten Mieter eine erhöhte Heizbelastung, um die entsprechenden angrenzenden Räume von Feuchtigkeitsschäden freizuhalten.

Quelle | Amtsgericht (AG) München, Urteil vom 21.10.2020, 416 C 10714/20, rechtskräftig, Abruf-Nr. 223839 unter www.iww.de

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Mietnebenkosten: Kosten für Treppenhausreinigung auf alle Mieter umlegbar

| Der Vermieter kann die Kosten der Reinigung des Treppenhauses als Betriebskosten auf alle Wohnungsmieter umlegen, selbst wenn einzelne Mieter nur die Kellertreppe dieses Treppenhauses benutzen. Das hat das Amtsgericht (AG) Brandenburg jetzt entschieden. |

Wenn die Tätigkeiten des Hausmeisters und/oder Gärtners mangelhaft bzw. nur unzulänglich sind, kann der Vermieter zwar ggf. nicht die vollen Kosten hierfür bei der Abrechnung der Betriebskosten gegenüber den Mietern ansetzen. Dies setzt aber ein Verschulden des Vermieters voraus.

Die Beweislast für die Behauptung, dass der Hausmeister/Gärtner seinen dienstvertraglichen Verpflichtungen nur unzureichend bzw. mangelhaft nachgekommen ist, tragen die Mieter.

Quelle | AG Brandenburg, Urteil vom 27.5.2021, 31 C 295/19

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WEG: Einheitliche Jahresabrechnung bei Untergemeinschaften in Mehrhausanlage

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun entschieden: Auch dann, wenn nach der Gemeinschaftsordnung einer Mehrhausanlage Untergemeinschaften in eigener Zuständigkeit nach dem Vorbild selbstständiger Eigentümergemeinschaften über die Lasten und Kosten entscheiden, muss für die Wohnungseigentümergemeinschaft eine einheitliche Jahresabrechnung erstellt und beschlossen werden. |

Über die Gesamtabrechnung als Teil der einheitlichen Jahresabrechnung muss nach dieser Entscheidung zwingend allein die Gesamtgemeinschaft beschließen; ebenso ist die Darstellung der Instandhaltungsrücklage notwendigerweise Sache der Gesamtgemeinschaft, und zwar auch dann, wenn für Untergemeinschaften separate Rücklagen zu bilden sind.

Der BGH: Untergemeinschaften kann eine Befugnis zur eigenständigen Beschlussfassung über Teile der einheitlichen Jahresabrechnung nur durch ausdrückliche, eindeutige Regelung in der Gemeinschaftsordnung eingeräumt werden, und zwar beschränkt auf die Verteilung der ausschließlich die jeweilige Untergemeinschaft betreffenden Kosten in den Einzelabrechnungen; im Zweifel ist das Rechnungswesen insgesamt Sache der Gesamtgemeinschaft.

Quelle | BGH, Urteil vom 16.7.2021, V ZR 163/20, Abruf-Nr. 224102 unter www.iww.de

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Verbraucherrecht

Corona-Pandemie: Behördliche Schließung: Fitnessstudiobeiträge zurückzuzahlen?

| Viele Sportbegeisterte kennen das: Während der Corona-Pandemie mussten Fitnessstudios zeitweise schließen. Doch sie zogen häufig die Mitgliedsbeiträge einfach weiter ein. War das korrekt? Oder muss der Studiobetreiber die Beiträge erstatten? Das hat nun das Landgericht (LG) Osnabrück geklärt. |

Sachverhalt

Der Kläger hatte mit dem beklagten Fitnessstudio einen Mitgliedsvertrag über 24 Monate geschlossen. Aufgrund behördlicher Anordnung schloss das Studio (Beklagte) vom 16.3.2020 bis zum 4.6.2020. Noch während der Schließung kündigte der Kläger seine Mitgliedschaft zum 8.12.2021.

Keine Studionutzung, aber Beträge wurden abgebucht

Ärgerlich: Die Mitgliedsbeiträge zog der Studiobetreiber auch für den Zeitraum weiter ein, in dem er geschlossen hatte. Obwohl der Kläger ihn aufforderte, die Beiträge für den Schließungszeitraum zu erstatten, geschah nichts.

Erste und zweite Instanz: Gelder sind zurückzuzahlen

Das Amtsgericht (AG) Papenburg gab dem Kläger Recht. Es verurteilte das Fitnessstudio, die Beträge zurückzuzahlen. Dagegen legte das Fitnessstudio Berufung ein. Denn die von ihm geschuldete Leistung Zurverfügungstellung des Studios könne es jederzeit nachholen. Der Vertrag sei dahingehend anzupassen, dass sich die Vertragslaufzeit um die behördlich angeordnete Schließungszeit verlängere.

Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg: Das Fitnessstudio muss dem Kläger die Beträge erstatten.

Leistung kann nicht nachgeholt werden

Dem Fitnessstudio sei die geschuldete Leistung aufgrund der Schließung unmöglich geworden, sodass sein Anspruch auf die Monatsbeträge für den Zeitraum der Schließung entfalle. Die geschuldete Leistung könne nicht nachgeholt werden.

Ein Anspruch auf Anpassen des Vertrags bestehe nicht: Der Schließungszeitraum kann nicht an das Ende der Vertragslaufzeit (kostenfrei) angehängt werden.

Beachten Sie | Der Gesetzgeber sieht für Miet- und Pachtverhältnisse ausdrücklich eine Anpassung der Verträge für die Zeit der Corona-bedingten Schließung vor. Für Freizeiteinrichtungen sei eine solche Regelung dagegen nicht getroffen worden. Vielmehr sei lediglich eine sog. Gutscheinlösung vorgesehen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision ist zugelassen.

Quelle | LG Osnabrück, Urteil vom 9.7.2021, 2 S 35/21, PM 29/21 vom 12.7.2021

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BGH-Entscheidung: Keine Reservierungsgebühr für die Zeit vor dem Einzug in ein Pflegeheim

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Frage entschieden, ob eine Platz-/Reservierungsgebühr, die einem privatversicherten Pflegebedürftigen für die Zeit vor dem tatsächlichen Einzug in das Pflegeheim berechnet wurde, zurückerstattet werden muss. Er hat dies bejaht. |

Das war geschehen

Für die inzwischen verstorbene Mutter des Klägers bestand eine private Pflegepflichtversicherung. Sie war ab dem 4.1.2016 pflegebedürftig und wurde zunächst in einem anderen Alten- und Pflegeheim vollstationär untergebracht. In der Folgezeit schlossen der Kläger als Vertreter seiner Mutter und die Beklagte als Einrichtungsträgerin am 12.2.2016 einen schriftlichen „Vertrag für vollstationäre Pflegeeinrichtungen“ mit Wirkung zum 15.2.2016. Der Einzug der Bewohnerin in das Pflegeheim der Beklagten erfolgte am 29.2.2016.

Der Pflegevertrag sieht vor, dass die (künftige) Bewohnerin vom Vertragsbeginn bis zum Einzugstermin eine Platzgebühr in Höhe von 75 Prozent der Pflegevergütung, der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie des Umlagebetrags nach der Altenpflegeausbildungsausgleichsverordnung (AltPflAusglVO) zu entrichten hat. Dementsprechend stellte die Beklagte der Mutter des Klägers am 22.3.2016 für die Reservierung eines Zimmers in ihrem Pflegeheim im Zeitraum vom 15. bis 28.2.2016 eine Platzgebühr in Höhe von über 1.100 Euro in Rechnung. Der Kläger bezahlte zunächst den Betrag. 2018 forderte er die Beklagte erfolglos auf, ihn zurückzuzahlen.

Der Kläger hat geltend gemacht, es habe erst ab dem tatsächlichen Einzug seiner Mutter in das Pflegeheim eine Vergütungspflicht bestanden. Abweichende Vereinbarungen seien unwirksam.

Prozessverlauf

Das Amtsgericht (AG) hat die Beklagte verurteilt, den geforderten Betrag nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht (LG) das erstinstanzliche Urteil dahingehend geändert, dass die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 209,30 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt worden ist.

So sieht es der Bundesgerichtshof

Der BGH hat auf die Revision des Klägers das Urteil des LG aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Denn die Vereinbarung einer Platz-/Reservierungsgebühr ist mit geltendem Recht unvereinbar und daher unwirksam.

Er betont: Es ist insbesondere unzulässig, eine Platz- oder Reservierungsgebühr auf der Basis des vertraglichen Leistungsentgelts gegebenenfalls vermindert um pauschalierte ersparte Aufwendungen für die Zeit vor der Aufnahme des Pflegebedürftigen in das Pflegeheim bis zum tatsächlichen Einzugstermin vertraglich festzulegen. Dies widerspräche nicht nur dem Prinzip der Abrechnung der tatsächlichen Leistungserbringung auf Tagesbasis, sondern begründete auch die (naheliegende) Gefahr, dass Leerstände im Anschluss an einen Auszug oder das Versterben eines Heimbewohners doppelt berücksichtigt würden, nämlich zum einen über die in die Pflegesätze eingeflossene Auslastungskalkulation und/oder etwaige Wagnis- und Risikozuschläge und zum anderen über die zusätzliche Inrechnungstellung eines Leistungsentgelts ohne tatsächliche Leistungserbringung gegenüber einem zukünftigen Heimbewohner.

Die Beklagte ist daher verpflichtet, weitere 918,54 Euro zurückzuerstatten. Der BGH konnte jedoch nicht abschließend entscheiden, weil Feststellungen dazu nachzuholen sind, ob der Kläger für den geltend gemachten Anspruch berechtigt ist, den Prozess für seine Mutter zu führen.

Quelle | BGH, Urteil vom 15.7.2021, III ZR 225/20, PM 133/2021

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Soforthilfe „Hochwasser“: Soforthilfegelder sind pfändungsfrei

| Das Amtsgericht (AG) Euskirchen hat jetzt entschieden, dass im Rahmen der Soforthilfe „Hochwasser“ auf sogenannte Pfändungsschutzkonten ausgezahlte Beträge auf entsprechenden Antrag über den Sockelbetrag hinaus pfandfrei zu stellen sind. |

Hierfür spreche die mit der Soforthilfe verbundene Zweckbindung, erste finanzielle Belastungen zu mildern, die durch die Unwetterkatastrophe vom 14./15.7.2021 erlittenen Schäden verursacht wurden. Die vom Bundesgerichtshof (BGH) für die Corona-Soforthilfe aufgestellten Grundsätze müssten auch für den Fall der Soforthilfe „Hochwasser“ gelten.

Das AG war von der Unwetterkatastrophe am 14./15.7.2021 ebenfalls schwer betroffen und musste bis zum 28.7.2021 geschlossen bleiben. Zwischenzeitlich konnte der Dienstbetrieb wieder aufgenommen werden.

Quelle | AG Euskirchen, Beschluss vom 2.8.2021, 11 M 1030/11, 11 M 3132/11, 11 M 1262/17, PM vom 5.8.2021

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Sturz von Rettungstrage: Kein Fehler, kein Schadenersatz

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig bestätigt. Ein Patient hatte sich bei einem Sturz von einer rollbaren Rettungstrage verletzt. Daraufhin hatte er gegen einen Landkreis auf Schadenersatz geklagt. |

Die Sanitäter hatten den Patienten auf eine Trage gelegt. Eines der Räder dieser Trage brach. Die Trage geriet in Schieflage. Sie kippte mit dem Patienten um.

Der Patient verlor die Schadenersatzklage bereits in erster Instanz beim Landgericht (LG). Doch er gab nicht auf. Dennoch hatte auch seine hiergegen eingelegte Berufung zum OLG keinen Erfolg. Das OLG begründete dies wie folgt: Der Patient habe weder Fehler bei der Handhabung der Trage durch die Sanitäter noch Wartungsfehler beweisen können. Die Trage habe die regelmäßigen technischen Prüfungen bestanden und sei am Unfalltag von den Rettungssanitätern bei Dienstbeginn auf Sicht überprüft worden.

Das genüge. Denn ein vollständiger und tiefgreifender Funktionstest vor jedem Einsatz könne nicht verlangt werden. Das würde den Rettungsanforderungen nicht gerecht, führe realistisch nicht zu mehr Sicherheit und übersteige überdies, beispielsweise im Fall von nicht erkennbaren Materialfehlern, die Möglichkeiten eines Rettungsdienstes. Dieser Begründung des OLG hat sich der BGH angeschlossen.

Quelle | BGH, Urteil vom 27.5.2021, III ZR 329/20; OLG Braunschweig, Beschluss vom 28.10.2020, 9 U 27/20, PM vom 26.7.2021

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Berufshaftplichtversicherung: Haftung bei fehlender Warnung eines Heilpraktikers vor Therapieabbruch

| Die gesetzlichen Pflichten beim Behandlungsvertrag gelten auch für Heilpraktiker. Der Patient kann daher Schadenersatzansprüche aus einem Behandlungsfehler geltend machen. Hierauf hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) München hingewiesen. |

Das OLG: Widerspricht im Fall einer todbringenden Krankheit (hier: Zervixkarzinom) ein Heilpraktiker seinem Patienten bei dessen Entscheidung zum Abbruch der schulmedizinisch indizierten Therapie (hier: Strahlentherapie) zugunsten einer nicht evidenzbasierten Maßnahme der Alternativmedizin (hier: Horvi-Schlangengift-Therapie) nicht mit Nachdruck, gilt: Hierin kann auch dann ein Behandlungsfehler des Heilpraktikers in Gestalt einer Fehlers der therapeutischen Aufklärung liegen, wenn die behandelnden Ärzte den Patienten über die Wahrscheinlichkeit des Todes im Falle des Abbruchs der schulmedizinischen Behandlung aufgeklärt haben.

Das OLG äußerte sich in der Entscheidung auch zur Beweislastumkehr wegen eines groben Behandlungsfehlers. Diese greift grundsätzlich auch in Fällen einer fehlerhaften therapeutischen Aufklärung.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle | OLG München, Urteil vom 25.3.2021, 1 U 1831/18, Abruf-Nr. 223602 unter www.iww.de

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BGH-Entscheidung: Rail&Fly als Eigenleistung des Reiseunternehmens

| Ist im Reiseprospekt bei der Beschreibung einer Flugpauschalreise der Bahntransfer zum Flughafen ohne Hinweis auf ein zusätzliches Entgelt als „Vorteil“ aufgeführt, ist dies aus Kundensicht in der Regel dahingehend zu verstehen, dass es sich um eine vom Reiseunternehmen angebotene Leistung handelt, die vom genannten Pauschalpreis umfasst ist. So sieht es der Bundesgerichtshof (BGH). |

Dies gelte, obwohl der Prospekt, dessen Angaben die Vertragsgrundlage bilden, den Bahntransfer nicht bei den Leistungen aufführt, die unter dem Stichwort „Inklusivleistungen“ genannt sind. Entscheidend sei hier, dass ein Bahntransfer 2. Klasse unter Nutzung des ICE als „Vorteil“ genannt sei. Der BGH: Die Formulierung „Ihr Vorteil“ lasse vor diesem Hintergrund nicht erkennen, dass es sich um eine Zusatzleistung handelt, die die Beklagte nur vermittelt. Eine Zusatzleistung ist typischerweise mit einem zusätzlichen Entgelt verbunden. Wenn das Reiseunternehmen einen „Vorteil“ benennt, der vom angebotenen Preis umfasst ist, liegt deshalb die Annahme nahe, dass es sich um einen Teil der angebotenen Leistung handelt.

Quelle | BGH, Urteil vom 29.6.2021, X ZR 29/20, Abruf-Nr. 224070 unter www.iww.de

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Verkehrsrecht

Klagewelle: BGH richtet vorübergehend einen Hilfsspruchkörper für sogenannte „Diesel-Sachen“ ein

| Aufgrund der anhaltend hohen Eingangszahlen in Rechtsstreitigkeiten über Schadenersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben (sog. „Diesel-Sachen“), und angesichts der Überlastung des damit bislang in erster Linie befassten VI. sowie des VII. Zivilsenats hat das Präsidium des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Wirkung zum 1.8.2021 vorübergehend einen VIa. Zivilsenat als Hilfsspruchkörper eingerichtet. |

Diesem ist die Zuständigkeit in sog. „Diesel-Sachen“ für die ab diesem Zeitpunkt neu eingehenden Verfahren zugewiesen. Die Zuständigkeit für die Einrichtung eines Hilfsspruchkörpers als Sonderform einer Vertretungsregelung zur Bewältigung einer vorübergehenden Überlastung liegt beim Präsidium. Die Mitglieder des Hilfszivilsenats werden nach dem Beschluss des Präsidiums anteilig weiterhin einem allgemeinen Zivilsenat zugewiesen bleiben.

Quelle | BGH, PM Nr. 141/21 vom 22.7.2021

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Geschwindigkeitsverstoß: Einziehung eines Leasingfahrzeugs nach verbotenem Rennen

| Das Landgericht (LG) Tübingen hat in einem Verfahren mit dem Vorwurf des verbotenen Kraftfahrzeugrennens die Voraussetzungen für eine Einziehung eines Leasingfahrzeugs verneint. |

Das Amtsgericht (AG) hatte einen VW Golf GTI eingezogen. Der Angeklagte soll damit an einem Kraftfahrzeugrennen teilgenommen haben. Dieses Fahrzeug stand im Eigentum einer Leasing GmbH. Leasingnehmerin war die Mutter des Angeklagten. Diese trug sämtliche finanzielle Lasten des Fahrzeugs, nutzte dieses selbst insbesondere für den Arbeitsweg, überließ es allerdings dem Angeklagten auch zu dessen Nutzung.

Das LG sah den Fall anders: Der Golf stehe im Eigentum der tatunbeteiligten Leasinggeberin. Die Einziehung wäre daher nur möglich, wenn ein Fall der sog. „Quasi-Beihilfe“ vorläge, wofür aber keine Anhaltspunkte bestanden. Eine sog. Sicherungseinziehung wäre zu erwägen, wenn der Pkw nach seiner bloßen Beschaffenheit oder der Art seiner konkreten Verwendung auch künftig eine Gefährdung fremder Rechtsgüter besorgen ließe, was das LG nicht hat erkennen können. Allein die vom AG hervorgehobene „sportliche“ Ausrichtung des Pkw ab Werk mache diesen abstrakt-generell so lange nicht zur sozial inadäquaten Gefahrenquelle, wie es in der Bundesrepublik erlaubt bleibt, ohne kompetitive Ambitionen auf den Bundesautobahnen die Beschleunigungs- und Geschwindigkeitspotenziale solcher Sportwagen auszureizen.

Zudem lag für das LG ein weiterer Einsatz als Rennfahrzeug fern, weil die Leasingnehmerin nicht im Verdacht stand, das Fahrzeug selbst zur Begehung von Straßenverkehrsstraftaten zu missbrauchen oder der „Raser-Szene“ anzugehören. Ihr Sohn wird voraussichtlich nicht über die Fahrerlaubnis verfügen, um das Fahrzeug erneut im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Quelle | LG Tübingen, Beschluss vom 11.6.2021, 3 Qs 16/21, Abruf-Nr. 223549 unter www.iww.de

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Schadenersatz: Was ist ein Oldtimer-Traktor von 1935 wert?

| Ein Oldtimer-Traktor war gestohlen worden. In einem Verfahren, das das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig jetzt entschieden hat, ging es um den Wert des Traktors. |

Der Käufer erwarb für 35.000 Euro einen Traktor Baujahr 1935. Er ließ ihn zunächst beim Verkäufer stehen. Dieser stellte den Traktor für mehrere Tage im Freien ab. Dort entwendeten ihn Unbekannte.

Von seiner Vollkaskoversicherung erhielt der Käufer 62.500 Euro, da er den Traktor so hoch versichert hatte. Da der Oldtimer nach Auffassung des Käufers jedoch viel mehr wert war, klagte er gegen den Verkäufer. Dieser sollte den unversicherten Schaden von 87.500 Euro ersetzen.

Das OLG gestand dem Käufer einen Anspruch auf Schadenersatz zu. Der Verkäufer habe seine Pflichten aus dem Verwahrungsvertrag grob fahrlässig verletzt. Denn er habe den auch ohne Schlüssel jederzeit startbereiten Traktor für mehrere Tage und Nächte unbeaufsichtigt im Freien abgestellt und nicht gegen Wegnahme gesichert.

Der Käufer habe aber nicht bewiesen, dass der von ihm gekaufte Traktor-Oldtimer ein bestimmter, höherwertiger Typ („H8“) gewesen sei. Die Wertschätzung beruhe auch auf der übereinstimmenden Angabe von zwei Sachverständigen. Zwar bewerteten diese den Traktor unterschiedlich. Dies hinderte den Senat aber nicht an der Schätzung des Schadens auf 72.500 Euro, die er durch Mittelung der von den Sachverständigen gefundenen Wertangaben vornahm. Damit hatte der Käufer nur in Höhe von 10.000 Euro Erfolg.

Quelle | OLG Braunschweig, Urteil vom 20.5.2021, 9 U 8/20, PM vom 8.7.2021

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Bußgeldverfahren: Fahrverbot auch noch nach langer Verfahrensdauer?

| Dauert das Bußgeldverfahren lange, stellt sich bei einem festgesetzten Fahrverbot immer auch die Frage, ob das Verfahren so lange gedauert hat, dass die Verhängung eines Fahrverbots nicht mehr zulässig ist. Damit hat sich jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg noch einmal auseinandergesetzt. |

Das OLG: Bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen Tat und Urteil bedarf es besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist. Bei der Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalls ist zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, insbesondere, ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind. Hat der Betroffene Rechtsmittel ausgeschöpft und die in der Strafprozessordnung (StPO) und im Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) eingeräumten Rechte genutzt, kann ihm dies nicht als eine von ihm zu vertretende Verfahrensverzögerung entgegengehalten werden. Etwas anderes gilt, wenn die lange Dauer des Verfahrens (auch) auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Betroffenen liegen. Das hat das OLG bejaht, da mehrfach der Hauptverhandlungstermin auf Wunsch des Betroffenen oder seines Verteidigers verschoben wurde und er mehrfach zur Hauptverhandlung nicht erschien, ohne sich vorher zu entschuldigen.

Quelle | OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.6.2021, 1 OLG 53 Ss-OWi 221/21, Abruf-Nr. 223550 unter www.iww.de

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Werkstattrecht: Wann muss ein Kunde Standgeld an das Autohaus zahlen?

| Eine alltägliche Situation: In der irrigen Annahme, einen Nachbesserungsanspruch zu haben oder zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt zu sein, stellt der Kunde das Fahrzeug auf dem Hof des Autohauses ab. Dort bleibt es eine Zeit lang stehen, bis der Kunde sein Auto abholt. Doch das Autohaus verlangt nun „Standgeld“. Zu Recht? Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen „Standgeld“ zu zahlen ist, hat nun das Amtsgericht (AG) Werl entschieden. |

Ein Kunde hatte nach dem Kauf eines Neufahrzeugs einen Mangel gerügt. Den hatte das Autohaus beseitigt, weitere Nachbesserungsarbeiten aber ausdrücklich abgelehnt. Daraufhin erklärte der Kunde den Rücktritt vom Kaufvertrag und stellte das Fahrzeug auf dem Gelände des Autohauses ab. Der Aufforderung, es innerhalb von vier Tagen abzuholen, weil andernfalls Standkosten anfielen, kam er nicht nach. Nach rund acht Wochen holte er sein Auto doch ab, ohne auf den zuvor erklärten Rücktritt zurückzukommen.

Das AG hat die Klage auf Ersatz von Standkosten in Höhe von 702,10 Euro abgewiesen. Unter keinem denkbaren Aspekt sei der Käufer zum Ersatz von Standkosten verpflichtet. Aus Sicht des AG hat sich der Käufer nicht im Annahmeverzug befunden, obwohl der Autohaus-Anwalt ihn unter Fristsetzung aufgefordert hatte, das Fahrzeug abzuholen.

Beachten Sie | Forderungen von Kfz-Betrieben in punkto Aufbewahrungsgebühr, Verwahrgeld, Standgeld oder -kosten sind juristisch keine Selbstläufer. Gerichte neigen oft zu einer zurückhaltenden Sicht. Der von den Gerichten anerkannte Tagessatz für Standkosten eines Pkw liegt zwischen 10 und 15 Euro. Das AG Coburg beispielsweise spricht sich für 15 Euro aus.

Quelle | AG Werl, Urteil vom 8.4.2021, 4 C 110/19, Abruf-Nr. 222829 unter www.iww.de; AG Coburg, Urteil vom 26.11.2020, 12 C 2800/20, Abruf-Nr. 219352 unter www.iww.de

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Schadenersatz: Zulassung und Zulassungsdienst: Kosten erstattungsfähig

| Der Geschädigte darf für die Zulassung seines Ersatzfahrzeugs einen Zulassungsdienst in Anspruch nehmen. Die dabei anfallenden Kosten muss die gegnerische Haftpflichtversicherung erstatten. So sagt es jetzt das Amtsgericht (AG) Wipperfürth wie schon etliche Gerichte zuvor. |

Das AG Wipperfürth stellt klar: Der Schädiger bzw. seine Haftpflichtversicherung können sich nicht darauf berufen, dass es Sache des Geschädigten sei, sein Fahrzeug zuzulassen. Zwar ist dies auch erforderlich, wenn ohne den Unfall später ein neues Kraftfahrzeug angeschafft wird. Die Zulassung des neu beschafften Fahrzeugs wurde hier aber gerade aufgrund des Unfalls notwendig. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Geschädigte das unfallbeschädigte Fahrzeug selbst angemeldet hat. Da der Zeitaufwand des Geschädigten für den Unfall keinen ersatzfähigen Schaden darstellt, ist es gerechtfertigt, einen Zulassungsdienst in Anspruch zu nehmen, denn auch wenn die Zulassung eines neuen Kfz online schnell und unkompliziert möglich ist, bedeutet sie, so das AG, dennoch einen erheblichen Zeitaufwand, zumal die Fahrt zur Zulassungsbehörde und zurück auch noch eingerechnet werden muss.

Quelle | AG Wipperfürth, Urteil vom 8.7.2021, 9 C 101/20, Abruf-Nr. 223567; frühere Entscheidungen ebenso: AG Aschaffenburg, Urteil vom 20.10.2020, 115 C 819/20, Abruf-Nr. 218936; AG Biberach an der Riß, Urteil vom 3.2.2017, 8 C 921/16, Abruf-Nr. 191898; AG Berlin-Mitte, Urteil vom 22.9.2016, 102 C 3073/16, Abruf-Nr. 189095; AG Erfurt, Urteil vom 24.8.2016, 5 C 870/15, Abruf-Nr. 189092 unter www.iww.de

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Abschließende Hinweise

Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2021 bis zum 31. Dezember 2021 beträgt -0,88 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 4,12 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,12 Prozent

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.01.2021 bis 30.06.2021

-0,88 Prozent

01.07.2020 bis 31.12.2020

-0,88 Prozent

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

01.01.2012 bis 30.06.2012

0,12 Prozent

01.07.2011 bis 31.12.2011

0,37 Prozent

01.01.2011 bis 30.06.2011

0,12 Prozent

01.07 2010 bis 31.12.2010

0,12 Prozent

01.01.2010 bis 30.06.2010

0,12 Prozent

01.07 2009 bis 31.12.2009

0,12 Prozent

01.01.2009 bis 30.06.2009

1,62 Prozent

01.07.2008 bis 31.12.2008

3,19 Prozent

01.01.2008 bis 30.06.2008

3,32 Prozent

01.07.2007 bis 31.12.2007

3,19 Prozent

01.01.2007 bis 30.06.2007

2,70 Prozent

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Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 10/2021

| Im Monat Oktober 2021 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer (Monatszahler): 11.10.2021
  • Lohnsteuer (Monatszahler): 11.10.2021

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 14.10.2021 für die Umsatz- und Lohnsteuerzahlung. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat Oktober 2021 am 27.10.2021.

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Würtemberger und Leßmann . Rechtsanwaltskanzlei . Pirnaer Straße 20 . 68309 Mannheim